Mittwoch, Dezember 11, 2024
StartWorkbaseDer großen Kündigungswelle entgegentreten

Der großen Kündigungswelle entgegentreten

So wird der ‚War for Talents’ für Startups zur Chance! 

Vielleicht kennen Sie den Witz, in dem ein Betrunkener nachts unter einer Laterne nach seinem Schlüssel sucht, den er eigentlich irgendwo ganz anders verloren hat. Aber weil es unter der Laterne hell ist, und es sich so einfacher sucht, schaut er lieber dort.

2021 setzte in den USA ein Trend ein, der mittlerweile Europa erreicht hat: die Great Resignation, die große Kündigungswelle. Mehr und mehr Arbeitnehmer verlassen ihre Arbeitgeber. Mit steigenden Risiken und Kosten auch für Gründer. Um dieser Entwicklung entgegenzutreten, ist es erfolgsentscheidend, an den wirklich relevanten Faktoren anzusetzen. 

Wahre Bedürfnisse erkennen

Viele junge Unternehmer versuchen, neben ihren innovativen Startup-Konzepten mit finanziellen Zuwendungen zu punkten. Und verhalten sich damit vergleichbar dem Schlüsselsucher in der obigen Geschichte. Geld ist ein Hygienefaktor, aber nur in den seltensten Fällen, der Grund, warum Mitarbeiter wirklich bleiben oder gehen. Wie eine neue McKinsey Studie zeigt, tappen Arbeitgeber hinsichtlich der Bedürfnisse ihrer Angestellten in Bezug auf die wichtigsten Bindungsfaktoren regelmäßig im Dunkeln. Sie erkennen lediglich den viertwichtigsten Grund (Work-Life-Balance), warum Mitarbeiter ihre Arbeit schätzen. Bei den Top-drei-Merkmalen, weshalb Mitarbeiter kündigen, tun sich dagegen „Blinde Flecken“ auf. 

Während Arbeitgeber nach wie vor transaktionale Merkmale als wichtigste Bindungsfaktoren unterstellen und damit weiterhin dem alten Führungs-Paradigma der 70er von Zuckerbrot und Peitsche anhaften, geht es Mitarbeitern in den 20ern des neuen Jahrtausends um etwas ganz anderes: menschliche Qualitäten, empathische Führungskräfte, wirkliche Begegnungen und ein tiefes Miteinander. Das sind die Faktoren, die 2022 dazu führen, einem Startup die Treue zu halten.

Vier Tipps für Startups

Risiken auf der einen, sind Chancen auf der anderen Seite. Nachdem die Mitarbeiter ihre alten Arbeitgeber verlassen haben, werden sie schließlich dort ankommen – und vor allem bleiben, wo ihren Bedürfnissen entsprochen wird. Ein Problem für viele Gründer ist, dass Startups durch Bewertungsplattformen immer transparenter werden. Und nicht jeder schätzt den Geist des Neuen. Vor allem, weil der – noch mehr als in anderen Bereichen – mit Unvorhergesehenem und deshalb der einen oder anderen chaotischen Situation und Phase einhergeht. Es muss also eine nachhaltige Strategie entworfen und verfolgt, diese vor allem aber auch wirksam kommuniziert werden.

Beispielsweise mit folgenden Tipps:

#Toxische Führungskräfte: In der Organisationspsychologie ist seit längerem bekannt, dass Führungskräfte ihre Krankenstände, Fehlzeiten und Fluktuationsquoten mitnehmen. Das war schon früher ein Problem, wird durch die höhere Transparenz heute aber bei der Mitarbeiterbindung und -gewinnung zum entscheidenden Faktor. Im elementarsten Kern legitimiert sich Führung seit jeher dadurch, dass ihr die Mitarbeiter folgen – ist das nicht mehr der Fall, muss für das Überleben des Startups unbedingt reagiert werden. 

#Alternative Karrieremöglichkeiten: Immer mehr – gerade jüngere – Mitarbeiter schätzen Möglichkeiten, die über die klassische Führungskarriere hinausgehen. Startups tun gut daran, die Entwicklung zum Fachexperten angemessen wertzuschätzen und zu kommunizieren. 

#Belegschaft zusammenführen: Schaffen Sie nach der Pandemie die Möglichkeit, sich wieder zu begegnen. Das gelingt zwar am besten in Präsenz, bedeutet aber nicht, dass Homeoffice kategorisch abgeschafft werden soll. Lassen Sie Ihren Mitarbeitern gewisse Freiheiten, aber seien Sie sich bewusst, dass das Miteinander ein kritischer Faktor ist und dass die digitale Kommunikation nicht die ist, die Menschen mit allen Sinnen verbindet. 

#Recruiting auf Vordermann: Das Handwerkszeug der Personalgewinnung stellt einen kritischen Engpass dar. Auch in vielen Startups regieren nach wie vor die Recruiting-Methoden der 90er Jahre, die unnötig den Zugang zum Bewerbermarkt blockieren. Vielerorts wird das elementare Marktgesetz, dass die Nachfrage den Preis bestimmt, ignoriert und es herrscht eine Haltung, die den tatsächlichen Verhältnissen am Fachkräftemarkt einfach nicht gerecht wird: Nicht mehr die Stellen, sondern die Bewerber sind das knappe Gut! Wer das nicht begreift und angemessen reagiert, wird zukünftig – auch als Startup – leer ausgehen. 

Fazit:

Um zukünftig erfolgreich Personal zu gewinnen und zu halten, kommt es auf eine wertschätzende Führung und ein professionelles, zeitgemäßes Recruiting an. Gründer müssen genau jene Bedürfnisse und Erwartungen erfüllen, auf die es den begehrten Talenten wirklich ankommt: eine individuelle, mitarbeiterzentrierte Kultur und ein starkes Miteinander. Also: Bewegen Sie sich lieber weg von der Laterne, auch wenn dort das Licht ist, und suchen Sie gründlich dort, wo Sie vermuten, den Schlüssel verloren zu haben – dann finden sie ihn auch.

Autor:

Christian Bernhardt ist Hochschuldozent für nonverbale Kommunikation, Kommunikationspsychologie und Kommunikation im digitalen Raum. Der Fachbuchautor hält Vorträge und Hybrid-Trainings zu den Themen Recruiting sowie Wertschätzende Kommunikationskultur und berät dazu Unternehmen in Deutschland und der Schweiz.

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Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

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