sira Kinderbetreuung: Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Stellen Sie sich und das Startup sira doch kurz unseren Lesern vor!
Mein Name ist David Siekaczek, zusammen mit meiner Geschäftspartnerin Christina Ramgraber habe ich sira Kinderbetreuung gegründet. Stand Mai 2018 sind wir mittlerweile 19 Leute festangestellt in der Firma. Wir haben dabei ca. 95 Prozent Frauenquote – ich bin die restlichen 5 Prozent.
Mit sira konzeptionieren, errichten und betreiben wir für Arbeitgeber aus den unterschiedlichsten Branchen betrieblich unterstützte „Mini-Kitas“ auf Basis der Betreuungsform Großtagespflege. Die Plätze stehen dann den Kindern der berufstätigen Eltern bei unseren Partnerunternehmen zur Verfügung.
Wie ist die Idee zu sira entstanden und wie haben Sie sich als Gründerteam zusammengefunden?
Christina und ich haben bereits in unserem vorherigen Job im Account Management bei einem japanischen IT-Konzern zusammengearbeitet. Irgendwann kam bei einem Mittagessen die Idee der Selbstständigkeit auf und kurz darauf haben wir angefangen, Ideen und erste Geschäftsmodelle dafür zu skizzieren. Wir hatten tatsächlich keinerlei Hintergrund in den Bereichen Pädagogik oder Betrieb von Kitas. Über die Themen Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Fachkräftemangel sind wir aber auf die Idee der betrieblich unterstützten Kinderbetreuung gekommen und waren überzeugt, dass wir damit etwas gründen, was Sinn macht und der Gesellschaft weiterhilft. Später, als wir uns tiefer in die Materie eingearbeitet und bereits eine erste Kindertagesstätte für eine große Bank in München aufgebaut hatten, sind wir dann auf die wenig bekannte Betreuungsform Großtagespflege gekommen, die die Basis für unser heutiges Geschäftsmodell darstellt.
Von der Idee bis zum Start was waren bis jetzt die größten Herausforderungen und wie haben Sie sich finanziert?
Nachdem ein erstes grobes Geschäftsmodell stand haben wir bei unserem Arbeitgeber gekündigt und sind mit der Gründung ins kalte Wasser gesprungen. Herausfordernd war zu Beginn fast alles, die Gründung an sich – zu Beginn noch als GbR, später als GmbH – war fast das Einfachste. Wir haben den Existenzgründerzuschuss bei der Agentur für Arbeit beantragt und auch bewilligt bekommen. Das hat uns die ersten 9 Monate abgesichert. Wir dachten, danach haben wir sicher schon ausreichend laufende Umsätze und können uns ein Gehalt bezahlen, aber da waren wir viel zu blauäugig und hatten zu optimistisch geplant.
Nach Auslaufen des Existenzgründerzuschusses mussten wir dann zurückgehen in Teilzeit und uns beide noch mit Nebenjobs finanzieren. Wir dachten anfangs auch, wir schaffen das alles ohne externe Finanzierung. In 2016 haben wir dann unsere erste (und bisher einzige) Finanzierungsrunde mit Business Angels gemacht. Mittlerweile finanzieren wir uns aus Umsätzen der Unternehmen und als Träger aus den kommunalen und staatlichen Fördergeldern für Kinderbetreuung.
Welche Vision steckt hinter sira?
Unsere Vision ist die echte Vereinbarkeit von Familie und Beruf – für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, nicht nur für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter großer Konzerne, die sich bisher eine eigene Betriebskita leisten konnten. Von einer familiengerechten Arbeitswelt profitieren nämlich alle Stakeholder: die berufstätigen Eltern, die Arbeitgeber, die Gesellschaft als Ganzes und nicht zuletzt…die Kinder! Der Ausbau der frühkindlichen Betreuung bedeutet Bildungsgerechtigkeit, Chancengleichheit für Frauen am Arbeitsmarkt und für Kinder, durch das spielerische Erlernen von wichtigen Basiskompetenzen, eine optimale Vorbereitung für eine erfolgreiche Bildungskarriere. Arbeitgeber profitieren ebenfalls von familienfreundlichen Angeboten, durch eine schnellere Rückkehr ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Elternzeit an den Arbeitsplatz, eine stärkere Mitarbeiterbindung und Vorteilen beim Recruiting neuer Fachkräfte.
Wer ist die Zielgruppe von sira?
Wir haben einen sehr breiten Ansatz mit unterschiedlichen Stakeholder-Gruppen. Da sind natürlich zum einen die Kinder, die wir mit einem vernünftigen, altersentsprechenden und nicht zu „verschulten“ pädagogischen Konzept betreuen. Die berufstätigen Eltern wollen einen bezahlbaren, bedarfsgerechten und arbeitsplatznahen Betreuungsplatz, und dabei ein gutes Gefühl haben, wenn sie ihr Kind morgens abgeben. Nun ist es allerdings so, dass Kinder und ihre Eltern über unsere Hauptzielgruppe „automatisch“ zu uns kommen: die Unternehmen bzw. Arbeitgeber.
Hier haben wir mit dem Konzept der Mini-Kita die Möglichkeit, auch Arbeitgeber und Unternehmensstandorte anzusprechen, für die eine eigene betriebliche Kinderbetreuung bislang keinen Sinn gemacht hat. Zudem haben wir kürzlich eine neue Zielgruppe erschlossen: wir kooperieren mit der Stadt Straubing erstmals direkt mit einer Kommune, ohne Arbeitgeber bzw. Unternehmen dazwischen. Städte, Gemeinden und Landkreise, die Nachholbedarf bei der Schaffung neuer Kitaplätze haben, sind nun also ebenfalls eine große Zielgruppe für uns. Umso mehr freut es uns, dass wir mit unserer ersten Mini-Kita in Straubing da einen proof of concept haben.
Wie funktioniert sira?
Wir haben zwei Gesellschaften: erstens, die sira Projekte GmbH, die mit Arbeitgebern bzw. Kommunen den Aufbau der Mini-Kita plant und realisiert – von der Immobiliensuche und -auswahl über das Finanzierungskonzept, Vertragsgestaltung und die Kooperation mit den zuständigen Behörden bis zum (Um-)Bau, Ausstattung und Personalrekrutierung. Dort werden also alle Leistungen erbracht, die bis zur schlüsselfertigen Übergabe an den Träger notwendig sind. Die Übernahme dieser Tätigkeit wird von unseren Projektpartnern, also Arbeitgebern oder Kommunen, mit einem Projektmanagementhonorar vergütet.
Unsere zweite Gesellschaft ist die sira Kinderbetreuung gemeinnützige GmbH, die als Trägergesellschaft das Betreuungspersonal anstellt und alle Aufgaben im laufenden Betrieb der Mini-Kitas übernimmt – von der Abrechnung der Fördermittel, Anmietung der Immobilie, Anstellung der Betreuungspersonen bis zur Kontrolle der pädagogischen Qualität, Organisation von Catering und Reinigung und laufender Personalplanung. Unsere Projektpartner müssen sich also um nichts selbst kümmern und keine eigenen personellen Ressourcen binden bzw. Know-How aufbauen.
Welche Vorteile bietet sira? Was unterscheidet Sie von anderen Anbietern?
Durch die Konzentration auf die Betreuungsform Großtagespflege (Mini-Kitas) unterscheiden wir uns von fast allen anderen professionellen Trägern für Kinderbetreuung. In einer Mini-Kita werden max. 10 Kinder gleichzeitig von 2-3 pädagogischen Fachkräften betreut. Wir benötigen dazu Flächen zwischen ca. 90 – 120 m², die wir auch in Ballungsräumen noch gut finden. Das sind z.B. (ebenerdige) Gewerbeeinheiten, Büros oder Ladenflächen.
Wir setzen hauptsächlich Erzieherinnen ein und bekommen, anders als viele Kita-Träger, auch sehr gute Fachkräfte. Das liegt am angenehmen Arbeitsumfeld in einer kleinen Einheit, der größeren Eigenverantwortung und der Möglichkeit, sich mit der Lieblingskollegin als Team zu bewerben.
Die Betreuungskosten für die Eltern sind vom Jugendamt gedeckelt, da können wir auch nicht mehr verlangen. Wir sind also kein teurer privater Kita-Träger, sondern schaffen bezahlbare und bedarfsgerechte Betreuungsplätze für berufstätige Eltern.
Für Arbeitgeber bietet unser Geschäftsmodell die Möglichkeit einer besseren und flexibleren Auslastung bei deutlich weniger Investitions- und Betriebskosten als eine große Kita. Vielen kleinere und mittlere Arbeitgeber bietet die Mini-Kita überhaupt erstmals die Möglichkeit einer eigenen betrieblichen Kinderbetreuung. Für Standorte und Filialen von größeren Unternehmen ebenso. Ein solches Angebot kam für diese Zielgruppe bisher aufgrund der benötigten Fläche, der erforderlichen Investitionen und Auslastung einer klassischen Kita nicht in Frage.
Auch für Kommunen, die schnell neue, flexible Betreuungsplätze schaffen wollen, ist unser Modell genau richtig – und pro Betreuungsplatz in der Regel deutlich kostengünstiger als der Bau einer großen Kita.
sira, wo geht der Weg hin? Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Wir haben Stand heute 5 Mini-Kitas in eigener Trägerschaft und wollen als Unternehmensdienstleister und Kitaträger weiterhin stark wachsen und uns in allen Bereichen weiterentwickeln. Ich gehe davon aus, dass wir in fünf Jahren bundesweit in viele weitere Städte und Ballungsräume expandiert sind und uns dort als zuverlässiger Träger etablieren konnten, mit ca. 50 – 60 Mini-Kitas in eigener Trägerschaft. Das wäre unser Ziel.
Zum Schluss: Welche 3 Tipps würden Sie angehenden Gründern mit auf den Weg geben?
Wir haben auf unserem Weg viel gelernt, hatten auch viele Rückschläge und uns immer wieder neu motivieren müssen. Meine wichtigsten 3 Tipps wären folgende:
Ich persönlich würde tatsächlich nicht alleine gründen, sondern mindestens zu zweit. Ansonsten fehlt der Sparringpartner, mit dem man sich laufend austauschen und immer wieder neu motivieren kann.
Ich würde auch nicht zu lange mit der tatsächlichen Gründung warten, sonst besteht die Gefahr, dass man die Geschäftsidee „zerdenkt“ und die negativen Aspekte und Gefahren höher gewichtet – dann gründet man am Ende doch nicht, das Zeitfenster ist zu.
Mit möglichst vielen Menschen im beruflichen und privaten Umfeld über die Gründungsidee sprechen – es ist immer wieder erstaunlich, von wie vielen Leuten man nützliches Feedback, Wissen und Kontakte bekommt, die einem Weiterhelfen.
Diese drei Punkte haben wir tatsächlich von Anfang an richtig gemacht, daher vielleicht noch ein Learning aus einer Situation, die wir falsch eingeschätzt haben: wir haben aus meiner Sicht zu spät ernsthaft über die Hereinnahme von Investoren nachgedacht. Wenn der proof of concept erbracht ist, sollte man das auf jeden Fall in Betracht ziehen, das gibt dem Ganzen einen großen Wachstums- und Professionalisierungsschub.
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Wir bedanken uns bei David Siekaczek für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.