Mittwoch, Dezember 11, 2024
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Mut zur Gründerin

Die Gründung eines Start-ups ist in jeder Branche ein Wagnis und verläuft selten geradlinig – so auch in der Medizintechnik, die von stetigem Fortschritt geprägt ist. Der Sektor erwirtschaftet jährlich rund 30 Milliarden Euro Umsatz, wovon ein signifikanter Teil in Forschung und Entwicklung fließt [1]. Dieses Innovationsstreben öffnet kreativen Köpfen Türen, erfordert aber auch, technologisch immer am Puls der Zeit zu bleiben. Vor allem, da die EU-Medizinprodukteverordnung (MDR) strenge Dokumentations- und Testanforderungen stellt [2], die den Aufwand und die Kosten für die Markteinführung erhöhen.

Der Weg von der Idee zur Marktreife erfordert also Ausdauer und die Bereitschaft, immer wieder neue Lösungswege zu finden. Für Gründerinnen ist der Einstieg oft zusätzlich anspruchsvoll – vor allem in puncto Finanzierung und der Sichtbarkeit bestehen noch erhebliche Unterschiede zu ihren männlichen Kollegen. So verdienen Frauen im Median rund 23,4 Prozent weniger [3], die Branche ist überwiegend männerdominiert. Wie schaffen es junge Gründerinnen dennoch, ihre Visionen zu verwirklichen und sich durchzusetzen? Von Chancen und Hürden, mit denen Frauen in der Branche konfrontiert sind, und von Mut und Gründergeist, der sie ans Ziel bringt.

Kapital, Vorbilder und Vorurteile

Viele Gründende stehen zu Beginn vor ähnlichen Herausforderungen: Kapitalbeschaffung, regulatorische Anforderungen und der Aufbau eines schlagkräftigen Teams. Gründerinnen sind jedoch häufig mit zusätzlichen Hürden konfrontiert. Laut Studien [4] [5] erhalten von Frauen geführte Start-ups zwar genauso häufig externe Finanzierung wie Männer-Teams, doch mit deutlich niedrigeren Beträgen: Im Durchschnitt sichern sich Frauen-Teams 1,1 Millionen Euro, während Männer-Teams mit 9,7 Millionen Euro fast neunmal mehr Kapital erhalten.

Auch die geringe Sichtbarkeit weiblicher Vorbilder in Investorenkreisen und geschlechtsspezifische Vorurteile, wie die Vereinbarkeit von Familie und Unternehmertum, erschweren den Start. Zahlen des Female Founders Monitor [4] führen dies auch auf den Anteil aktiver weiblicher Business Angels unter den Gründerinnen zurück. Dieser liegt bei nur sechs Prozent und damit rund zehn Prozent unter dem Anteil ihrer männlichen Kollegen. Hinzu kommen branchenspezifische Herausforderungen wie technologische Expertise oder Marktzugangsbarrieren, die in stark regulierten Branchen wie der Medizintechnik noch ausgeprägter sind [6].

Gleichzeitig zeigt sich, dass der Erfolg von Start-ups stark von Netzwerken abhängt. Förderprogramme, Inkubatoren und Mentoring-Angebote spielen eine zentrale Rolle bei der Überwindung von Anfangsschwierigkeiten und strukturellen Barrieren [4]. 

Von der Idee zur Umsetzung

Ein konkretes Beispiel ist der Göttinger Life-Science-Inkubator, der innovative Bio- und Medizintechnologien fördert. Hier finden Start-ups neben einer Forschungs- und Entwicklungsstruktur nicht nur Zugang zu Fonds und Kontakten, sondern auch eine Plattform für Austausch und Weiterbildung. Gründende – unabhängig vom Geschlecht – profitieren von der Möglichkeit, sich in einem interdisziplinären Umfeld zu entwickeln, Meinungen und Rat von Expert*innen einzuholen und erste Marktkontakte zu knüpfen.

Für die 29-jährige Viola Bartels, Mitgründerin eines MedTech-Start-ups, war der Göttinger Inkubator in der Gründungsphase entscheidend: Sie und ihre vier Mitgründer profitierten vom Zugang zu modernster Technologie und einem Netzwerk, das sie in jeder Phase der Entwicklung unterstützt. Mit ihrem Team entwickelte sie verschiedene Prototypen von Exoskeletten. Diese dienen der Prävention von Verletzungen am Arbeitsplatz und kombinieren moderne Sensorik, Mechanik und Elektronik, um Arbeitskräfte vor Überbelastung zu schützen.

Der Austausch und Zugang zu einem Expert*innen-Netzwerk hat Bartels und ihr Team jedoch nicht nur fachlich weitergebracht, sondern alle Beteiligten immer wieder ermutigt, trotz aller Herausforderungen in der hart umkämpften Medizintechnikbranche an ihre Vision zu glauben. Mit Erfolg: Im August 2024 erhielt das junge Unternehmen eine Seed-Finanzierung in Höhe von 1,4 Millionen Euro.

Ende gut, Ausgründung gut

Viola Bartels weiß: Erfolg in der MedTech-Branche erfordert mehr als nur technisches Know-how. Die Exoskelette des Start-ups sind ein Beispiel dafür, wie sich technologische Innovation mit einem klaren gesellschaftlichen Nutzen verbinden lässt. Gleichzeitig ist Bartels‘ Erfolgsgeschichte universell – sie zeigt, wie wichtig der Zugang zu Netzwerken, Ressourcen und gezielter Förderung ist, um die Hürden des Gründens zu überwinden.

Und auch wenn Frauen als Gründerinnen gerade in der MedTech-Branche noch unterrepräsentiert sind, steigt ihre Zahl – unterstützt durch Inkubatoren und Förderprogramme wie in Göttingen. Der Weg zur Gleichstellung bleibt herausfordernd, aber er ist machbar und notwendig, um das Potenzial von Gründerinnen voll auszuschöpfen. Erfolgsbeispiele wie die Ausgründung des Göttinger Start-ups rund um Viola Bartels zeigen, dass Innovation und Unternehmergeist keine geschlechtsspezifischen Grenzen kennen – sie erfordern nur den Mut, den ersten Schritt zu wagen.

Bild: Viola Bartels(c) Digity GmbH

Autorin

Viola Bartels, Co-CEO und CPO von Digity, ist gelernte Orthopädietechnikerin. Ihre persönliche Mission: Menschen davor zu bewahren, sich zu verletzen oder langfristige chronische Probleme am wertvollsten Werkzeug zu entwickeln – ihren Händen. Gefördert wurde Digity von der Göttinger Life Science Factory.

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Quellenangaben
[1] Bundesministerium für Gesundheit. Marktzugangsvoraussetzungen.
[2] Bundesministerium für Forschung und Bildung. „KMU-innovativ: Medizintechnik“.[3] about_work: Das Stepstone Magazin. Gender-Pay-Gap: In diesen Branchen ist die Lohnlücke am größten.
[4] Female Founders Monitor 2022, by startupverband.de.
[5] EY-Startup-Barometer: „Gender Investment Gap: Startup-Gründerinnen erhalten viel weniger Geld als Männer“.
[6] Elektronik Praxis: “Die wichtigsten Trends in der Medizintechnik für das Jahr 2024”.

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

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