Psychologischer Effekt zur erfolgreichen Fluktuationssenkung und Erfolgssteigerung im Recruiting
Seit Jahrzehnten zeigt sich ein schauriges Phänomen: Sobald ein Selbstmord geschieht, steigt in den nächsten Wochen hochsignifikant die Selbstmordrate. Dabei gibt es zwei Besonderheiten: Die Steigerung erfolgt nur, wenn breit in den Medien über den Suizid berichtet wird. Und: Die Selbstmörder kommen überwiegend aus der gleichen Peergroup, wie die Akteure, über die berichtet wird. (Quelle: Cialdini, Influence, S. 200ff.)
Den zugehörigen Effekt bezeichnen Psychologen als soziale Ansteckung: Das Verhalten unserer Mitmenschen beeinflusst uns und besonders das von Menschen, die uns ähnlich sind. Unternehmen können diesen Effekt für die Mitarbeiterbindung und das Recruiting nutzen.
Soziale Ansteckung in der Mitarbeiterbindung
Eine Möglichkeit, den Effekt zu nutzen, bieten Mitarbeitergespräche. Viele Unternehmen führen Exitgesprächen, um Feedback zu erhalten und die eigene Attraktivität zu erhöhen. Impuls: Führen Sie auch Bleibegespräche, in denen Sie erheben, warum Mitarbeiter verschiedener Peergroups gerne bei Ihnen arbeiten und teilen Sie die Ergebnisse.
Die Statements können unzufriedene Mitarbeiter anstecken und ihre Loyalität stärken. Am wirksamsten sind Statements, die in Bild und/oder Ton zur Verfügung stehen oder solche, die Kollegen wörtlich zitieren. Auch Storytelling bildet ein probates Mittel, das es den Lesern erleichtert, sich mit den Akteuren zu identifizieren.
Wer dagegen hofft, durch einen begeisterten Beitrag eines Mitglieds der Geschäftsführung Azubis zu begeistern und Nachwuchskräfte anzulocken, darf sich nicht wundern, wenn das Vorhaben misslingt. Je besser die zitierte Person zur Zielgruppe passt, desto stärker der Effekt.
Soziale Ansteckung im Recruiting
Neben der Mitarbeiterbindung ist bei der Suche nach den besten Fachkräften das Recruiting ein kritischer Faktor. Je nach Berufsbild, Alter und Region sind im DACH-Raum zwischen 37 und 70 % der Bewerber wechselbereit. Aber nur 10 % werden selbst aktiv. Der Effekt der sozialen Ansteckung kann auch bei Social-Media-Recruiting-Kampagnen genutzt werden, um deren Effizienz zu erhöhen. Nutzen Sie Erfahrungsberichte und Beispiele von Mitarbeitern aus der anvisierten Zielgruppe, aus der Sie Kandidaten gewinnen wollen. Beispielsweise:
Absolventen der gesuchten Studiengänge von spezifischen Universitäten oder Fachhochschulen aus dem In- oder Ausland, denen die positiven Erfahrungsberichte eines Absolventen des letzten Jahrgangs eingeblendet werden.
Fachkräfte und Spezialisten aus anderen Ländern, denen gezeigt wird, dass Mitglieder ihrer Peergroup den Weg zu Ihrem Unternehmen schon erfolgreich gegangen sind.
Branchenwechsler:
Während Corona wechselten viele Fachkräfte vom HoGa-Bereich in den Handel. Für Köche sind die geregelten Arbeitszeiten und Arbeitskonditionen in der Fleischabteilung eines Supermarktes attraktive Optionen. Die Industrie ist attraktiv für Elektriker aus dem Handwerk. Untersuchen Sie in Ihrem Unternehmen, auf welchen Wegen Kollegen zu Ihnen gekommen sind und ob sich diese nutzen lassen.
Positionswechsler:
Zahntechniker haben zu über 95 % die Fähigkeiten, die auch ein Uhrmacher benötigt., Bäcker können mit geringer Einarbeitung mit Mischungsverhältnissen in der chemischen Industrie umgehen und sind dadurch interessante Kandidaten. Ihnen und vergleichbaren Kandidaten kann der Schritt zum Wechsel schmackhaft gemacht werden, indem ehemalige Kollegen zeigen, wie zufrieden sie in ihrem neuen Aufgabengebiet sind.
Unternehmen nach einem Eigentümerwechsel:
Langjährige Mitarbeiter sind meist immun gegen Wechselangebote. Ist der „alte“ Chef jedoch weg, schwindet bei vielen Mitarbeitern auch die Loyalität. Wenn der neue Chef oft erst einmal alles ändert, weckt das den Missmut der Mitarbeiter. Wenn gezeigt wird, dass vergleichbare Fachkräfte nach einem Wechsel zufrieden sind, steigt die Wechselbereitschaft.
Marode Unternehmen:
Mitarbeiter sind hier häufig unentschlossen: Sollen sie bleiben und versuchen, etwas an der immer schlechter werdenden Lage zu ändern? Oder sollen sie auf die eigene Energie achten und sich nicht verheizen lassen? Oft werden Mitarbeiter in solchen Situationen überlastet, was auf Dauer ihre Kräfte übersteigt und das Burnout-Risiko erhöht. Auch hier kann die Geschichte von jemandem, der in der gleichen Situation war, helfen, um sie zum entscheidenden Schritt – einem Wechsel zur rechten Zeit – zu motivieren.
Analog:
Unternehmen mit geringer Mitarbeiterzufriedenheit. Wenn Unternehmen bei Kununu oder Glassdoor schlechte Bewertungen haben, können deren Mitarbeitern Angebote gemacht werden, in denen gezeigt wird, wie zufrieden vergleichbare Kollegen nach einem Wechsel sind.
Fazit: Wenn der Effekt der Sozialen Ansteckung klug genutzt wird, ermöglicht er Unternehmen, ihre Mitarbeiter stärker zu binden und die Effizienz von personalisierten Recruiting-Techniken wie Social Media Recruiting, Active Sourcing und Performance Recruiting zu steigern.
Autor Christian Bernhardt ist Dozent, Autor, Berater und Speaker für Lösungen gegen den Fachkräftemangel. Sein Buch „Echte Wertschätzung“ erschien 2022. Es beschreibt, wie es gelingt, Beziehungen zu stärken. Vertrauen zu vertiefen und Teams zu entwickeln. Bernhardt berät Unternehmen und hält Vorträge und Trainings zu Recruiting und Kommunikation in Deutschland und der Schweiz. www.bernhardt-trainings.com
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