Wie oft am Tag antwortet man auf die Frage: „Wie geht es Dir?“ – „Danke, gut!“ Natürlich will man nicht jedem von seinen Gefühlen oder Wehwehchen erzählen, zumal die Frage ja oft einfach nur höflichkeitshalber und ohne Erwartung einer Antwort gestellt wird. Aber wie beantwortest Du Dir selbst diese Frage? Du stehst vor dem Spiegel und machst Dich fertig für den Tag. Dein Spiegelbild gefällt Dir, Du ziehst Dir schöne Kleidung an und fühlst Dich nach außen hin wohl. Wie fühlt sich Dein Inneres an? Gerade Frauen in der Lebensmitte hadern oft mit sich und dem, was sie im Leben erreicht haben. Meist sind die Kinder schon aus dem Haus und was bleibt, ist eine Lücke.
War das jetzt schon alles oder kommt noch was? Jetzt ist die beste Zeit, sein Inneres aufzuräumen und sich selbst wahrzunehmen – als Frau, als Partnerin oder im Business. Was möchtest Du und wie willst Du es erreichen? Wie Du Dich und Deine Situation zielführend reflektieren und welche Schritte Du für Dein neues und authentisches Leben gehen kannst, weiß Stephanie Fuhrmann, Expertin für Persönlichkeitstraining, Life- und Businesscoach für Frauen in der Lebensmitte. Ihre Gedanken dazu teilt sie gerne in diesem Gastbeitrag.
Bilanz ziehen – aber bitte richtig!
Vor dem Willen zur Veränderung kommt die Einsicht. So weit die Theorie. Doch in der Praxis kann Einsicht alles oder nichts bedeuten. Menschen denken sehr oft über Veränderung nach. Weit öfter, als sie sich tatsächlich verändern. Diese Bilderbuchvorstellung, dass jemand mit dem Leben hadert und „nur“ einen Tiefpunkt erreichen muss, um endlich aufzuwachen, ist jedoch naiv. So eilen gerade Menschen, die mit psychischen Problemen oder Suchtverhalten zu kämpfen haben, oft von einem Tiefpunkt zum nächsten – nahezu schicksalsergeben.
Nicht minder naiv ist die Vorstellung, dass man ganz gewiss so unendlich viel besser dran und endlich wunschlos glücklich wäre, wenn man dies oder jenes erreicht. Denken Sie nur an all die Stars und Sternchen, die alles haben bzw. hatten, jedoch immer wieder durch private Eskapaden oder gar eventuell durch einen tragischen Selbstmord in die Schlagzeilen gelangten.
Wer bin ich und wer will ich sein?
In sich zu schauen ist zwar zweifelsohne wichtig und der Startpunkt für jedwede Veränderung. Jedoch kann man hier bereits den falschen Weg einschlagen, wenn man von etwas Falschem ausgeht. Und das passiert leider nur allzu häufig. Beide soeben geschilderten Szenarien, der (vermeintlich) endgültige Tiefpunkt und das hohe Ziel, das (hoffentlich) alles zum Besseren verändert, gehen nämlich von etwas Falschem aus. Beide Szenarien, so scheinbar gegensätzlich sie sein mögen, unterstellen ein Schlüsselerlebnis, das dann alles verändert. Eine Art biografischen Hebel, der einfach nur umgelegt werden muss. Doch die innere Befindlichkeit von solchen Meilensteinen abhängig zu machen, funktioniert einfach nicht. Denn es fehlt etwas ganz Entscheidendes: die echte, unvoreingenommene Auseinandersetzung mit sich selbst als Person!
Gerade Frauen in der Lebensmitte sind davon besonders betroffen. Einerseits sind es Mütter, die bisher erfolgreich Familie, Kinder, Hund, Katze und Haus gemanagt haben. Der große Meilenstein – erfolgreich eine Familie gründen, ein Zuhause schaffen und dem Nachwuchs Flügel geben – liegt nun in der Vergangenheit. Andererseits sind es Frauen, die sich bewusst gegen Kinder und für ihre Karriere entschieden haben und sich nun nach Jahren der Aufopferung für den Job fragen: “War das schon alles? Für wen habe ich das eigentlich gemacht?” Und doch ist das Leben noch lange nicht vorbei. Plötzlich muss man sich auf eine Art neu orientieren, für die lange Zeit kein Raum war. Weil eben die Familie alles überschattet hat oder die Anerkennung im Job doch nicht mehr ausreicht. Doch nun wird es offensichtlich: es ist noch jede Menge Lebenszeit vorhanden – allerdings fehlen sinnstiftende Ziele.
Lebenserwartung & der perfekte Neustart
Die durchschnittliche Lebenserwartung einer Frau liegt in Deutschland bei 83 Jahren. Wie alt sind Sie gerade? Und wieviel Zeit würde Ihnen damit bleiben? Wollen Sie wirklich so weitermachen wie bisher?
Bei Familien sind die Letzten, die das Nest verlassen, nicht die Kinder, sondern die Eltern. Plötzlich merkt man, dass man sich trotz Freunde, Familie, Arbeit und Freizeit „leer“ fühlt. Gerade Frauen sind hier besonders betroffen, da sie in der Regel arbeitstechnisch zurückgetreten sind, um die Kindererziehung und das Familienmanagement zu priorisieren.
Bei den sog. DINKS (“double income – no kids”) sieht das anders aus. Man hat nach beruflichem Erfolg gestrebt und sich für die Karriere aufgeopfert. Es war der Job, für den man mal so sehr “gebrannt” hat. Jetzt hat man vielleicht alles erreicht oder erfährt in Zeiten von Shareholder Value keine Wertschätzung mehr – trotz erfolgreicher Arbeit. Vielleicht fühlt man sich auch von jüngeren, nachfolgenden Kollegen übergangen oder merkt, dass das anfängliche Feuer nicht mehr ganz so heiß brennt.
Beziehungsprobleme? Ja, die können häufig noch dazukommen.
Viele Paare haben die Kinder nach vorne gestellt – sich selbst und ihre Beziehung jedoch nach ganz hinten. Die DINKS haben jahrelang scheinbar wichtige Aufgaben im Beruf und karrierefördernde Arbeitseinsätze vor das Privatleben gestellt. Der geschäftsfördernde Einsatz auf dem Golfplatz hatte häufig Vorrang vor dem Candlelight-Dinner zu zweit.
Sind also die Kinder aus dem Haus oder verliert der Job plötzlich an Bedeutung, zeigt sich oftmals, wie sehr eine Ehe vernachlässigt wurde. Da kann es jede Menge Gesprächsbedarf geben. Viele Jahre fehlte es dafür überhaupt an Bewußtsein.
Dennoch ist diese Lebensphase der perfekte Zeitpunkt für den Neustart. Man hat man nämlich etwas Entscheidendes dazu gewonnen, um an sich selbst und der Beziehung arbeiten zu können. Und zwar Erfahrung und Zeit! Beides kann und sollte man intensiv einsetzen, sodass die sogenannten „goldenen Jahre“ dieser Bezeichnung gerecht werden können. Dazu braucht es einen neuen Fokus und ein klares Bewusstsein dafür, was man ändern kann … und vor allem will.
Autor
Stephanie Fuhrmann ist Life- und Businesscoach aber hauptsächlich beschäftigt sie sich mit dem Life-Coaching. Sie arbeitet mit dem HBDI-Persönlichkeitstest, bei dem in einem Fragebogen Denkpräferenzen herausgearbeitet werden. Jeder Mensch hat unterschiedliche Ausrichtungen. Diese Auswertung wird als Grundlage genommen, um Frauen ihre Stärke, ihr Potential und ihre Persönlichkeitsentwicklung zu zeigen.
Ihre Hauptzielgruppe sind Frauen in deren Lebensmitte. Frauen, die sich nicht bewusst sind, dass etwas im Leben nicht richtig läuft. Oft zeichnet sich das dadurch aus, dass diese Frauen immer auf der Suche nach neuen Aktivitäten sind, aber nicht wissen, was ihnen wirklich fehlt. Sie möchte verhindern, dass Frauen so viele schmerzhafte Erfahrungen machen müssen wie sie selbst. Ihr Geschenk an die Frauen ist, zu vermitteln, dass sie ganz sie selbst sein dürfen.
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder