Freitag, Juni 6, 2025
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Was hält Frauen wirklich davon ab, in Führung zu gehen?

Ten More In ist eine Führungsakademie für Frauen, die professionelles Leadership Coaching mit digitalem Lernen kombiniert und Frauen auf ihrem Weg in verantwortungsvolle Positionen begleitet

Können Sie Ten More In und die Personen hinter dem Unternehmen kurz vorstellen?

Lia Grünhage: Ten More In ist die Führungsakademie für Frauen. Lea-Sophie Cramer und ich haben das Unternehmen 2022 gegründet und setzen damit neue Standards, indem wir professionelles Leadership Coaching skalierbar machen und so einen einzigartigen Zugang auf fundierte Expertise, exklusives Wissen und angewandte Leadership Skills bieten.
Dabei verbinden wir die Intensität eines physischen Leadership Coachings mit den Vorteilen des Online-Lernens in einer Gruppe von Gleichgesinnten. Anhand kuratierter Inhalte begleiten wir die Teilnehmerinnen in sogenannten Classes à circa 130 Frauen gemeinsam mit Executive Coaches durch sechs- bzw. achtwöchige Führungsprogramme. Anschließend werden die Teilnehmerinnen Teil des Ten More In Network.

Lea-Sophie Cramer gehört zu den prominentesten Persönlichkeiten der Start-up-Szene in Deutschland und den führenden Stimmen für Unternehmertum, moderne Führung und Digitale Innovation.

Gemeinsam mit Sebastian Pollok gründete sie im Jahr 2013 Amorelie, das unter ihrer Führung zu einem der bedeutendsten E-Commerce-Unternehmen und digitalen Brands für das Liebesleben wurde und zum Wachstum und der Neupositionierung einer ganzen Branche beitrug. Seit über zehn Jahren ist sie eine der aktivsten deutschen weiblichen Business Angels.

Unsere Co-Geschäftsführerin Helena Meyer-Schönherr begann ihre Karriere in der Unternehmensberatung bei BCG und begleitete als Associate Partner bei Bridgemaker den Aufbau mehrerer Corporate-Startups, bevor sie als VP People in das Führungs-Team des britischen Online-Lieferservices Zapp wechselte. Ihre Leidenschaft für Personal- und Organisationsentwicklung gepaart mit HR- und Leadership-Strategie führte sie zu Ten More In.

Ich bin Unternehmerin und seit über zehn Jahren in der deutschen Start-up-Szene aktiv. 2014 stieg ich bei Amorelie ein und baute das Unternehmen als CMO und Geschäftsführerin mit auf. Ende 2019 entschied ich mich dann selber zu gründen und mit Avery Fertility die Aufklärung und den Zugang zur Reproduktionsmedizin, in einer Zeit, in der wir immer später Eltern werden, voranzutreiben. Mit der Gründung von Ten More In bin ich bei meinem Herzensthema angekommen: mehr Frauen in Führung zu bringen.

Wie entstand die Idee zu Ten More In. Was war der entscheidende Moment für die Gründung?

Lia Grünhage: Erstmal ist mir wichtig festzuhalten: Female Leadership schafft echten Mehrwert – politisch, gesellschaftlich und, nicht zuletzt, ökonomisch. Studien belegen, dass mehr Frauen in Führungs­positionen Offenheit, Transparenz und eine bessere Kommunikation fördern, was wiederum zu konstruktiveren Debatten und fundierteren Entscheidungen in Unternehmen führt. Gleichzeitig korreliert ein höherer Frauen­anteil in der Führung mit gesteigerter Profitabilität, stärkerer Unternehmens­performance und einer größeren Innovationskraft. Also eigentlich ein klarer Case.

Trotzdem haben Lea und ich seit unserer Zeit bei Amorelie beobachtet, dass es immer wieder dieselben Themen sind, warum Frauen nicht so proaktiv in Führung gehen bzw. dass sie nicht so lange in ihren Positionen bleiben, wenn sie einmal in Führung sind: starke Zweifel an der eigenen Leistung, eine niedrigere Konfliktbereitschaft und die Scheu vor der Vermarktung des eigenen Tuns, um ein paar davon zu nennen. Gleichzeitig haben wir die Erfahrung gemacht, welche Kraft Executive Coaching in der persönlichen Weiterentwicklung hat und dass die oben genannten Verhaltensmuster darüber bearbeitet und gelöst werden können. Voraussetzung: Du arbeitest mit Coaches zusammen, die Koryphäen in ihrem Bereich sind. Auf diesem Insight haben wir Ten More In gegründet.

Welche Vision verfolgt Ten More In und wie setzen Sie diese im Alltag konkret um?

Lia Grünhage: Derzeit ist es so, dass Frauen weltweit fast die Hälfte der Einstiegspositionen in Unternehmen besetzen – in C-Level Rollen bleiben nur weniger als ein Viertel übrig. Bei aktueller Geschwindigkeit braucht es so noch 134 Jahre bis zur Parität in der Führung. Mit Ten More In arbeiten wir dafür, dass zukünftige Führungsebenen das Verhältnis von Männern und Frauen in der Stärke widerspiegeln, in der die vertretene Menschheit sie vorgibt. Dabei setzen wir dort an, wo Frauen selbst wirksam werden und ihre eigene Weiterentwicklung vorantreiben können, um in Führung zu gehen.

Für welche Frauen ist Ten More In gedacht und wie holen Sie Ihre Teilnehmerinnen genau dort ab, wo sie stehen?

Lia Grünhage: Ten More In richtet sich an alle Frauen, die führen oder führen wollen. Zu Beginn haben wir gezielt die Frauen angesprochen, die das Programm selbst durchlaufen werden, und sind so als Endkundinnen-Marke gestartet. Durch die starke Weiterempfehlung unserer Alumnae sind dann bald auch Unternehmen direkt auf uns zugekommen, um Partnerschaften aufzubauen und gezielt Plätze für ihre weiblichen Führungstalente zu buchen. Heute sprechen wir sowohl Endkundinnen als auch Unternehmen an, die ihre weiblichen Führungstalente fördern wollen.

Wir bieten zwei Coaching Programme an: Das Leadership Core Programm ist ein sechswöchiges Leadership Coaching Programm, um ein rundes Führungsfundament aufzubauen – es richtet sich sowohl an junge als auch erfahrene Führungskräfte. Durch die Kuratierung der Class in sogenannte Close Circle Gruppen, stellen wir sicher, dass Teilnehmerinnen das Programm gemeinsam mit für sie relevanten Peers durchlaufen. Mit dem darauf aufbauenden Leadership Excellence Programm können unsere Alumnae ihre Führungsskills weiter vertiefen und ausbauen. Es richtet sich ausschließlich an ausgebildete, fortgeschrittene Female Leaders.

Mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich aktuell am häufigsten konfrontiert und wie gehen Sie damit um?

Lia Grünhage: Derzeit sehen wir uns vor allem mit zwei Hindernissen konfrontiert: Erstens kürzen Unternehmen in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit branchenübergreifend ihre Fortbildungsbudgets. Dem begegnen wir mit Fakten: Ein Net-Promoter-Score von 76, eine Completion-Rate von über 90 Prozent und die Tatsache, dass über 90 % der Teilnehmerinnen sagen, dass das Programm ihre Führung wirksamer und sicherer gemacht hat, positionieren das Angebot von Ten More In als geschäftskritische Investition statt als „nice to have“.

Zweitens sehen wir Stolpersteine struktureller Natur. In unserer Gesellschaft wird Führung seit Jahrzehnten an Qualitäten gemessen, die als „männlich“ gelten – Direktivität, Risikofreude, laute Selbstpromotion. Kooperative, beziehungsorientierte Stärken werden dagegen oft als „zu weich“ abgewertet. Diese Bilder stecken tief in uns; selbst wer „nur nach Leistung“ rekrutieren will, filtert unbewusst nach vertrauten Mustern. Dazu kommt die Vereinbarkeitslücke: 70 Prozent der Mütter arbeiten in Teilzeit, aber nur 7 Prozent der Väter. 15 Monate Elternzeit bei Frauen stehen im Schnitt 3,5 Monaten bei Männern gegenüber – Karriereknicke sind programmiert. Fehlen dann noch weibliche Vorbilder und tragfähige Netzwerke, wird der Aufstieg zur Einbahnstraße.

Wir setzen genau dort an. Im Mirror-Coaching spiegeln wir reale Führungssituationen, anhand derer Teilnehmerinnen ihre eigenen Kompetenzen stärken können. Gleichzeitig statten wir sie mit Tools aus, ihre Leistung klar zu kommunizieren und in ihrem Umfeld mit einer souveränen Haltung aufzutreten. Ab Ende 2025 wird ein spezielles Vereinbarkeits-Programm unsere Akademie ergänzen, um Müttern und damit auch ihren Arbeitgeberinnen und Partner:innen eine Möglichkeit zu bieten, die große Aufgabe der Vereinbarkeit für sich zu navigieren, ohne dabei die eigenen Ambitionen und Bedürfnisse zu kompromittieren.

Was unterscheidet Ten More In von anderen Weiterbildungs- oder Coaching-Angeboten für weibliche Führungskräfte?

Lia Grünhage: Ten More In vereint drei Alleinstellungsmerkmale, die sich so in keinem anderen Female-Leadership-Programm finden. Erstens wurden die Programme von Lea-Sophie Cramer, mir und drei der renommiertesten Executive Coaches Deutschlands mit jahrzehntelanger Erfahrung entwickelt. So erhalten die Teilnehmerinnen Zugang zu exklusivem Know-how und praxiserprobten Leadership-Skills, die normalerweise nur in hochpreisigem Einzelcoaching verfügbar sind.

Zweitens basiert das Lernen auf unserer eigens entwickelten Mirror-Coaching-Methode: In realitätsnahen Szenarien vermitteln genau jene Top-Coaches, die sonst Monate im Voraus ausgebucht sind, ihr Wissen weiter und machen blinde Flecken direkt sichtbar – eine Erfahrung, die klassisches E-Learning nicht bieten kann.
Drittens endet der Mehrwert nicht mit dem Zertifikat: Über 1.500 Alumnae aus 900 Unternehmen bilden das aktive Ten More In Netzwerk, das Wissen teilt, Türen öffnet und Karrieren langfristig vorantreibt. Diese Kombination aus erstklassiger Expertise, erlebbarer Methodik und nachhaltigem Netzwerk macht Ten More In einzigartig.

Wie haben Ihre persönlichen Erfahrungen bei Amorelie und Avery Fertility Ihre Arbeit bei Ten More In geprägt?

Lia Grünhage: Ich bin Mitte 20 zur CMO und mit 27 in die Geschäftsführung von Amorelie aufgestiegen und habe auf diesem Weg die typischen Hürden junger weiblicher Führungskräfte selbst durchlaufen: mich und meine Leistung ständig hinterfragt (raubt Kapazität), versucht immer alles richtig zu machen (ein Ding der Unmöglichkeit), habe über Fürsorge statt mit klarem Erwartungsmanagement und effektiver Delegation geführt (verhindert über lang oder kurz mehr Verantwortung zu übernehmen).

In dieser Zeit habe ich angefangen, mit einer Executive-Coachin zu arbeiten. Mir wurde klar: Führung ist nicht nur learning by doing. Wie in so vielen Bereichen gelingt Spitzenleistung erst dann, wenn ich eine „Spitzentrainerin“ an meiner Seite habe. Aus dieser Erfahrung ist dann später die Idee für Ten More In entstanden – wir geben Frauen das Coaching, das ich mir damals mühsam suchen musste, sofort an die Hand.

Female Leadership wird oft als wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Mehrwert beschrieben. Wie erleben Sie das im direkten Austausch mit Ihren Teilnehmerinnen?

Lia Grünhage: Im Austausch mit unseren Teilnehmerinnen wird der Mehrwert von weiblicher Führung sehr konkret. Schon während des Programms berichten viele, dass sie dank der neu erlernten Kommunikations- und Konfliktstrategien Meetings effizienter führen, Entscheidungen transparenter gestalten und ihr Team motivierter erleben. Gleichzeitig entstehen Multiplikatoreffekte: Alumnae teilen ihr Wissen und werden so selbst zu Mentorinnen. In Summe erleben wir weibliche Führung damit nicht nur als persönlichen Karrierebooster, sondern als messbaren Hebel für Produktivität, Talentbindung und eine offenere Unternehmenskultur.

Welche Entwicklungen oder neuen Programme planen Sie für die nächsten Jahre bei Ten More In?

Lia Grünhage: Noch in diesem Jahr bringen wir zwei neue Programme an den Start. Das Programm „Positionierung & Sichtbarkeit“ fokussiert sich darauf, dass Teilnehmerinnen in ihren Unternehmen, Teams und an Führungstischen wahrgenommen werden. Entscheidend sind ihre Klarheit in der eigenen Rolle und die Bereitschaft, sich zu zeigen – beides prägt, welche Aufgaben, Führungspositionen und Verantwortung ihnen zugetraut werden.
Parallel dazu startet das Programm „Vereinbarkeit“ – für viele ein Buch mit sieben Siegeln. Das wollen wir ändern und bündeln darin Strategien, die viele Mütter, Elternpaare und Unternehmen bereits erfolgreich erprobt haben. So muss niemand von vorne beginnen und überlegen, wie Beruf und Familie sich miteinander gestalten wollen. Wir können alle voneinander lernen.

Wie reagieren Unternehmen und Organisationen auf die Arbeit von Ten More In. Gibt es bereits Kooperationen oder Partnerschaften?

Lia Grünhage: Unsere Alumnae kommen aus Unternehmen wie Volkswagen, Douglas, Google, Celonis, Deutsche Bank, Capgemini und Vodafone, aber genauso kleineren Startups, Mittelstand und Familienunternehmen. Über 70 Prozent der Teilnehmerinnen geben an, dass die Finanzierung des Programms durch ihr jeweiliges Unternehmen zu einer stärkeren individuellen Bindung an die Arbeitgeberin geführt hat. Unternehmen, die mit Ten More In arbeiten, investieren frühzeitig in weibliche Führungskräfte und Nachwuchstalente und profitieren langfristig von den Vorteilen eines vielfältigen Führungsteams für die Leistung und Kultur ihres Unternehmens.

Was würden Sie Gründerinnen raten, die gerade erst am Anfang ihrer unternehmerischen Reise stehen?

Lia Grünhage: Ich beobachte, dass viele Frauen auf den „perfekten“ Moment warten – ob für einen Bühnenauftritt, die nächste Karrierestufe oder den Schritt zur Gründung. Wir wollen es erst richtig gut, manchmal sogar perfekt machen, bevor wir uns oder unser Produkt zeigen. Dieser Perfektionismus soll uns vermeintlich schützen, macht uns in Wahrheit aber unsichtbar. Meine Coachin Melanie Frowein hat mal zu mir gesagt: „Ohne das Tun entsteht die Veränderung nicht.“ Es reicht also nicht, sich immer weiter vorzubereiten – entscheidend ist, den eigenen Schritt zu machen.

Und ganz persönlich. Was motiviert Sie jeden Tag aufs Neue, Frauen auf ihrem Weg in die Führung zu begleiten?

Lia Grünhage: Mich treibt jeden Morgen derselbe Gedanke an: Frauen sollen den gleichen Einfluss auf unsere Welt haben wie Männer. Ich möchte meine Tage und mein Wirken so gestalten, dass sie meinen Überzeugungen entsprechen. Ich entscheide mich bewusst dafür, meine Energie in Ten More In zu stecken, weil jede Frau, die dank unseres Programms sichtbar wird, Verantwortung bzw. Führung übernimmt und andere mitzieht, einen Unterschied in unserer Gesellschaft macht. Und genau dieser Unterschied ist für mich die größte Motivation.

Bild: Lia Grünhage und Lea-Sophie Cramer @ Ten More In

Wir bedanken uns bei Lia Grünhage für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

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