Energiespeicherung für den Wandel: Wie Ido Ben-Yehuda und Augwind die Energiewende vorantreiben
Was bringt jemanden dazu, eine Karriere in der Rüstungsindustrie an den Nagel zu hängen, um sich voll und ganz der nachhaltigen Energie zu widmen? Für Ido Ben-Yehuda war es mehr als ein beruflicher Wechsel – es war ein persönlicher Neustart. Heute ist er bei Augwind Energy für die internationale Marktentwicklung verantwortlich und treibt eine Technologie voran, die für Aufmerksamkeit sorgt: die AirBattery – ein elektromechanisches Speichersystem, das mit Wasser, Druckluft und ausgeklügelter Ingenieurskunst der Energiewende den nötigen Schub geben soll.
Im Interview spricht Ben-Yehuda über seinen ungewöhnlichen Werdegang, die strategische Neuausrichtung von Augwind und darüber, warum unterirdische Kavernen eine Schlüsselrolle für Deutschlands Energiezukunft spielen könnten. Und er erklärt, warum manchmal gerade der Mut zur Kursänderung die stärkste Energiequelle ist.
Was hat Sie ursprünglich an der Energiebranche gereizt? Und wie haben persönliche Werte Ihre heutige Rolle bei Augwind beeinflusst?
Technologie hat mich schon immer begeistert. Ich bin in meinen Zwanzigern in die Rüstungsindustrie eingestiegen – ein ganz anderes Feld als die saubere Energiewelt. Dort habe ich viel Erfahrung in Marketing, Vertrieb und Business Development gesammelt. Doch nach etwa zehn Jahren war mir klar: Das ist nicht der Bereich, in dem ich mein volles Potenzial entfalten möchte. Ich wollte meine Energie lieber in Lösungen investieren, die einen echten gesellschaftlichen Beitrag leisten.
Danach war ich Teil eines Deep-Tech-Startups im Bereich optische drahtlose Kommunikation – eine aufregende Zeit, aber die Technologie war (und ist) ihrer Zeit wohl noch voraus. 2020 sprach mich dann ein Freund an, der bei Augwind arbeitete. Ich war sofort fasziniert von der Technologie und dem gesamten Spektrum des Energiespeichermarkts. Für mich schloss sich damit ein Kreis: Von der Verteidigung hin zu nachhaltiger Technologie – als Marketer endlich an einer Lösung mit echtem Nutzen zu arbeiten.
In meiner Rolle bei Augwind kann ich meine Erfahrung im Technologie-Marketing – vor allem im B2B- und B2G-Bereich – optimal einbringen. Letztlich geht es um zwischenmenschliche Dynamik, Vertrauen und gemeinsame Interessen. Es ist ein Privileg, all das in den Dienst einer Technologie zu stellen, die die Welt ein Stück besser machen will.

Welche persönlichen Ziele verfolgen Sie bei Augwind – und woran messen Sie Erfolg?
Ich bin überzeugt, dass unsere Gesellschaft dringend saubere, nachhaltige Speicherlösungen braucht, um Versorgungssicherheit und Netzstabilität zu gewährleisten. Ich glaube fest daran, dass die AirBattery diese Rolle hervorragend erfüllen kann – insbesondere wegen ihrer Umweltvorteile. Mein persönliches Ziel ist es daher, die Technologie erfolgreich zur Marktreife zu führen – als tragfähige Lösung für Zeiten mit wenig Sonnen- oder Windstrom im Zuge der Energiewende.
Wie hat sich die Unternehmensstrategie von Augwind entwickelt – und wie haben Sie Ihr Marketing darauf abgestimmt?
Unsere Strategie hat sich – wie bei vielen jungen Tech-Unternehmen – mit der Zeit deutlich verändert. Anfangs wollten wir mit Lithium-Ionen-Batterien im Kurzzeitbereich konkurrieren. Doch mit deren schnellen Fortschritten und fallenden Preisen haben wir beschlossen, die besonderen Stärken unserer Technologie zu nutzen und uns auf Langzeitspeicherung zu konzentrieren – mit Integration in unterirdische Kavernen.
Diese Lösung ist zwar nicht überall umsetzbar, aber in Regionen mit geeigneter Geologie – etwa in Deutschland mit seinen zahlreichen Salzstöcken – kann die AirBattery eine zentrale Rolle übernehmen. Genau dort, wo tiefe Integration erneuerbarer Energien nötig ist.
Was unterscheidet die AirBattery von anderen Speichertechnologien?
Die AirBattery ist ein elektromechanisches System – eine neuartige Kombination aus zwei bewährten Technologien: Pumpspeichertechnik und CAES (Compressed Air Energy Storage). Wie andere CAES-Systeme profitieren wir von den geringen Speicherkosten durch Kavernen – besonders bei sehr langen Speicherdauern.
Der Unterschied: Wir arbeiten nicht mit klassischen Verdichtern und Expandern, sondern mit hydraulischen Maschinen – also Pumpen und Turbinen. Unsere Flüssigkolben-Technologie nutzt Wasser, um Luft zu komprimieren, und anschließend die Druckluft, um das Wasser durch die Turbinen zu treiben. Das Ergebnis ist ein nahezu isothermer Prozess – es entstehen kaum Temperaturunterschiede, wodurch der Aufwand für thermisches Management entfällt. Das macht die Technologie besonders effizient und kostengünstig bei sehr langen Speicherdauern.

Welche Rolle könnte Augwind künftig in der Energieinfrastruktur spielen?
Wir wollen in den kommenden zehn Jahren zeigen, dass Langzeitspeicherung zur Netzstabilisierung nicht nur technisch funktioniert, sondern auch wirtschaftlich Sinn ergibt – und zwar im globalen Maßstab. Unsere Vision: Die AirBattery kann der Schlüssel sein, um den letzten Schritt zur klimaneutralen Energieversorgung zu ermöglichen.
Ich sehe unsere Technologie als Beitrag zu allen drei Säulen der Energiewende: Versorgungssicherheit durch Backup-Leistung, Bezahlbarkeit durch geringere Preisschwankungen und Nachhaltigkeit durch bessere Integration von Wind- und Sonnenstrom. Wenn wir damit sowohl Industrie als auch Haushalte bei der Energiekostenreduktion unterstützen und gleichzeitig die Energiewende beschleunigen – dann haben wir Erfolg.
Welche Märkte bieten aktuell das größte Potenzial für Augwind?
Im Grunde überall dort, wo geeignete geologische Strukturen auf ambitionierte Klimaziele treffen. Unsere Technologie kommt ohne seltene Erden oder komplexe Lieferketten aus. Sie kann mit lokalen Ressourcen und Arbeitskräften aufgebaut werden – vorausgesetzt, die Geologie passt.
Deutschland bietet mit seinen Salzstöcken, seiner industriellen Stärke und seinen Klimazielen die ideale Ausgangsbasis. Unser Ziel ist, Europas führender Partner für mehrwöchige Speicherlösungen zu werden – und von dort aus in andere Märkte mit ähnlichen Herausforderungen zu expandieren.
Wer nutzt heute Augwinds Technologien – und wie hat sich das Kundenspektrum verändert?
Seit 2016 setzen viele Industriekunden unsere unterirdischen Druckluftspeicher zur Effizienzsteigerung in der Druckluftnutzung ein – noch nicht als Stromspeicher, sondern zur Energieoptimierung in der Produktion. Das ist für uns ein wichtiger Proof of Concept: Die unterirdischen Kammern funktionieren zuverlässig und sind bereit, als zentrales Element der AirBattery eingesetzt zu werden.
Die AirBattery selbst befindet sich noch in der Vorvermarktungsphase. Das erste Projekt soll zeigen, dass das System unter realen Bedingungen technisch und wirtschaftlich tragfähig ist. Wir stehen mit mehreren potenziellen Partnern und Kunden in engem Austausch, um daraus unsere erste Kundenbasis aufzubauen.
Wo sehen Sie sich und Augwind in fünf Jahren?
Ich hoffe, dass wir dann ein voll funktionierendes AirBattery-System in Betrieb haben – als Meilenstein und Blaupause für den europaweiten Rollout. Das wäre nicht nur ein Erfolg für das Unternehmen, sondern für mich persönlich ein großer Moment. Daran mitzuwirken, wäre eine echte Ehre.
Gibt es neue Projekte oder Partnerschaften, die Sie schon ankündigen können?
Konkrete Namen darf ich noch nicht nennen, aber das Interesse aus dem deutschen Energiesektor ist riesig. Wir arbeiten mit verschiedenen Partnern zusammen – von Kavernenbetreibern über Energieversorger bis hin zu Industrieabnehmern – und sind dabei, die ersten Kooperationen zu finalisieren.

Welchen Rat geben Sie jungen Führungskräften oder Gründerinnen und Gründern im Energiesektor?
Wenn du spürst, dass du zur Energiewende beitragen willst – dann leg los. Die Branche ist im Umbruch: Auf der einen Seite konservative Großkonzerne, auf der anderen junge Tech-Startups mit frischen Ideen. Für kluge Köpfe, die etwas verändern wollen, ist viel Platz.
Mein Tipp: Geh auf Menschen zu, die konkret von dem Problem betroffen sind, das du lösen willst. Vernetze dich, bleib lernbereit – und trau dich, deine Idee in den Markt zu bringen. Diese Branche hat riesigen Einfluss auf unsere Zukunft – und sie braucht Leute, die anpacken.
Was motiviert Sie persönlich jeden Tag aufs Neue?
Mich motiviert, Teil eines Teams zu sein, das mit voller Überzeugung an einem echten technologischen Durchbruch arbeitet. Die Menschen bei Augwind sind nicht nur fachlich stark, sondern auch menschlich – das macht den Unterschied.
Was uns alle antreibt, ist die Aussicht, die AirBattery erfolgreich auf den Markt zu bringen. Das Ziel ist klar – und die Atmosphäre im Team ist geprägt von Offenheit, Zusammenarbeit und einer Menge positiver Energie.
Am Ende geht’s bei uns ja genau darum: Energie zu speichern – und weiterzugeben.
Foto/Quelle: Augwind Energy