Mittwoch, Februar 19, 2025
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Wie sicher fühlen sich Ihre Mitarbeitenden wirklich?

Die Bedeutung von Vertrauenskulturen und psychologischer Sicherheit in Unternehmen

In einer zunehmend komplexen Geschäftswelt wird der Wettbewerb um Innovationskraft, Kreativität und die besten Talente immer intensiver. Unternehmerinnen, Unternehmer und Führungskräfte stehen vor der Herausforderung, Arbeitsumgebungen zu schaffen, in denen Mitarbeiter ihr volles Potenzial entfalten können. Ein zentrales Element, das diesen Erfolg ermöglicht, ist die sogenannte „psychologische Sicherheit“. Doch was bedeutet dieser Begriff genau, woher stammt er, und warum ist er wichtiger denn je?

Was bedeutet „psychologische Sicherheit“?

Der Begriff „psychologische Sicherheit“ wurde erstmals von Amy Edmondson, Professorin an der Harvard Business School, geprägt. In ihrer bahnbrechenden Studie aus dem Jahr 1999 definierte sie psychologische Sicherheit als „eine geteilte Überzeugung der Teammitglieder, dass die Arbeitsumgebung sicher ist, um zwischenmenschliche Risiken einzugehen.“ Dies bedeutet, dass Mitarbeitende sich sicher fühlen, ihre Meinungen, Ideen und Bedenken offen auszudrücken, ohne Angst vor negativen Konsequenzen für Status oder Karriere haben zu müssen. Unabhängig davon, ob sie eher introvertiert oder extrovertiert sind, bietet psychologische Sicherheit eine universelle Basis, in der sich alle sicher und wertgeschätzt fühlen.

Edmondsons Forschung zeigte, dass Teams, die psychologische Sicherheit erleben, seltener Fehler verheimlichen und häufiger voneinander lernen. Solche Teams sind offener für innovative Lösungen und geben häufiger kritisches Feedback. Psychologische Sicherheit steht somit für eine Unternehmenskultur, in der Vertrauen, Respekt und offene Kommunikation zentrale Bestandteile sind.

Warum ist psychologische Sicherheit für Unternehmen so wichtig?

1. Psychologische Sicherheit als Grundlage für Ideen, Innovationskraft und Erfindergeist

In Zeiten disruptiver Technologien und sich rasch verändernder Marktbedingungen müssen Unternehmen agil und innovativ sein. Psychologische Sicherheit schafft die Grundlage für eine Innovationskultur, in der Risiken eingegangen und Fehler als Lernchancen genutzt werden. Sie ermöglicht, dass kreative Ideen ohne Angst vor Blamage oder Sanktionen geteilt werden können. Menschen sind dann bereit, neue Ideen zu entwickeln und unkonventionelle Wege zu gehen. Dies gelingt nur, wenn sie sich sicher fühlen, sich einzubringen. Psychologische Sicherheit ermöglicht eine Kultur, in der Experimente erwünscht sind und aus Ideen Innovationen entstehen. Die Förderung von psychologischer Sicherheit bedeutet, eine Umgebung zu schaffen, in der Mitarbeitende nicht nur „mitmachen“, sondern aktiv „mitgestalten“.

2. Psychologische Sicherheit fördert Mitarbeiterbindung und Engagement

Laut einer Studie von Google im Rahmen des „Project Aristotle“ ist psychologische Sicherheit der wichtigste Faktor für die Effektivität von Teams. Überraschend war dabei, dass nicht die Zusammensetzung des Teams, sondern die Art der Zusammenarbeit entscheidend ist. Teams mit hoher psychologischer Sicherheit sind leistungsbereiter, engagierter und weniger anfällig für Fluktuationen. Es entwickelt sich eine stärkere Identifikation mit dem Unternehmen und seinen Zielen. 

3. Psychologische Sicherheit erhöht die Leistungsfähigkeit

In einer von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit geprägten Arbeitswelt führt hoher Druck oft zu einer Reduktion der Leistungsfähigkeit. Mitarbeiter scheuen dann das Risiko, bitten nicht um Hilfe und verschleiern Fehler, wodurch Unternehmen wertvolle Lernchancen entgehen. Ist der Stress zu hoch, schaltet der Körper in den „Fight-or-Flight“-Modus und schränkt kognitive Fähigkeiten wie kreatives und analytisches Denken ein. Das Yerkes-Dodson-Gesetz beschreibt diesen Zusammenhang zwischen Anspannung und Leistung: Ein mittleres Maß an Erregung begünstigt optimale Leistung und Innovationskraft. Psychologische Sicherheit hilft, die Stresskurve in einem Bereich zu halten, in dem produktiv und kreativ gearbeitet werden kann, ohne in einen Überforderungszustand zu geraten. 

Warum ist psychologische Sicherheit heute wichtiger denn je?

Die Arbeitswelt hat sich tiefgreifend verändert. Durch Digitalisierung, die COVID-19-Pandemie und Globalisierung haben sich nicht nur Arbeitsbedingungen, sondern auch die Erwartungen der Mitarbeitenden gewandelt. Flexibilität, Autonomie und Vertrauen sind zentrale Werte geworden, die insbesondere bei jüngeren Generationen hochgeschätzt werden. Mit dem Anstieg von Remote- und Hybridmodellen müssen Führungskräfte neue Wege finden, Vertrauen und Zusammenhalt über räumliche Distanzen hinweg zu fördern. Fehlende psychologische Sicherheit kann schnell zu Isolation und Entfremdung führen.

Wie können Führungskräfte psychologische Sicherheit fördern?

Führungskräfte spielen eine Schlüsselrolle bei der Schaffung von psychologischer Sicherheit. Sie sind verantwortlich dafür, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Vertrauen gedeihen kann. Diese Maßnahmen helfen, psychologische Sicherheit zu fördern:

  1. Offene Kommunikation und Transparenz: Führungskräfte sollten aktiv zuhören, ehrliches Feedback geben und eine Kultur der offenen Kommunikation etablieren. Regelmäßige Teamgespräche und die Einladung zu Feedback fördern das Vertrauen.
  2. Fehler als Lernchancen betrachten: Anstatt Fehler zu sanktionieren, sollten sie als wertvolle Lernchancen betrachtet werden. Eine offene Fehlerkultur zeigt, dass Fehltritte Teil des Lernprozesses sind.
  3. Vorbildfunktion einnehmen: Führungskräfte müssen selbst Vorbilder sein und eigene Verletzlichkeit zeigen. Wer offen zugibt, nicht alle Antworten zu haben, signalisiert, dass Unsicherheiten normal sind.
  4. Wertschätzung und Anerkennung: Mitarbeiter sollten regelmäßig für ihre Beiträge und Ideen anerkannt werden. Dies stärkt das Selbstvertrauen und die Motivation, aktiv teilzunehmen.
  5. Vielfältige Teamstrukturen: Teams sollten so zusammengesetzt sein, dass unterschiedliche Perspektiven wertgeschätzt werden. Diversität trägt entscheidend zur Innovationskraft bei.

Die Rolle von Unternehmens- und persönlichen Werten

Unternehmenswerte bilden das Fundament jeder Unternehmenskultur. Sie prägen Verhalten und Erwartungen im Unternehmen. Psychologische Sicherheit entsteht dort, wo Werte wie Vertrauen, Offenheit und Respekt gelebt werden. Eine Führungskraft, die Wert auf Integrität und Ehrlichkeit legt, wird dies auch im Umgang mit Mitarbeitenden spiegeln. Eine konsistente Wertebasis auf Unternehmens- und persönlicher Ebene fördert ein authentisches und vertrauensvolles Miteinander, das psychologische Sicherheit ermöglicht.

Fehlerkultur und „Fail Fast, Learn Fast“

Eine positive Fehlerkultur ist entscheidend für Innovation. Unternehmen, die bewusst „Fail Fast, Learn Fast“ anwenden, fördern schnelle, kleine Misserfolge, um wertvolle Lerneffekte zu erzielen. Psychologische Sicherheit ermöglicht damit eine Lernkultur, die das Scheitern als Teil des Prozesses akzeptiert und eine höhere Innovationsrate begünstigt. In einem Umfeld, in dem Scheitern allerdings als Stigma betrachtet wird, scheuen Mitarbeitende das Risiko, bleiben in sicheren Bahnen und schweigen. Als Beispiel beschreibt Amy Edmonson den Fall von einem Team von Wissenschaftlern in einem Pharmaunternehmen. Diese entdeckten potenzielle Sicherheitsbedenken bei einem neuen Medikament, das in der klinischen Testphase war. Doch aufgrund von Angst vor negativen Reaktionen oder dem möglichen Verlust von Fördermitteln zögerten sie, diese Bedenken rechtzeitig zu äußern. Das Resultat war, dass das Medikament trotz der Risiken weiterentwickelt wurde, was zu verzögerten Erkenntnissen und finanziellen Einbußen führte.

Eine eindrucksvolle Manifestation einer positiven Fehlerkultur und dem Aussprechen von Fehlern, sind sogenannte „Fuck-up Nights“. In solchen Veranstaltungen sprechen Unternehmer oder Mitarbeitende in kurzen Pitches offen über ihre größten Misserfolge und die Lehren daraus. Diese Offenheit erfordert ein hohes Maß an Vertrauen und psychologischer Sicherheit. Ohne eine solche Kultur wären derartige Veranstaltungen undenkbar, da niemand 

Teamentwicklung und Organisationskultur

Ein Unternehmen, das psychologische Sicherheit fördert, nutzt Teamentwicklung strategisch. Regelmäßige Workshops, in denen offene Kommunikation, der Umgang mit Feedback und die individuellen Stärken gefördert werden, tragen zur Entwicklung eines sicheren Arbeitsumfeldes bei. Auch die Organisationskultur muss auf kontinuierliche Verbesserung ausgerichtet sein und ein Klima schaffen, in dem psychologische Sicherheit aktiv gefördert wird und fest in den Unternehmenswerten verankert ist.

Fazit: Ein Aufruf an Führungskräfte

Unternehmerinnen, Unternehmer und Führungskräfte sind in der Verantwortung, psychologische Sicherheit in ihren Teams und Organisationen zu verankern. Sie müssen die Kultur des Vertrauens und der offenen Kommunikation vorleben und einen Rahmen schaffen, in dem sich alle Mitarbeitenden sicher fühlen, ihre besten Ideen einzubringen.

Eine Kultur der psychologischen Sicherheit ist kein Selbstläufer, sondern das Ergebnis bewusster Führung und klarer Werteorientierung. Sie bildet die Grundlage für langfristigen Erfolg, Innovationskraft und starke Mitarbeiterbindung. Unternehmen, die diesen Weg gehen, werden nicht nur resilienter gegenüber äußeren Veränderungen, sondern auch erfolgreicher in einer immer komplexer werdenden Welt.

Bild Rainer Krumm und Doris Pfiz @ axiocon

Autoren

Doris Pfiz und Rainer Krumm sind erfahrene Personalentwickler und Experten für Organisationskultur. Sie unterstützen Unternehmen dabei, nachhaltige Veränderungen herbeizuführen und die Potenziale ihrer Mitarbeitenden zu entfalten.

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

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