Freitag, Dezember 13, 2024
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Den lokalen Handel stärken

Zmyle: Gutscheinsysteme fürs Stadtmarketing

Könnten Sie uns Zmyle und die Personen, die hinter dem Unternehmen stehen, kurz vorstellen, insbesondere Ihre persönliche Reise als Gründer?

Alexander Arend: Ich bin gelernter Automobilkaufmann und habe eine Verkäuferausbildung bei BMW und nebenberuflich meinen Marketingfachwirt gemacht. Mit meinem Bruder habe ich 2003 eine Werbeagentur gegründet: Bruderherz. Von Print bis digital und Internetauftritten haben wir alles geboten …

Ralf Schreijer: … und ich war deren erster Programmierer. Wir sind beide hier in Coesfeld, einer Kleinstadt in Westfalen, aufgewachsen. Während meines Informatikstudiums habe ich bei Alex die Webseiten zusammengebaut, danach bin ich raus in die Welt für ein paar Jahre. 2015 dann hat mich Alexander kontaktiert mit der Zmyle Idee.

Alex: 2015 hatten wir schließlich die Idee, dem stationären Einzelhandel mit einem digitalen Tool unter die Arme zu greifen, damit er gegen den Onlinehandel bestehen kann. Hier fiel uns ein Gutscheinsystem ein. Gutscheine kennt jeder. Diese können nun beim Händler, Gastronomen, lokalen Dienstleister, wie Friseur oder Fahrradwerkstatt, jeweils in einer Stadt eingelöst werden. Das gab es damals nicht und so haben wir angefangen, zu basteln. Den ersten Stadtgutschein haben wir 2018 online gestellt. Das war drei Jahre, nachdem wir die Einzelhändlergutscheine gemacht haben. Jetzt haben wir über 120 Netzwerke, die 200 Städte abdecken. 

Was war Ihre ursprüngliche Motivation, Zmyle zu gründen, und welche Vision verfolgen Sie?

Ralf: Letztlich geht es um Kaufkraftbindung, um die lokale Wertschöpfung, so dass möglichst viel Geld vor Ort bleibt. Ein wesentlicher Teil unseres Systems sind Arbeitgeber, die ihren Arbeitnehmern den steuerfreien Sachbezug als Stadtgutschein zur Verfügung stellen – statt den Karten großen Onlinehändler. So leisten sie ihren Beitrag dazu, dass die Stadt lebendig bleibt – was wiederum attraktiv für (künftige) Mitarbeiter ist.

Wie hat sich Zmyle zu einem relevanten Akteur im Bereich Stadtmarketing entwickelt?

Alex: Das war ein hartes Klinkenputzen. Ich habe Tausende Stunden in Ämtern, Kneipen, bei Werbegemeinschaften, Stadtmarketingleuten und Mitgliederversammlungen gesessen und präsentiert. Die ersten vier Jahre von Zmyle bin ich nur durch Deutschland gefahren und war jeden Abend in einer anderen Stadt. Unser strategischer Ansatz ist: Jede Stadt bekommt von uns ein eigenes Portal mit Domain, Stadtgutschein, Logos und Farben. Das ist ein hermetisch abgeriegeltes System. Der Erfolg basiert aber darauf, dass wir ehrlich, sicher, zuverlässig und vor allem transparent sind.

Wer zählt zu den Hauptzielgruppen von Zmyle, und wie stellen Sie sicher, dass deren Bedürfnisse, insbesondere von Städten und lokalen Geschäften, erfüllt werden?

Alex: Wir haben vier zentrale Zielgruppen. Unsere Netzwerkpartner sind unsere ersten Kunden: das Stadtmarketing, eine Werbegemeinschaft, auch mal ein Zeitungsverlag oder die Stadtwerke. Sobald das Netzwerk steht, geht es an die Akzeptanzstellen: Händler, Gastronomen, lokale Dienstleister. Unsere dritte Zielgruppe sind die Arbeitgeber: sie können für bis zu 50 Euro pro Monat ihren Mitarbeitern steuer- und abgabenfrei Gutscheine geben. Die Beschenkten sind die vierte Zielgruppe. Wichtig ist, dass alles gut zusammenspielt.

Welche Herausforderungen sind Ihnen bei der Digitalisierung von Stadtgutscheinen und der Einführung von Treuhandkonten begegnet, und wie haben Sie diese gemeistert?

Ralf: Als wir gestartet sind, gab es keine digitalen Stadtgutscheine. Die Herausforderungen drehten und drehen sich um Kernfrage unserer Stadtmarketingkunden: Willst du selbst machen oder nicht? Denn wenn du ein Emittent sein willst, also der juristische Herausgeber eines Gutscheins, bist du derjenige, der mit jeder Akzeptanzstelle, jedem Kunden und den Arbeitgebern ein Vertragsverhältnis hat. Du musst die Gelder verwalten und dich an die gesetzlichen Rahmenbedingungen halten, Konten eröffnen, die Verwaltung machen, den Geldfluss abwickeln, Versicherungen abschließen. Wer das selbst machen will, ist nicht unser Kunde – aber wer will sich das antun? Also machen wir es, als Deutschlands einziger Full Service-Anbieter.

Alex: Die Städte wünschen sich den Rundum-Service, aber sie wollen auch, dass wir die Gelder absichern. Das Einrichten von Treuhandkonten war die größte Hürde: Hierfür gab es keine Lösungen. Treuhandkonten kannte man bei Banken nur für Notare, Rechtsanwälte und Ähnliches. Auch hier haben wir 20 Institute abgeklappert – eine Lösung hatte niemand, jedenfalls nicht bei einem Volumen unter 100 Millionen Euro. Mit Anwälten, Empfehlungsschreiben und Gutachten haben wir es schließlich bei unserer hiesigen Sparkasse geschafft. Aber das hat uns zwei Jahre Arbeit gekostet. Dabei hatten wir schon Vereinbarungen mit Städten und mussten das zwischenzeitlich über Bürgschaften lösen. 

Was unterscheidet Zmyle von anderen Anbietern im Bereich Stadtmarketing und Stadtgutscheine, und wie schaffen Sie Vertrauen bei Ihren Nutzern und Partnern?

Ralf: Es gibt keinen Gutscheinpartner, der nicht eine hundertprozentige Transparenz für sein Gutscheinsystem verlangt. Daher kann jeder Gutscheininhaber einfach den QR-Code scannen und sehen, wie viel Geld da drauf ist und wann und wo mit dem Gutschein schon eingekauft worden ist? Jede Akzeptanzstelle hat ein Backend mit einer Liste sämtlicher Transaktionen des Unternehmens. Die Arbeitgeber haben ebenfalls einen Loginbereich, können aber natürlich nicht verfolgen, wo der Mitarbeiter mit dem Gutschein eingekauft hat. Jeder Partner, ob Stadtmarketing oder Werbegemeinschaft, hat einen Überblick: Wie viel Gutscheine sind verkauft und wo entwertet worden.

Welche Rolle spielen Städte bis 100.000 Einwohner in Ihrem Geschäftsmodell und welche Vorteile bietet Zmyle speziell diesen Städten? 

Alex: Einzugsbereiche aller Größen sind willkommen, aber unser System funktioniert am besten in Städten bis etwa 150.000 Einwohnern. Denn ein erfolgreiches Gutscheinsystem muss gut vor Ort vermarktet werden. Ist die Stadt zu groß, schafft das Stadtmarketing das nicht und es gibt auch keinen räumlichen Bezug zu den Läden, weil sich alles in Stadtteile aufsplittet. Wir haben immer einen Lokalpatrioten, der mit uns die Geschäfte scannt und betreut. Diese Person ist unglaublich wichtig. Nach unten wiederum benötigen wir um die 25 Geschäfte und Dienstleister, wir haben aber auch ein erfolgreiches Netzwerk mit 15 Partnern. 

Wie planen Sie, Zmyle in Zukunft weiterzuentwickeln und welche neuen Features oder Entwicklungen können Städte und Nutzer von ihrer Plattform erwarten? 

Ralf: Wichtig ist, immer mehr Protagonisten ins Boot zu holen. Daneben bauen wir unsere Funktionen ständig aus, aber da wollen wir nichts verraten. Wir haben inzwischen sechs Gutscheintypen, die alle anders funktionieren. Wir haben Aktionen, wie digitale Schnitzeljagden, und arbeiten immer weiter an der Benutzeroberfläche und der Kommunikation. Eine Idee von uns ist, via KI-generierten Bildern Grußnachrichten inklusive Gutschein zu verschicken. Ein lang ersehntes Projekt und bislang noch nicht realisiert: Wir wollen Parkknöllchen gegen Stadtgutscheine tauschen; also derjenige zahlt seine Strafe, erhält dafür aber einen Gutschein, den er wiederum lokal einsetzt.

Wie fördern Sie die Zusammenarbeit mit Stadtmarketing, Vereinen und Werbegemeinschaften, um den stationären Einzelhandel in Zeiten zunehmender Digitalisierung zu stärken? 

Alex: Jede Gemeinde bekommt von uns nicht nur den Stadtgutschein, sondern ein komplettes Marketinghandbuch mit sämtlichen auf das Design abgestimmten Werbematerialien, von Flyer über Plakate bis Social Media Posts und E-Mail-Texten. Rein theoretisch müssen die nichts mehr machen, sondern nur zu Ostern in den entsprechenden Ordner gehen, den Anweisungen folgen und posten. 

Welche drei Ratschläge würden Sie anderen Gründern geben, die eine ähnliche Reise durch die Herausforderungen der Digitalisierung und des stationären Handels antreten möchten? 

Ralf: Man muss sich bewusst machen, dass die Zielgruppe bei der Digitalisierung ein bisschen hinterherhinkt. Daneben: Immer einen kurzen Draht und ein offenes Ohr haben. Aufpassen, wo es gerade hakt. Riesiges Durchhaltevermögen und Geduld. Und dann mussten wir stets zusehen, dass wir als Unternehmer nicht den Fokus verlieren, und sich unsere Ideen in einem Produkt äußern, das schließlich funktioniert.

Gab es einen bestimmten Moment oder ein Projekt, das Ihnen gezeigt hat, dass Zmyle auf dem richtigen Weg ist, und wie haben Sie diesen Erfolg genutzt, um weiter zu wachsen?

Alex: Bevor wir Stadtgutscheine gemacht, hatten wir ein System für Einzelhändler. Und als die ersten 10, 15 Gutscheine gekauft wurden, war das ein besonderer Moment, ein starkes Signal. Später natürlich die erste Stadt, die online gegangen ist. Da war klar, das kann man jetzt weiter entwickeln, verbreiten und auf immer neue Städte übertragen. 

Bildcredits: zmyle GmbH

Wir bedanken uns bei Alexander Arend und Ralf Schreijer für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

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