Anna di Luce ist eine Kreativdirektorin, die Videos komplett mit KI produziert.
Könnten Sie uns Anna di Luce kurz vorstellen und erzählen, welche Personen hinter dem Unternehmen stehen?
Anna di Luce ist eine freiberufliche Kreativdirektorin, die Videos rein mit KI-Tools produziert – das heißt, keine echten Schauspieler, keine echten Sets. Als Einzelunternehmerin entwickle ich zusammen mit meinen Kunden eine Story und einen Stil, der zu deren Produkt, Marke und Zielgruppe passt und setze die Vision dann mit KI-Tools um: Von der Bildgeneration, über die Integration des realen Produktes, bis hin zu Video-Generation, Schnitt, Sounddesign, Musik, Farbkorrektur.
Anna di Luce ist mein Künstlername als KI-Produzentin, da ich schon lange meinen Nachnamen Anna Göhrig loswerden wollte, den man gerne und oft falsch schreibt.
Was war die Motivation, Anna di Luce zu gründen, und wie hat Ihr beruflicher Hintergrund diesen Schritt beeinflusst?
Ich war über 10 Jahre in der Werbebranche als Texterin und Konzepterin tätig, bis die Aufträge letztes Jahr durch ChatGPT spürbar einbrachen. Mir war sofort klar, dass das kein Zukunftsbusiness mehr ist. Ich war aber auch bereits als Drehbuchautorin tätig und habe ursprünglich ein Diplomstudium an der Filmakademie Ludwigsburg im Fach Kamera abgeschlossen. Damals konnte ich in diesem Beruf nicht durchstarten, weil ich Mutter wurde.
Als ich dann in einem Video sah, was man mit KI bereits produzieren kann, war das wie eine Art “Full Circle Moment”. Meine unverhoffte Chance, an meine ursprüngliche Leidenschaft anzuknüpfen und mein ganzes Wissen aus dem Filmstudium endlich auf die Strecke zu bringen. Es kostete dann tatsächlich Überwindung, als alleinerziehende Mutter plötzlich sichtbar zu werden und der Welt eigene Geschichten präsentieren. Die KI hat mir quasi Flügel verliehen – von Zuhause aus kann ich Filme produzieren, die dank meiner fundierten Ausbildung und Arbeitserfahrung gleich eine besondere cineastische Qualität haben und auch die Tonalität der Marke treffen. Ich habe jetzt gerade einen unbändigen Schaffensdrang, das kreative Biest will nach den vielen Jahren im Käfig jetzt ganz energiegeladen raus – und damit kann ich Unternehmen helfen und auch inspirieren.
Welche Vision verfolgen Sie mit Anna di Luce und wie möchten Sie diese in den kommenden Jahren realisieren?
Ich finde es vor allem spannend, mit KI-Videos menschlichen und nahbaren Geschichten Ausdruck zu verleihen,, die früher an Budget-Hürden gescheitert wären. Gerne absurd, witzig, mit einem “Touch of Magic.” Mein Antrieb war immer: Wie berühre ich Menschen noch im Zeitalter der Reizüberflutung? Von daher ist meine Vision nicht, eine Massen-Content-Maschine zu werden oder nur auf Effekte zu setzen, sondern eine KI-Produktionsfirma, zu der man geht, wenn man eine coole, differenzierende Idee glaubhaft umgesetzt haben möchte. Und das ist das Schöne: Man kann direkt morgen mit einem Pilotprojekt starten, ohne gleich einen Mercedes an Geld zu investieren.
Welche Zielgruppen sprechen Sie mit Ihren KI-gestützten Videoproduktionen an und wie stellen Sie sicher, dass deren Bedürfnisse erfüllt werden?
Meine kleinsten Kunden sind Design-Unternehmen mit 10-20 Mitarbeitern, meine größten Kunden sind Großproduzenten von Waren. Was sie alle vereint: Sie haben Lust, KI offensiv witzig, absurd, originell, auf jeden Fall befreit von den Limitationen eines Realdrehs einzusetzen.
Es ist wichtig, im ersten Gespräch die Erwartungshaltung klar zu definieren und gut zu beraten, was möglich ist und was eben nicht. Mein Workflow sehr strukturiert und transparent: Von ersten Moodshots, die abgenommen werden, über Storyboard zum Film. Wie bei einer klassischen Produktion – nur viel schneller und mit weniger Aufwand.
Ich gebe auch immer ein Merkblatt zum Thema KI-Nutzung mit: Wenn jemand zum Beispiel nicht möchte, dass ein Foto des eigenen Produktes in ein öffentliches Tool geladen wird, kann ich die Produktshots auf meiner betriebsinterner Rechnerstruktur generieren.
Generell finde ich, eignet sich KI-Film aber sehr gut für Unternehmen mit nicht greifbaren Produkten, digitalen Services, Versicherungen etc.. bei denen man das Produkt über eine wie auch immer geartete Story mit Menschen erzählt. Mit KI kann man nämlich durchaus Emotionen erzählen.
Viele Unternehmen setzen bereits auf Bewegtbild. Was unterscheidet Anna di Luce von klassischen Filmproduktionen?
Ich sage immer: Bei mir zahlen die Kunden nur eine Person statt ein ganzes Team. Das bedeutet: Viel kürzere Wege, viel weniger Absprachen, weniger organisatorischer Aufwand, weniger Menschen, die bezahlt werden müssen. Ich kann von der Strategie und dem Konzept bis hin zum finalen Film alles mit wirklich fundierter Expertise abdecken.
Wenn es dann um Felder geht, die ich nicht beherrsche – wie etwa aufwendige Analysen, Multichannel-Betreuung, 3D-Modelle bauen, komplexere Motion Graphics, professionelle Sprecherstimmen, aufwendige VFX – dann hole ich mir aus meinem Netzwerk entweder die Fachleute hinzu oder ich bin für manche vielleicht auch stilistisch nicht die richtige Wahl.
Wie gelingt es Ihnen, trotz des Einsatzes von KI menschliches Storytelling in den Vordergrund zu stellen?
Ich gehe immer vom Menschen aus, der diesen Film sieht. Mich interessiert nicht die Technologie, auch nicht krasse Effekte (auch wenn man diese als Hook manchmal braucht). Schöne Bilder und Effekte verpuffen schnell., also: Wie treffe ich die Menschen in ihrer Lebenswelt, was berührt sie? Was ist eine interessante, unterhaltsame Geschichte für diese Menschen? Nur wenn wir mit etwas mitfühlen können, berührt es uns emotional.
Daher baue ich gerne Imperfektionen im Erscheinungsbild der Charaktere ein, ich erzähle von Herausforderungen und Sehnsüchten, die Menschen aus der entsprechenden Zielgruppe wirklich haben. Ich mache die Charaktere sympathisch, indem sie Fehler haben und mit dem Leben zu kämpfen haben. Auch ein bisschen ungeschickt vielleicht. Wie wir alle. Nur eben “larger than life” und in einem überraschenden Kontext.
Aber manchmal darf es auch bei mir einfach nur ästhetisch richtig krachen.
Welche Herausforderungen begegnen Ihnen aktuell im Bereich KI-gestützte Markenkommunikation und wie gehen Sie damit um?
Ich musste erst einmal in einen teuren Rechner investieren, da ich davon ausgehe, dass manche Unternehmen vielleicht besorgt sind, ihre Produktbilder in ein öffentliches KI-Tool zu füttern. Und ich muss quasi täglich neue, teils komplexe Technologien wie ComfyUI lernen, am Ball bleiben, viel investieren in Themen und Tools, die wahrscheinlich in einem halben Jahr schon niemanden mehr interessieren, da sich alles rasant weiterentwickelt. Ich will auch auf alle datenschutzrechtlichen Fragen eine fundierte Antwort zu haben, daher besitze ich auch ein Zertifikat in KI-Recht und verfolge immer die News.
Was mich perspektivisch besorgt ist unsere Abhängigkeit von US-Technologien und US-Dateninfrastruktur. Jetzt kann ich Bilder auf meinem Rechner selbst generieren – aber für die Top-Video-Modelle muss ich aktuell dennoch auf Google oder den chinesischen Anbieter ByteDance (Seedance) zurückgreifen, die das Rennen gerade unter sich entscheiden. Mir wäre eine europäische Lösung natürlich lieber – aber die ist nicht in Sicht und ich habe ja auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit, mit der Innovation und den besten Tools mitzugehen.
Was war bisher der größte Meilenstein, den Anna di Luce erreicht hat, und was hat er für Sie persönlich bedeutet?
Die Videoproduktion existiert erst seit Juni. Am meisten freut mich, dass mein Können und meine Fähigkeiten zunehmend gesehen werden und ich viel positive Resonanz bekomme: Einer meiner Filme wurde in einem weltweiten US-amerikanischen KI-Wettbewerb unter die Best-Of der Jury gewählt. Die besten KI-Werbeagenturen Deutschlands wollen mit mir arbeiten. Und die Kunden, für die ich bereits Test-Projekte mache, sind hellauf begeistert von dem Ergebnis und der Zusammenarbeit.
Dass neben den vielen, bombastischen KI-Filmen mit Explosionen, Kampf und Cyberspace meine doch eher feinfühligere Herangehensweise gefragt ist, stärkt mich darin, dass dies der für mich richtige Weg ist.
Wie möchten Sie Ihr Leistungsangebot in Zukunft weiterentwickeln. Gibt es geplante Neuerungen oder besondere Schwerpunkte?
Ich baue gerade einen effizienten Workflow für meine Kunden auf, mit dem ich monatliche Content-Pakete zu einem attraktiven Preis anbieten kann. Die nächsten Monate werden zeigen, welche Angebote die Kunden brauchen und da möchte ich mich ganz flexibel nach der tatsächlichen Nachfrage richten.
Wo sehen Sie langfristig die Rolle von KI in der kreativen Filmproduktion und welche Chancen ergeben sich daraus für Anna di Luce?
In den USA werden schon erste 90-Minüter mit KI produziert. Vodafone, Air B’n’B und Haribo haben schon KI-Werbespots gesendet. Die KI-Videos werden immer mehr in unsere Medienwelt einsickern und schneller zur Normalität werden, als wir glauben.
Ich denke, da können sich mit meiner filmischen Vorbildung noch viele Möglichkeiten ergeben, auch bei großen Filmproduktionen, aber im Moment ist dies gar nicht mein Ziel:
Ich persönlich möchte keinen reinen KI-Kinofilm sehen, man will sich ja emotional tief mit der Hauptfigur verbinden und 90 Minuten mit ihr mitgehen, da bin ich noch nicht so weit. Aber in Werbekampagnen, bei denen jeder weiß, dass man hier eine Illusion verkauft – warum nicht? Da geht es um schnelle Hooks, einen Moment der emotionalen Verbindung, aber am Ende eben doch wieder um das Produkt.
Ich möchte also gerne bei Werbung bleiben und mache cineastische Filme nur zum Spaß und, um mich künstlerisch weiter zu entwickeln. Demnächst wird zum Beispiel ein lustiges Halloween-Video von mir herauskommen.
Welche drei Ratschläge würden Sie Gründerinnen und Gründern geben, die gerade am Anfang stehen?
Erstens: Springt über euren eigenen Schatten und traut euch, Leute anzuschreiben. Gerade als Frau hat man oft das Gefühl, man will niemandem auf die Nerven gehen – aber geht den Leuten auf die Nerven, sonst sehen sie euch nicht! Ihr müsst euch die Chancen schaffen, das macht keiner für euch.
Zweitens – investiert in eine gute Psychotherapie, am besten schon vor der Gründung. Sonst bricht man bei Unwegsamkeiten zu schnell ein, verkauft sich unterm Wert, bezieht alles Scheitern auf sich und gibt auf. Man muss aber immer wieder aufstehen können, bei jedem Rückschlag.
Drittens: Nehmt Absagen nie persönlich. Irgendwo da draußen gibt es Leute, die genau das brauchen, was ihr seid. Ihr habt sie nur noch nicht getroffen.
Wenn Sie die Entwicklung von Anna di Luce in einem Satz beschreiben müssten – wie würde er lauten?
“Wer nicht am Abgrund stand, dem wachsen auch keine Flügel.”
Bild @ Fotografin Miriam Stahnke
Wir bedanken uns bei Anna Göhring für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.