Eine gute Geschäftsidee oder ein innovatives Produkt sind heute leider keine Garantie für ein erfolgreiches Business. Die Unternehmensinsolvenzen sind auf dem Höchststand der letzten zehn Jahre und je nach Berechnungsgrundlage scheitern 70 bis 90 Prozent der Neugründungen bereits in den ersten Jahren.
Gesundes Wachstum gelingt nur mit einem guten Finanzplan
Fakt ist, wer seine Finanzen nicht im Griff hat, droht hinten wieder einzureißen, was er sich vorne aufgebaut hat. Dabei halten sich viele Glaubenssätze wie „Solange wir mehr Umsatz machen als wir Kosten haben, ist alles gut“. Zu schnell wird zu viel in neues Personal oder große Marketingkampagnen gesteckt. Wachstum ist verlockend, aber Achtung! First things first! Früher hat eine Unternehmensführung via Kontostand vielleicht funktioniert, heute drängen immer mehr Wettbewerber in einen komplexen Markt, die über eine Vielzahl an Daten verfügen – und diese für sich und die Entwicklung ihres Unternehmens nutzen.
Finanzielle Führung allein anhand der Kennzahlen Umsatz und Gewinn funktioniert nicht mehr. Ein BWL-Studium braucht man aber trotzdem nicht, um ein finanziell stabiles Unternehmen aufzubauen, das auch größere Krisen übersteht und sie sogar fürs eigene Wachstum nutzt, während andere ums Überleben kämpfen. Finanzielle Stabilität entsteht vor allem durch eine ausgewogene Kombination aus einem profitablen Tagesgeschäft, einem stabilen Kapitalfluss und proaktivem Risikomanagement.
Egal um welche Branche es sich handelt, welches Produkt oder welche Dienstleistung, es ist nicht entscheidend, was man macht, sondern wie man etwas macht.
Ein finanziell stabiles Unternehmen beruht immer auf:
Einem profitablem Geschäftsmodell
Klingt banal, aber tatsächlich möchte ich nochmal betonen, dass nur ein nachhaltige profitables Geschäftsmodell ein Unternehmen finanziell stabil macht. Nur wer regelmäßig Gewinne erwirtschaftet, hat die eigenen Kunden und ihre Bedürfnisse verstanden und befriedigt sie angemessen. Das bedeutet auch, dauerhaft ein verlässlicher Partner für die eigenen Kunden zu sein und sich kontinuierlich an die wechselnden Anforderungen des Marktes anzupassen.
Genug Geld auf dem Konto
Der Gewinn ist bei weitem aber nicht die wichtigste Ergebnisgröße – streng genommen sogar nur eine theoretische Erfolgsgröße, denn Gewinne liefern eigentlich nur die Voraussetzung dafür, dass die wichtigere Erfolgsgröße überhaupt möglich wird. Im Geschäftsalltag zählt unterm Strich vor allem, wie viel Geld auf deinem Geschäftskonto liegt. Cash is king! Oder anders ausgedrückt: Liquidität geht immer vor Rentabilität. Gehen wir mal von einem Worst-Case-Szenario aus: Das Unternehmen macht von heute auf morgen keinerlei Umsatz mehr. Für solche Fälle sollten Sie Ihre Liquiditätsreserve kennen und sie sollte ausreichen, mindestens sechs Monate lang die gesamten Kosten zu decken. Sie sollten auf einem separaten Konto liegen.
Die Realität zeigt immer wieder, dass die meisten Unternehmen weit von dieser Zielgröße entfernt wirtschaften. Der erste Schritt ist daher: totale Transparenz. Dabei hilft es, sich erst einmal die letzten beiden Geschäftsjahre vorzunehmen und sich eine Übersicht zu verschaffen mit Hilfe der Unterlagen vom Steuerberater. Im Anlagenspiegel sind alle Gegenstände gesammelt, die dem Unternehmen langfristig zur Verfügung stehen wie Computer, Büroausstattung, aber auch Maschinen oder Lizenzen. Für die eigene Umsatz- und Rohertragsplanung müssen Sie wissen, mit welchen Produkten Sie in den letzten Jahren das meiste Geld verdient haben.
Und für die Liquiditätsplanung ist ganz wichtig, zu wissen, welche fixen Kosten auf einen zukommen. Zusätzlich gibt es Kosten, für die zwar kein Vertrag besteht, deren Gegenwert aber so wichtig für den Geschäftsbetrieb sind, dass Sie unmöglich auf sie verzichten können, ohne wirtschaftliche Nachteile in Kauf zu nehmen. Das könnten zum Beispiel externe Fachkräfte oder Software-Tools sein. Halten Sie diese Liste auf jeden Fall stets aktuell! Nur so wird deutlich, wie groß die Liquiditätsreserve tatsächlich sein muss, um nicht zu den Unternehmen zu gehören, die irgendwann Insolvenz anmelden.
Das richtige Verhältnis zum Rohertrag
Um überhaupt die Mittel zu haben, sich eine solche Reserve aufzubauen, ist das Verhältnis vom Gewinn zum Rohertrag wichtig. In den vergangenen 25 Jahren habe ich die Finanzdaten vieler Unternehmen durchleuchtet. Dabei hat sich herausgestellt, unabhängig von Branche und Unternehmensgröße sind 20 Prozent Gesamtgewinn vom Rohertrag ein erstes Indiz für ein finanziell stabiles Unternehmen. Viele Berater und Analysten geben bei solchen prozentualen Werten vom Umsatz aus.
Die besonderen Bedingungen einer Branche fließen jedoch vor allem in den Umsatz und Wareneinsatz ein. Der Rohertrag, auch Bruttomarge genannt, stellt die Differenz zwischen deinen Umsatzerlösen und der Wareneinsatzkosten dar. Die Kosten für ein Produkt oder eine Dienstleistung werden von den erwirtschafteten Werten abgezogen. Wer das für einzelne Dienstleistungen oder Produkte macht, sieht besser, welche wirklich profitabel sind. Das sind häufig andere als zunächst gedacht, was zu falschen strategischen Entscheidungen führen kann.
Aus der Neurowissenschaft wissen wir, dass wir jede Entscheidung emotional treffen. Es gibt keine rein rationalen Entscheidungen, die allein auf der Basis von Fakten getroffen werden. Vielmehr nutzen wir Zahlen und Fakten, um unsere emotional getroffenen Entscheidungen nachträglich zu begründen. Im Grunde trifft unser Unterbewusstsein die Entscheidungen, dafür müssen wir dieses Bauchgefühl mit den richtigen Informationen und Zahlen füttern, um es so zu besseren Entscheidungen zu bewegen.
Fazit: Gesunde Entscheidungen für ein gesundes Unternehmenswachstum
Wer sich nicht erst mit seinen Zahlen auseinandersetzt, wenn er einen Kredit beantragen will oder Investoren sucht, ist klar im Vorteil. Nur, wer seine Zahlen im Griff hat, weiß, ob die eigene Strategie aufgeht und in welche Richtung sich das Unternehmen entwickelt. Wer einen Überblick hat und über ein paar „Vokabeln“ verfügt, kann auf Augenhöhe mit Banken, Investoren und dem eigenen Steuerberater sprechen, die richtigen Fragen stellen und bekommt bessere Antworten. Außerdem verschenkt man dadurch nie wieder Geld für unnötige Abos oder Verträge, wird nicht überrascht von Rechnungen oder Steuernachzahlungen und weiß, wie viel Geld tatsächlich für Investitionen zur Verfügung steht, ob der neuer Vertriebsmitarbeiter eingestellt werden kann oder sich die große Werbekampagne lohnt. Wer nicht gerade eine Red-Bull-Strategie verfolgt, dem empfehle ich aber auf jeden Fall nicht mehr als 5 Prozent des Umsatzes ins Marketing zu stecken.
Über den Autor:
Jörg Roos beherrscht nach Stationen bei der Deutschen Bank und Medion die Sprache der Zahlen fließend und unterstützt als personal CFO Geschäftsführer, die für ihre Idee brennen. Sein Wissen gibt er außerdem in seinem Buch FINANZEN EINFACH MACHEN und als Wirtschaftskolumnist weiter.
Bildcredits/ Fotografin Miri Fenske
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