myoact entwickelt eine digitale Lösung zur Analyse und Behandlung neuromuskulärer Dysbalancen – und ist Finalist beim Startup of the Year von Frankfurt Forward.
Stellen sie sich und ihr Startup doch kurz unseren Lesern vor!
Mein Name ist Simon Roth. Ich bin Physiotherapeut sowie Mitgründer und Geschäftsführer von myoact. myoact ist die Lösung zur Visualisierung, Beurteilung und Behandlung neuromuskulärer Dysbalancen, die einen großen Einfluss auf chronische Schmerzen und Verletzungen haben. Seit über 15 Jahren betreuen Philipp Piroth (ebenfalls Mitgründer und Geschäftsführer) und ich Patienten mit Hilfe der Elektromyografie, kurz EMG. Durch die klinischen Erfolge konnten wir uns schnell im Leistungssport etablieren und beraten bis heute namenhafte Vereine der Bundesliga und der Individualsportarten auf Olympianiveau. myoact ist es gelungen, unsere Expertise und Erfahrung, gepaart mit den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen, für den Physiotherapeuten, Trainer oder Arzt zugänglich zu machen und jeden Patienten aller Leistungs- und Altersklassen davon profitieren zu lassen, insbesondere bei der Behandlung der Muskeln.
Warum haben sie sich entschieden ein Unternehmen zu gründen?
Philipp und ich haben durch die klinischen Erfolge in unseren Praxen gemerkt, dass die Anfrage nach dieser Form der Untersuchung und Behandlung mit EMG immer größer wurden. Wir hätten entweder immer mehr Praxen eröffnen können oder uns eben dazu entscheiden können, ein Produkt zu entwickeln, welches langfristig selbst vom Patienten genutzt werden kann. Eine erfolgreiche Methode, die nachweislich Patienten hilft, sollte nicht exklusiv für Patienten mit Zugang zur Premiummedizin sein. Es sollte ein Angebot für Jeden geben. Dies muss nicht zwingend in Arztpraxen stattfinden. Wir unterstützen den Gedanken, dass auch entsprechend ausgestattete und ausgebildete „Gesundheitstudios“ oder „Health Gyms“ diese Aufgabe in der Zukunft übernehmen können, um so die wachsende Anzahl an Patienten und immer weniger werdenden Therapeuten kompensieren zu können.
Welche Vision steckt hinter ihrem Startup?
Unsere Vision ist es, dass EMG eine ebenso große Akzeptanz in der Untersuchung von Schmerzursachen haben wird, wie MRT, Röntgen und Sonografie. Der Mehrwert: es kann darüber hinaus im Biofeedbacktraining den Patienten befähigen, eigene Dysbalancen zu sehen, zu verstehen und zu korrigieren. Die erhobenen und mit KI bearbeiteten Daten erlauben uns, ein Produkt für zu Hause zu entwickeln. Der Patient der Zukunft wird in Teilen sein eigener Therapeut sein. Wir möchten den Beitrag für die muskuläre Komponente stellen.
Von der Idee bis zum Start was waren bis jetzt die größten Herausforderungen und wie haben sie sich finanziert?
Um in der Medizin als Tech Startup erfolgreich zu sein, muss man zuallererst alle Bedingungen für eine medizinische Zertifizierung erfüllen. Dies haben wir letztes Jahr geschafft. Dabei war uns nicht nur die technologische Voraussetzung wichtig, sondern insbesondere auch die Nutzbarkeit für den klinischen Alltag. Die Tatsache, dass wir selbst Power User in unserer eigenen Praxis sind, befähigt uns auch im UX und UI Design auf die richtigen Elemente in unserer App Wert zu legen. Die ersten Meter haben wir mit einem bootstrapping aus unserer eigenen Tasche bewältigt. Unsere Seed Runde haben wir dann mit Hilfe von Business Angels meistern können. 2/3 unserer Investoren sind Patienten. Wer myoact erlebt hat, möchte es entweder zu Hause besitzen oder Teil der Reise werden.
Wer ist die Zielgruppe ihres Startups?
Unsere Zielgruppen sind aktuell klar Physiotherapeuten und Orthopäden, die es in der Rehabilitation und Therapie nutzen. Sie machen ca. zu jeweils 50% unsere Nutzer aus. In der Medizin melden sich jedoch auch immer mehr Zahnärzte zur Beurteilung von sogenannten craniomandibulären Dysbalancen und logischerweise Neurologen bzw. Ergotherapeuten. Darüber hinaus werden gerade spannende Gespräche mit Vertretern aus der Fitnessbranche geführt. Dies sehen wir als Chance, um dem Patienten eine Möglichkeit zu bieten, an seinen Dysbalancen arbeiten zu können, bevor Schmerzen oder Verletzungen entstehen. Wenn wir aus diesen Bereichen genug Daten und Erkenntnisse gesammelt haben, werden wir natürlich auch den Patienten selbst als Zielgruppe sehen und ein System entwickeln, dass zu Hause angewendet werden kann.
Wie funktioniert ihr Startup? Wo liegen die Vorteile?
Wir haben zwar ein Büro in Frankfurt, doch unser Team aus 19 Mitarbeitern ist weltweit verstreut. Unsere Entwickler leben und arbeiten in Polen, der Ukraine, in Deutschland und den USA. Der Rest des Teams ist überall in Deutschland zu Hause. Das Sales -und Customer Success Team versuchen wir jedoch so gut es geht in Frankfurt zu bündeln. Eine gesunde Mischung aus Homeoffice und lokalem Arbeitsumfeld scheint uns hier am besten zu tun. Somit haben wir auch eine bessere Möglichkeit, hochqualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland für uns gewinnen zu können, ohne dass sie ihre Heimat verlassen müssen.
Das Kernteam trifft sich regelmäßig in Frankfurt. Andreas Hrabal, Mitgründer und CTO/CPO, hat schon weitreichende Erfahrungen mit Startups gemacht. Fabian Sonnenschein, Mitgründer und CMO, bringt die Erfahrung im Branding mit. Philipp und ich arbeiten noch immer an zwei Tagen in der Woche mit Patienten. Dies erlaubt es uns, immer die Sprache unserer Nutzer zu sprechen und Vertrauen zu gewinnen.
Sie sind Finalist für Startup of the Year. Wie geht es jetzt weiter?
Wir haben uns natürlich sehr gefreut, dass unsere Idee, aber auch Performance so gut angekommen ist. Durch die Teilnahme am Finale erhoffen wir uns eine Verbreitung unserer Vision und Mission. Je mehr Menschen erfahren, was hinter muskulären Dysbalancen steckt, desto besser für die Patienten der Zukunft, die sich mit der Entwicklung in der Digitalisierung eher weniger bewegen und dadurch genau diese Dysbalancen entwickeln.
Wo geht der Weg hin? Wo sehen sie sich in fünf Jahren?
Wir haben sehr viele Optionen auf dem Tisch. Neben der Fitnessbranche stehen diverse internationale Projekte auf der Agenda. Wichtig ist es, sich jetzt nicht zu verzetteln. Aktuell fokussieren wir uns auf eine Finanzierung über strategische Investoren und Förderungen, um unsere Performance weiter so hochzuhalten wie bisher. In fünf Jahren bin ich mir sicher, dass wir ein gängiges Werkzeug im Koffer des Arztes und Therapeuten sein werden. Ausgewählte Fitnessstudios werden myoact als Angebot aufführen und die ersten Geräte kann man sich gegebenenfalls für die Reha von der Krankenkasse für zu Hause von einem Sanitätshaus ausleihen.
Zum Schluss: Welche 3 Tipps würden sie angehenden Gründern mit auf den Weg geben?
Erst das Problem erkennen, dann eine Lösung finden
Die Vision ist der Antrieb. Versuche zu spüren, wie es sein wird, wenn die Vision eintritt. Fühlst du es nicht, dann überlege, ob du an die Vision wirklich glaubst.
Komfortzonen erlauben keine Innovation. So unangenehm manche Dinge sind, der Austritt aus der eigenen Komfortzone bringt die Sache weiter.
Bild: Teambild myoact @Björn Aßmus
Wir bedanken uns bei Simon Roth für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.