Das Startup MiiCare ist Teil des SpinLab – The HHL Accelerator: In diesem Interview erzählen die Gründer:innen mehr
Stellt euch und euer Startup doch kurz unseren Lesern vor!
MiiCare ist ein HealthTech-Unternehmen mit HQ in London und Büros in Wien, Houston und Bangalore. Wir haben eine Lösung entwickelt, die es älteren Menschen ermöglicht, länger gesund, glücklich und zufrieden in ihrem eigenen Zuhause zu leben. Dies wird möglich durch unseren MiiCube mit Monica, die oft “Alexa für die ältere Generation” genannt wird. Monica ist unser digitaler Gesundheitscoach, der ältere Menschen dazu ermuntert, einen gesunden Lebensstil zu führen. Monica wird durch unsere KI MiiCortex unterstützt, die Daten aus einem umfangreichen Sensornetzwerk verarbeitet.
Diese Sensoren erheben Daten auf drei unterschiedlichen Ebenen: Physisch (zum Beispiel Bewegung), physiologisch (zum Beispiel Blutdruck, Temperatur, Blutsauerstoff) und psychosozial (zum Beispiel Stimmmuster, die durch den MiiCube erfasst und analysiert werden). Durch das Aggregieren und Auswerten dieser Daten können wir sich verschlechternde Gesundheitszustände vorhersagen und diesen durch gezielte kognitiv-verhaltenstherapeutische Maßnahmen von Monica entgegenwirken.
Die Daten werden zu verschiedenen Scores zusammengerechnet, so dass wir zum Beispiel Aussagen über die Schlafqualität treffen können. Einsehbar sind diese Erkenntnisse über ein Dashboard, ähnlich einer Gesundheitsakte, die Familienmitglieder und Pflegepersonal verwenden können, um den älteren Menschen gezielte Unterstützung zu geben.
Ich selbst bin erst recht kurz mit an Bord und baue zusammen mit unserem CEO-Kelvin in Wien unser Geschäft im DACH-Markt auf. Dabei habe ich nicht nur die volle Unterstützung von unserem überaus professionellen, diversen und internationalen Team, sondern auch vom SpinLab Accelerator Programm in Leipzig.
Warum habt ihr euch entschieden, ein Unternehmen zu gründen?
Kelvin, unser CEO, hat MiiCare gegründet, nachdem sein Vater 2018 an den Folgen eines Sturzes gestorben war. Sein persönlicher Hintergrund ist leider nicht einzigartig, allein in Deutschland stürzen jedes Jahr über 5,5 Millionen ältere Menschen, und diese Zahl wird in den kommenden Jahren weiter drastisch steigen. Der Hauptgrund hierfür ist sicherlich die demographische Entwicklung. Diese Problematik wird durch einen weltweit immer gravierenderen Pflegekräftemangel verstärkt, so dass immer mehr älteren Menschen immer weniger Pfleger gegenüberstehen.
Hinzu kommen gerade zu Zeiten der Corona-Pandemie zunehmend überlastete Gesundheitssysteme und angespannte Finanzen im Bereich der Gesundheit und Pflege. Durch unsere technologische Lösung ist es uns möglich, alle diese Problemfelder proaktiv anzugehen und weitestgehend auszugleichen und älteren Menschen ein gesundes, glückliches und zufriedenes Leben in ihrem eigenen Zuhause zu ermöglichen. Wir arbeiten präventiv, so dass z.B. Stürze wie die von Kelvins Vater, die zu persönlichen Verlusten wie auch eventuell hohen Kosten für das Gesundheitssystem führen könnten, zukünftig vermieden werden können.
Wie habt ihr euch als Gründerteam zusammengefunden?
Ich habe Kelvin bei einer Startup-Veranstaltung im Talent Garden in Wien kennengelernt. MiiCare hat an diesem Wochenende im Mai 2022 als Startup an diesem Bootcamp teilgenommen und ich war als Talent eingeladen. Leider konnte unser CEO Kelvin nicht an einigen der geplanten Mentoring-Sessions teilnehmen, so dass ich in die Bresche gesprungen bin, den MentorInnen kurz von diesem wirklich vielversprechenden Startup erzählt und ihre Kontaktdaten aufgenommen habe. Durch meine Initiative ist zum Beispiel der Kontakt zur Allianz Österreich möglich geworden. Einige Wochen später war Kelvin wieder in Wien und wir haben uns zusammengesetzt und über die Gründung von MiiCare Österreich gesprochen. Jetzt bin ich seit einigen Monaten fest mit im Team und setze unsere Markteintrittspläne in Österreich und darüber hinaus um.
MiiCare Ltd. wurde bereits 2018 in London gegründet. Kelvin, unser CEO und Founder, stammt ursprünglich aus Mauritius, hat in London studiert und lange in Führungspositionen in der Unternehmensberatung gearbeitet. Während eines Projektes im Bereich Smart City für die Olympischen Sommerspiele 2012 in London hat Kelvin Ophir, unseren Co-Founder und CTO kennengelernt, mit dem ihn seitdem eine enge Freundschaft und exzellente Arbeitsbeziehung verbindet. Unser anderer Co-Founder, John, ist unser Head of Engineering, hat bereits als Jugendlicher Smart Watches entwickelt und hat in Stanford studiert; einige bei uns nennen ihn hinter vorgehaltener Hand unser Wunderkind. Diese drei Ausnahmetalente sind dafür verantwortlich, dass MiiCare bisher so weit gekommen ist. So haben wir beispielsweise 2019 den Microsoft AI for Good Award gewonnen und werden seitdem intensiv von Microsoft unterstützt.
Wie sieht ein normaler Arbeitstag bei euch aus?
Normale Arbeitstage? Gibt es bei Startups normale Arbeitstage? Für gewöhnlich telefoniere ich morgens kurz mit unserem CEO Kelvin und wir besprechen, was tagesaktuell anliegt. Wir befinden uns mit MiiCare Österreich noch in der Gründungsphase, so dass die Tätigkeiten sehr abwechslungsreich sind – erste Kundenkontakte, intensives Netzwerken, Pilotprojekte umsetzen und monitoren, Meetings mit Rechtsanwälten, Steuerberatern und Medizinprodukteberatern, das Erstellen eines Business- und Finanzplans, die Suche nach Investoren und guten Mitarbeitern und natürlich auch noch die Teilnahme beim wirklich fantastischen SpinLab-Programm, jeder Tag bringt neue Herausforderungen und ist aufregend und spannend.
Wir haben zweimal die Woche Meetings mit dem ganzen Team, das quer über die Welt verteilt ist; zum einen ein normales Team Meeting, in dem wir wichtige Themen und Aufgaben besprechen, zum anderen die MiiCare Academy, die jede Woche einem anderen Kollegen und manchmal auch Gästen die Möglichkeit gibt, interessante Einblicke in ihren jeweiligen Arbeitsbereich oder den HealthCare-/ HealthTech-Bereich generell zu geben.
Was unterscheidet euch von anderen Unternehmen?
Natürlich gibt es bereits eine Vielzahl an technologischen und digitalen Hilfsmitteln für die ältere Generation. Viele ältere Menschen verwenden aber zum Beispiel Sturz-Notfall-Anhänger überhaupt nicht gerne, weil sie diese Technologie als entwürdigend empfinden. Ein weiteres Problem mit diesen Anhängern ist, dass sie die Stürze eben nicht verhindern können.
Bevor wir mit der Produktentwicklung begonnen haben, haben wir 18 Monate mit den Menschen gesprochen, die am meisten betroffen sind, nämlich mit der Community der älteren Menschen. Wir haben ihnen genau zugehört, warum bestehende technologische Lösungen für sie nicht funktionieren und wie ein Produkt aussehen könnte, dass sie dann auch tatsächlich einsetzen würden und dass ihnen genau die Unterstützung gibt, die sie sich wünschen. Darauf aufbauend haben wir uns hingesetzt und genau das entwickelt, um was sie uns gebeten haben, nämlich eine ganzheitliche und einzigartige Lösung, die einige der besten Funktionen und Aspekte bereits bestehender technologischer und digitaler Hilfsmittel miteinander kombiniert.
Durch die frühzeitige Erkennung potenzieller gesundheitlicher Probleme arbeiten wir im Gegensatz zu den meisten anderen technischen Lösungen für Senioren proaktiv und präventiv und tragen so dazu bei, dass ältere Menschen länger gesund und aktiv bleiben können. Unsere Lösung unterstützt sie dabei, selbständig und gesund in ihrem eigenen Zuhause wohnen zu können, ihre chronischen Krankheiten besser zu managen, einen engeren Kontakt mit ihren Familienangehörigen aufrecht zu erhalten und ihrer Familie und ihren Pflegern physischen und mentalen Stress zu ersparen. Wir sind damit die einzige Lösung mit einem benutzerzentrierten, holistischen Pflegeökosystem am Markt.
Wer ist eure Zielgruppe?
MiiCare unterstützt natürlich in erster Linie ältere Menschen dabei, gesund und glücklich zu bleiben. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, bis 2035 das Leben von einer Milliarde Menschen positiv zu beeinflussen. Dafür arbeiten wir eng mit Pflegeträgern zusammen, die ebenfalls zu unserer Zielgruppe gehören. Wir bieten dem Pflegesystem tatsächlich einen realistischen Mehrwert, da unsere Lösung Pflegetätigkeiten unterstützt, beginnenden gesundheitlichen Problematiken frühzeitig entgegenwirkt und dem Pflegepersonal transparent offenlegt sowie die Dokumentation der Pflege stark vereinfacht. Familienangehörige haben durch unsere digitale Gesundheitsakte jederzeit und in Echtzeit Einblick, wie es ihren Liebsten geht, ob sie ihre Medikamente rechtzeitig nehmen, ausreichend trinken und wie lange Pflegekräfte tatsächlich vor Ort waren. Nicht zuletzt ist auch die Versicherungsbranche sehr an unserer Lösung interessiert, um ältere Menschen zu einem gesunden Lebensstil zu motivieren und kosteneffizienter arbeiten zu können.
Warum habt ihr euch für die SpinLab – The HHL Accelerator beworben?
Wir sind derzeit auf Expansionskurs. Wir haben uns also für das SpinLab-Accelerator-Programm beworben, um unser Wachstum im deutschen Markt zu unterstützen. Zum einen lernt man nie aus – die vielen unterschiedlichen Kurse im SpinLab werden mit Sicherheit noch Informationen und Skills vermitteln, die wir brauchen, um uns langfristig durchsetzen zu können. Das SpinLab hat zudem einen Schwerpunkt im Gesundheitsbereich, was uns helfen wird, den deutschen Markt und die wesentlichen Akteure besser zu verstehen.
Wir haben bislang nur wenige Kontakte zu potenziellen Partnern und Kunden in Deutschland und das wollen wir in diesem sechsmonatigen Programm ändern und sind zuversichtlich, dass das SpinLab uns mit wichtigen Akteuren im Gesundheits- und Versicherungsbereich zusammenbringen wird. Jedes Wachstum muss finanziert werden, und auch deswegen haben wir uns beworben – wir sind derzeit auf der Suche nach weiteren Investoren, die das immense Potential von MiiCare erkennen und uns in Europa finanziell unterstützen wollen. Wir freuen uns auf einen intensiven Austausch mit anderen GründerInnen, die sicherlich ähnliche Herausforderungen zu bewältigen haben wie wir. Letztlich suchen wir für unser Team im deutschsprachigen Raum auch noch tatkräftige Unterstützung.
Wie werdet ihr unterstützt?
Wir haben erst zwei von sechs Wochen in Leipzig erfolgreich beendet, insofern kann ich nur meinen ersten Eindruck wiedergeben. Ich kann nur sagen, dass bereits die erste Woche eine der tollsten Erfahrungen war, die ich jemals machen durfte. Das SpinLab bietet exzellente Workshops und Coaching-Sessions in wichtigen Gebieten wie Recht, Steuern und Marketing und stellt uns eine Online-Plattform mit einer Videoakademie zu Verfügung, um das gelernte Wissen nochmal zu vertiefen. Das wirklich super vernetzte Team hat uns bereits erste Gespräche mit zum Beispiel der AOK Plus und dem deutschen Roten Kreuz vermittelt und wir hoffen natürlich auf weitere tolle Möglichkeiten.
Es gibt Coachings zum Thema Pitchen, wir filmen einen Accelerator-Pitch und es wurden schon professionelle Fotos geschossen. Durch die Gruppenaktivitäten vor Ort lernt man die anderen GründerInnen besser kennen und vernetzt sich auch branchenübergreifend. Wir bekommen aber auch außerhalb des Programms immer wieder Unterstützung, wie zum Beispiel dieses Interview. Ich kann nur bestätigen, was vorherige SpinLab-Klassen auch schon gesagt haben – die Teilnahme lohnt sich wirklich und das Team ist einfach richtig fantastisch!
Wo möchtet ihr am Ende des SpinLab – The HHL Accelerator stehen?
Wir sind gerade im Gründungsprozess unserer Tochtergesellschaft in Österreich. Diesen erfolgreich abzuschließen hat für uns derzeit oberste Priorität. Wir wollen uns danach aber nicht nur am österreichischen, sondern eben auch am deutschen und am Schweizer Markt etablieren und haben uns zum Ziel gesetzt, am Ende der sechs Monate mindestens einen großen Kunden in Deutschland in einem Test-Run von unserer Lösung überzeugt und einen Vertrag abgeschlossen zu haben. Zudem suchen wir für unseren Wachstumskurs in Zentraleuropa derzeit nach InvestorInnen, und wir möchten unsere nächste Finanzierungsrunde spätestens zum Ende der sechs Monate abgeschlossen haben.
Wo seht ihr euch und euer Startup in fünf Jahren?
Zu unseren strategischen Zielen für die nächsten fünf Jahre kann ich an dieser Stelle nicht viel verraten. Unsere Technologie ist aber in vielen weiteren Bereichen im Gesundheitsbereich anwendbar und wir wollen intensiv forschen und uns vertikal diversifizieren. Wir wollen mit Sicherheit weiterwachsen, unsere Business Development- und Forschungs-Teams vergrößern und uns so in allen unseren Märkten als Marktführer etablieren. Nicht zuletzt verfolgen wir das Ziel, bis spätestens 2030 einen erfolgreichen Exit aufs Parkett zu legen.
Welche 3 Tipps würden Sie angehenden Gründern mit auf den Weg geben?
Träumt viel, arbeitet hart und glaubt an das, was ihr tut.
Wir bedanken uns bei Maurice Chales de Beaulieu für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder