Samstag, Dezember 14, 2024
StartWorkbaseFokus auf Gewinn statt Wachstumsrate – CFO rät Start-ups dringend zum Umdenken

Fokus auf Gewinn statt Wachstumsrate – CFO rät Start-ups dringend zum Umdenken

Wachstumsrate über alles – so lautete bislang das Motto der deutschen Start-up-Szene. Doch angesichts der anhaltenden Krise müssen die Gründer umdenken und ihre Aktivitäten auf Gewinn ausrichten, denn die finanzielle Unterstützung durch Investoren lässt deutlich nach. Jetzt gilt es, die Kasse selbst zu füllen und ein finanzielles Polster aufzubauen. Diese Kurskorrektur ist laut Robert Giebenrath insbesondere vor dem Hintergrund des anstehenden wirtschaftlichen Abschwungs dringend nötig.

Der Unternehmensberater ist für zahlreiche Start-ups und Unternehmen aus dem E-Commerce-Sektor als externer CFO tätig. In dieser Funktion berät er seine Klienten zur optimalen wirtschaftlichen Gestaltung ihrer Projekte. Im folgenden Artikel erläutert der Experte, wie Start-ups durch situationsgerechtes Vorgehen profitabel werden und ihre Arbeitsplätze erhalten können.

Kritischer Faktor Burn-Rate

In der jetzigen Krise kommt ein Problem zum Vorschein, das viele Start-ups aufweisen: eine extrem niedrige Burn-Rate. Diese Kennzahl zeigt an, in welchem Zeitraum junge Unternehmen ihr Kapital verbrennen, um Fixkosten und andere Betriebsausgaben zu decken – unter Berücksichtigung des erzielten Umsatzes. Eine niedrige Burn-Rate steht für einen hohen Verlust, mit dem die betreffenden Start-ups in die nächste Finanzierungsrunde gehen. Bislang war dieser Umstand nicht allzu relevant, da sich die Investoren bei positiver Wachstumsrate finanzierungsfreudig zeigten und entsprechend nachlegten. Angesichts der Krise zeichnet sich jedoch ein Wendepunkt ab. Das Geld sitzt nicht mehr so locker und regelmäßige Finanzspritzen sind nicht mehr selbstverständlich oder fallen völlig flach.

Daher wird es für Start-ups Zeit, ihren Fokus in Richtung Profitabilität auszurichten. Der in der Planung angepeilte Break-even-Point muss vorgezogen werden, der Übergang in die Gewinnzone sollte möglichst zeitnah erfolgen. Zudem ist es wenig zielführend, auf einen Hockey-Stick-Effekt zu setzen, der zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft mit exponentiellem Wachstum samt Gewinn zünden soll. Bei der Entwicklung solcher Modelle werden interne Faktoren teilweise nicht realistisch eingeschätzt und zu positiv ausgelegt. 

Schon gar nicht wird dabei eine unerwartete gesamtwirtschaftliche Verwerfung berücksichtigt, wie wir sie derzeit erleben. Insofern wäre es riskant, jetzt an dieser Theorie festzuhalten, anstatt auf die Realitäten zu reagieren und auf profitables Wachstum zu setzen. Das verläuft vielleicht nicht so rasant, doch dafür ist es eine sichere Strategie – genau das, was jetzt nötig ist. Außerdem bildet profitables Wachstum reale Erfolge ab und macht schon allein deshalb viel mehr Spaß.

Einsparungen generieren

Der erste Schritt in Richtung Gewinn und Sicherheit besteht im Aufbau eines effektiven Controllings. Controlling bedeutet Unternehmenssteuerung auf Basis absoluter Transparenz und klarer, strategischer Finanzplanung. Dazu müssen die Zahlen zunächst erfasst werden – denn nur bekannte Größen kann man beeinflussen und steuern. Besonders interessant ist hier die bereits genannte Burn-Rate: Wohin genau fließen die ganzen Gelder? Sind es Gehälter, Marketing-Ausgaben oder Mietkosten für das Büro? Welche Beträge gehen an Freelancer, welche an Berater? Schon beim Erfassen der Daten fallen in der Regel Posten auf, die das Budget belasten, jedoch kein überzeugendes Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweisen – oder schlichtweg nicht notwendig sind.

Beispielsweise ist die Büromiete der aktuellen Phase des Start-ups oftmals nicht angemessen, sondern völlig überzogen. Neuerdings gehen damit erhebliche Energiekosten einher, die zusätzlich zu Buche schlagen. Auch die teilweise horrenden Beratergebühren sollten näher betrachtet werden. Was bringen sie wirklich, hört überhaupt jemand auf die Ratschläge? Und was ist mit den gesamten Softwarekosten? Oft fällt ein großer Teil davon auf Tools, die längst nicht mehr in Gebrauch sind. Zudem wird meist kräftig ins Personal-Marketing investiert – teilweise machen die Kosten ein Drittel des Marketingbudgets aus. Doch ist das jetzt wirklich sinnvoll?

Sinnvoll ist es jedenfalls, die Frage nach der Angemessenheit bei sämtlichen Ausgaben zu stellen und all das rigoros zu streichen, was momentan nicht wichtig und zielführend ist. Nach diesen Einsparungen sehen die Zahlen schon deutlich besser aus, insbesondere ist das Projekt bereits rentabler. Auf dieser Basis lässt sich eine klare Planung auf die Beine stellen, wie es trotz sinkender Investorenzuschüsse weitergehen kann – und zwar erfolgreich. Womöglich ist die gesamte Situation sogar eine hilfreiche Unterstützung dabei, als Unternehmen einen weiteren Schritt in Richtung Eigenverantwortung zu gehen.

Vom Produkt- zum Vertriebsfokus wechseln

Mindestens ebenso wichtig wie strategische Einsparungen ist jetzt der Perspektivwechsel weg von der Produktentwicklung und hin zum Vertrieb. Üblicherweise dreht sich bei Start-ups sehr viel um das Angebot selbst. Da wird getüftelt und gefeilt, um immer noch ein wenig zu verbessern und zu perfektionieren. Daneben investiert man viel Geld in die Entwicklung des Produkts und ins Brand-Marketing. All das ist bis zu einem gewissen Punkt auch gut so, doch irgendwann muss das Angebot auf den Markt kommen, beworben und verkauft werden.

Dieser Schritt fällt vielen Start-up-Mitarbeitern nicht gerade leicht, denn so gut sie in der Optimierung ihrer Produkte sind, so wenig begeistert sie der Gedanke an Abschlüsse, profitable Neukunden-Akquise und alles, was mit dem Vertrieb zusammenhängt. Trotzdem muss auch dieses Kapitel jetzt aufgeschlagen werden. Dabei sind Einwände zu vermeiden, das Branding könne noch aufsehenerregender, das Produkt noch perfekter sein – denn daran wird sich auch nach etlichen Verbesserungen nichts ändern. Außerdem ist gerade das Branding teilweise ein Selbstläufer, sobald das Angebot auf dem Markt ist und von den Leuten genutzt oder getragen wird.

Alles in allem ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um kluge Einsparungen vorzunehmen und zugleich von der Produktentwicklung in den Vertrieb überzugehen. Das verringert zwar die Chance auf einen spektakulären Hockey-Stick-Effekt – doch niemand kann sagen, wie wahrscheinlich er derzeit überhaupt wäre. Stattdessen erhöht strategisches Vorgehen die Sicherheit des Start-ups drastisch und eröffnet in vielen Fällen erst die Chance, in der Krise auch ohne Finanzspritzen über die Runden zu kommen und sich zu einem gesunden, tragfähigen Unternehmen zu entwickeln.

Autor

In seiner Funktion als externer CFO verantwortet Robert Giebenrath mit seiner Firma RG Finance die finanzielle Planung und Absicherung erfolgreicher deutscher Wachstumsbetriebe. Er und sein Team übernehmen den gesamten finanzstrategischen Bereich ihrer Kunden, indem sie eine integrierte Finanzplanung erstellen, ein sauberes Controlling implementieren und laufend zu strategischen Themen beraten. So können ambitionierte Unternehmen sicher skalieren. Weitere Informationen unter: https://www.rg-finance.de/

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

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