Mittwoch, November 20, 2024
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Warum ein solides juristisches Setup der Schlüssel zu dauerhaftem Erfolg ist

Kira Unger CEO u. Co-Founder von PocketLaw im Interview zu Herausforderungen von Startups und Scale-ups in Rechtsangelegenheiten

Was sind für Startups und Scale-ups die größten Herausforderungen, wenn es um die Bearbeitung sämtlicher Rechtsangelegenheiten geht und worin unterscheiden sich diese? 

Kira Unger: Ich würde sagen, dass die größte Herausforderung für die meisten Unternehmen darin besteht, die Kontrolle zu behalten und sowohl bei der Geschäftsentwicklung als auch bei neuen beziehungsweise aktualisierten juristischen Vorschriften und Regelungen  auf dem Laufenden zu bleiben. Darüber hinaus müssen in einem immer komplexer werdenden rechtlichen Umfeld, das für die meisten Unternehmen die Beachtung und Einhaltung von Vorschriften mehrerer Jurisdiktionen bedeutet, tradierte Arbeitsweisen und die damit verknüpfte Ressourcenaufteilung häufig optimiert werden. 

Die juristische Verantwortung liegt in der Regel bei einer sehr überschaubaren Anzahl von Personen in Startups und Scale-ups, und jene Personen sind oft mit anderen sehr verantwortungsvollen Aufgaben innerhalb des Unternehmens betraut. Bei der Beurteilung und Bewältigung ihrer rechtlichen Aufgaben lautet die häufigste Frage deshalb: “Sind wir damit regelkonform?“ Da die Komplexität der Vorschriften jedoch nicht abnimmt und die größten Herausforderungen angesichts des nach wie vor unruhigen Wirtschaftsklimas erst noch anstehen, sollte die relevante Frage vielmehr lauten: „Was tun wir, um unsere Ressourcen und Budgets zu maximieren und gleichzeitig die Vorschriften einzuhalten?“

Die für die juristische Verwaltung aufgewendete Zeit sowie das dafür benötigte Budget sollten so minimal wie möglich sein, um sicherzustellen, dass die Ressourcen mehrheitlich für das weitere Unternehmenswachstum eingesetzt werden können – während gleichzeitig  natürlich das juristische Risiko auf einem angemessenen Niveau gehalten werden muss. Selbst wenn es ein ausgewiesenes Budget für Rechtsangelegenheiten zur Verfügung steht, sollten Unternehmen Möglichkeiten zur Umverteilung des Budgets mit Hilfe von Legal Tech Lösungen in Betracht ziehen, um mehr für ihr Geld zu bekommen, und externe Anwälte nur für hochkomplexe Rechtsberatung engagieren.

Was ist aus deiner Erfahrung der größte Fehler, den Startups und Scale-ups hinsichtlich ihres juristischen Setups begehen? 

Kira Unger: Unserer Erfahrung nach sind die größten, aber auch häufigsten Fehler, dass man die Bedeutung der Rechtsabteilung für das Unternehmen unterschätzt und nicht über eine angemessene Dokumentation dieser Angelegenheiten verfügt. 

Startups und Scaleups, aber auch größere Unternehmen, unterschätzen oft, wie wichtig es ist, von Tag eins an eine solide Basis für ihre Rechtsangelegenheiten zu schaffen. Man könnte meinen, dass das ganze Debakel zwischen Mark Zuckerberg und den Winklevoss-Brüdern zu Facebook ausreichen sollte, um zu verdeutlichen, wie wichtig es ist, vom ersten Tag an alles richtig aufzustellen.

Jedoch sieht das weiterhin meistens ganz anders aus – Sie wären überrascht von der eher entspannten Haltung in vielen Unternehmen, wobei natürlich schwer zu beurteilen ist, ob es teilweise einfach an unzureichenden Kenntnissen oder Ressourcen liegt, um alle rechtlichen Herausforderungen zu meistern. Ein weiterer häufiger Fehler ist, dass der Zeitaufwand und das benötigte Fachwissen für die erfolgreiche Bewältigung solcher Aufgaben unterschätzt wird. Wie bereits angerissen, werden diese Aufgaben häufig – und völlig zu Recht – intern übernommen, um die zugegebenermaßen hohen Anwaltskosten zu sparen.

Abgesehen von den hohen internen Kosten für die Abarbeitung einfacher und/oder repetitiver juristischer Aufgaben führt die Überlastung dieser Mitarbeitenden oft unweigerlich zu einem erhöhten Fehlerrisiko und, was noch wichtiger ist, zu einem mangelnden Fokus auf die zentralen Unternehmensziele. Insbesondere in einer globalisierten Geschäftswelt, in der der Wettbewerb quasi vor der Tür steht, ist es von entscheidender Bedeutung zu vermeiden, zu viel Zeit und Geld für standardisierte, automatisierbare juristische Aufgaben mit geringem Impact aufzuwenden.

Inwieweit können Legal Tech Lösungen bei den beschriebenen Herausforderungen helfen? 

Kira Unger: Legal-Tech-Lösungen bieten intelligente, digitale und vor allem skalierbare und erschwingliche Lösungen, die die erfolgreiche Bewältigung aller rechtlichen Angelegenheiten unterstützen, die mehr als einmal anfallen – das heißt  typischerweise standardisierte Aufgaben mit geringem Aufwand. Sie wollen insbesondere Unternehmen mit oder ohne eigene juristische Expertise in die Lage versetzen, grundlegende Rechtsdokumente in großem Umfang zu erstellen, ohne dafür einen Anwalt einschalten zu müssen. Gleichzeitig stellen solche Lösungen sicher,  dass Unternehmen während ihres Wachstums die volle Kontrolle und Übersicht behalten.

Langfristig geht es darum, diesen Bereich des juristischen Fachwissens zu demokratisieren. Und um an dieser Stelle Missverständnisse von vornherein auszuräumen: Es geht nicht darum, Anwält*innen und Kanzleien ihrer Aufgaben zu berauben. Im Gegenteil: Legal Tech hat das Potenzial, die juristische Basis eines Unternehmens zu schaffen, und diese sich auf wirklich wertschöpfende und komplexe Aufgaben bezieht, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels.

Die Vorteile von Legal Tech lassen sich also wie folgt zusammenfassen: Mehr Kontrolle und Überblick über die juristischen Angelegenheiten eines Unternehmens, sowie die Möglichkeit, einheitliche Standards in allen Teams zu entwickeln bei gleichzeitiger Kostensenkung und Effizienzsteigerung.

Und was macht PocketLaw jetzt konkret anders als andere Legal Tech Unternehmen? Worin seht ihr den größten Vorteil eurer Plattform? 

Kira Unger: Legal Tech Lösungen gibt es schon seit einiger Zeit. Allerdings handelte es sich dabei oft um sehr begrenzte Einzellösungen wie zum Beispiel Vorlagen-Datenbanken, Vertragsverwaltungssysteme oder Anwendungen für die elektronische Unterzeichnung. Diese Programme haben sich bei der Lösung spezifischer Probleme bewährt und/oder waren auf interne Rechtsteams ausgerichtet, aber uns war klar, dass dem Markt ein umfassenderes Tool fehlte, das jedem Mitarbeitenden innerhalb eines Unternehmens mehr Autonomie auf kontrollierte und effiziente Weise ermöglicht.

Ich denke, dass Legal Tech jetzt mehr im Rampenlicht steht, weil das Vertrauen in digitale Lösungen nach der Pandemie größer geworden ist, aber auch weil der Anspruch in puncto Geschwindigkeit und Agilität in der Geschäftswelt gestiegen ist. Die zunehmende Komplexität der Vorschriften, die Instabilität der Lieferketten, das veränderte Verbraucherverhalten, die Globalisierung, die den Wettbewerb in rasantem Tempo verschärft … die Liste ließe sich fortsetzen. Unternehmen müssen den Status Quo ständig neu bewerten und sich schnell genug neu ausrichten oder anpassen, um der Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein, und Legal-Tech-Lösungen sind in der Lage, diese hohen Geschäftsanforderungen rund um die Uhr zu unterstützen. 

Wir sollten nicht außer Acht lassen, dass eines der größten Risiken für Unternehmen nach wie vor in einer starken Konkurrenz besteht, weshalb man bei Angelegenheiten, die zwar notwendig sind, aber nur geringen Impact haben, keine Minute oder keinen Cent zu verlieren hat.

Woran liegt es deiner Meinung nach, dass im Bereich der Rechtsangelegenheiten die Digitalisierung im Vergleich zu anderen Unternehmensbereichen (z.B. Finances, HR) derzeit noch hinterher hinkt? Woher kommt das Misstrauen? 

Kira Unger: Ich habe in meiner Funktion als auf Merger & Acquisition spezialisierte Anwältin bei Mannheimer Swartling in der täglichen Praxis am eigenen Leib erlebt, wie archaisch die Strukturen in der Rechtsbranche teilweise sind und stellte fest, dass es für Unternehmen keine umfassende Software-Lösung gab, mit der sie ihre juristischen Belange effizient bearbeiten und verwalten konnten.

Meine Co-Founderin Olga Beck-Friis und ich erkannten hier ein noch nicht ausgeschöpftes Digitalisierungspotenzial. Im Vergleich zu vielen Wettbewerbern wollten wir jedoch keine Insellösung für eine einzelne Aufgabe entwickeln. Deshalb handelt es sich bei unserer SaaS-Plattform um eine End-to-End-Lösung, auf der sämtliche Rechtsbelange an einem Ort effizient erstellt, bearbeitet und verwaltet werden können.

Das beginnt bei einer umfassenden Template-Datenbank, geht über eine intuitive, fragenbasierte Führung durch die Vertragserstellung und interne sowie externe Kooperationsoptionen in einem Dokument, bis hin zur eigenen e-Signing-Lösung und der übersichtlichen Verwaltung inklusive aller relevanten Fristen und To-Do’s – und das wichtigste dabei: Laien können die Plattform ohne ausführlichen Onboarding-Prozess intuitiv nutzen.         

Dass die funktioniert beweisen unter anderem die beeindruckenden Zahlen unserer Kunden BabyBjörn: Im vergangenen Jahr konnte dieser durch die Nutzung von PocketLaw über 200 Stunden bei der Vertragserstellung einsparen; zudem arbeiten über 60 Mitarbeitende aus unterschiedlichen Abteilungen mittlerweile kollaborativ an juristischen Aufgaben, wobei sich dank der Automatisierung und Vorlagen die Fehlerquellen deutlich minimiert haben.   

Zum Ende noch konkrete Tipps: Was sind die größten juristischen Stolpersteine, denen Unternehmen in Phasen des maximalen Skalierens oftmals nicht die notwendige Aufmerksamkeit schenken und die am Ende ernsthafte Folgen haben könnten? 

Kira Unger: In der Skalierungsphase vergessen die Unternehmen oft, Compliance-Anforderungen die notwendige Beachtung zu schenken und auf die Bedeutung der korrekten Lokalisierung zu achten.  In dem Bestreben, möglichst schnell zu expandieren und zu wachsen, konzentrieren sich die Unternehmen oft ausschließlich auf die operativen Aspekte in den neuen Märkten und übersehen dabei teilweise die erforderlichen rechtlichen Aspekte. Auch das Fehlen skalierbarer, einheitlicher Prozesse über alle Teams hinweg bremst das Geschäft unnötig aus.

In einer Welt, in der dem ROI jeden Tag mehr Bedeutung beigemessen wird, sollten solche Bemühungen sicherlich Vorrang haben. Leider habe ich aber auch miterlebt, wie Unternehmen aufgrund unsachgemäßer rechtlicher Verfahren gescheitert sind. Die Unternehmen sollten sich bewusst sein, dass mit der zunehmenden Globalisierung und dem aggressiver werdenden Wettbewerb die Vorschriften immer strenger werden und die Unternehmen in verschiedenste Richtungen ziehen. Es ist daher dringend erforderlich, dass die Unternehmen intelligenter skalieren, indem sie quantifizierbare, qualitätsgeprüfte Prozesse einrichten, um  auf allen Ebenen die erforderliche Kontrolle zu behalten.

*https://www.wolterskluwer.com/de-de/news/future-ready-lawyer-2022-trends

Bild Kira Unger Fotocredits PocketLaw

Wir bedanken uns bei Kira Unger für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

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