Freitag, März 29, 2024
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Mythen, die Gründer und Gründerinnen stoppen – weshalb zahlreiche Talente ihr Potenzial verschwenden

Das Gründungsland Deutschland schwächelt. Lediglich 2.618 Start-ups wurden im Jahr 2022 neu gegründet – das sind 18 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Gründe für ausbleibende Gründungen sind vielfältig, ein Faktor drängt sich jedoch  in den Vordergrund: Mythen über das Gründertum und fälschliche Stereotypen von Gründenden halten talentierte Unternehmer davon ab, ihr eigenes Startup zu gründen. 

Vorneweg: Kein Erstgründer weiß vom ersten Tag an, was er oder sie tun soll. Frischgebackene Gründer müssen mit der Unvollkommenheit leben und arbeiten – sie gehört zum Job. Perfektion? Ist bei einer Startup-Gründung fehl am Platz.

Und dennoch haben sich vor allem sechs Vorurteile etabliert, die Talenten das Gegenteil einreden und sie glauben lassen, sie wären als Gründer ungeeignet – und das erfahrungsgemäß zu Unrecht: 

Mythos 1 – “Ich brauche viele Auszeichnungen, Qualifikationen und Referenzen auf meinem Lebenslauf”: Der Studienplatz an einer renommierten Universität, der Master-Abschluss, der Spitzenjob, die weitere Beförderung – So ehrgeizig dieses Streben auch ist, es führt dazu dass unternehmerische Ziele aufgeschoben oder gar aufgehoben werden. Auszeichnungen und Zeugnisse führen nicht unbedingt zum unternehmerischen Erfolg. So haben beispielsweise allein in unserem Portfolio die CEOs von fünf der sechs wertvollsten Unternehmen – eines davon mit Einhorn-Status – nur ein Jahr Berufserfahrung oder weniger.

Mythos 2 – “Mein Netzwerk ist nicht groß genug”: Ein großes Netzwerk in der eigenen Branche ist von Vorteil, wenn Gründer bereits wissen, was sie produzieren und anbieten möchten – Netzwerke können die Geschäftsentwicklung beschleunigen, indem Kontakte zu Vertriebspartnern und Investoren hergestellt werden. Startups wissen in der Frühphase jedoch meistens nicht, welche Art von Netzwerk ihnen helfen kann. Wichtiger ist zunächst ein Verständnis für Problemlösungen zu entwickeln – alles andere ist Zukunftsmusik. Zu Beginn gilt es erstmal, Zeit zu investieren, mit potenziellen Kunden zu sprechen und ihre Bedürfnisse zu verstehen. Das Netzwerk wächst erst in der nächsten Phase – und zwar parallel dazu, wie das Startup mit der Kundenforschung voranschreitet. 

Mythos 3 – “Ich lebe nicht im Silicon Valley”: Silicon Valley ist nicht ohne Grund die Startup-Hauptstadt der Welt. Das dortige Ökosystem steigert nicht nur die Erwartungen des Umfeldes, sondern unterstützt auch das Gründertum. Gründer zieht es dorthin, wo sie leicht Gleichgesinnte finden, die Risiken eingehen. Eine Ansammlung von Finanzmitteln, Mentoren und gründungsfreundlichen professionellen Dienstleistungen sind ein weiterer Vorteil.

Und dennoch: Das Wissen über Startups hat sich demokratisiert: Was früher in den Köpfen einiger weniger Gründer und Investoren konzentriert war, ist heute in breiterer Masse vorhanden und leichter verfügbar – Große Startup-Ökosysteme gedeihen weltweit.

Mythos 4 – “Ich kann nicht anfangen, weil ich versagen könnte”: Dass Rückschläge ein Bestandteil des Startup-Lebens sind, lässt sich nicht leugnen. Dennoch sind die Kosten des Scheiterns heutzutage geringer als je zuvor – nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern auch in Bezug auf das Karrierekapital. Startups auf der ganzen Welt stellen bevorzugt ehemalige Gründer ein, weil sie aus ihren Versuchen gelernt haben, selbst wenn ihr Unternehmen nicht funktioniert hat. Den größten Verlust, den Talente diesbezüglich machen können, ist das Wissen, es nie probiert zu haben – und vielleicht die Chance des Lebens verpasst zu haben. 

Mythos 5 –”Ich entspreche nicht dem „Gründer-Stereotyp“: Keine Bevölkerungsgruppe ist von Natur aus besser im Gründen als eine andere. Sicher – weiße Männer stellen den Großteil der heutigen Gründer dar. Doch gerade weil noch viel im Sinne der Diversität des Startup-Ökosystems zu tun ist, gab es noch nie einen besseren Zeitpunkt, um als Angehörige einer unterrepräsentierten Gruppe ein Unternehmen zu gründen. Risikokapitalgeber wissen: Die Finanzierung großartiger Gründer, die andernfalls vielleicht übersehen werden, stellt eine Chance dar.

Auch Studien bestätigen den Wandel in der Art und Weise, wie Investoren nach Gründern aus unterrepräsentierten Gruppen suchen und diese mit Geld unterstützen. First Round Capital, eine der weltweit führenden VC-Firmen, untersuchte die ersten zehn Jahre ihrer Investitionen und stellte fest, dass von Frauen gegründete Unternehmen deutlich besser abschnitten als von Männern mitbegründete Teams. Ihre Untersuchungen zeigen auch: vielfältige Teams sind für die langfristige Wertschöpfung von wesentlicher Relevanz.

Mythos 6 – “Ich muss die perfekte Idee haben”:  Zu viele Talente zögern die Gründung hinaus, weil sie darauf warten, dass ihnen die perfekte, voll ausgereifte Idee kommt. Dabei sind Geschäftsideen weniger ein punktueller Heureka-Moment, sondern vielmehr ständiger Iteration unterzogen. 

Zunächst gilt es, ein Gefühl für Problemlösungen zu entwickeln. Dann können  potentielle Kunden herangezogen werden, wonach Produkt oder Service basierend auf deren Feedback weiterentwickelt werden – bis ein Produkt-Markt-Fit erreicht ist.

Die Welt verpasst einige ihrer besten potenziellen Gründer und Gründerinnen – und das nur aufgrund kultureller Normen und falscher Vorstellungen darüber, was man mitbringen muss, um zu gründen. Gründertalente werden nicht als solche geboren – vielmehr schaffen sie sich durch ihre Einstellung und harte Arbeit ihren Erfolg. Im Prinzip hat jeder das Zeug, ein bedeutsames Startup aufzubauen. Der beste Weg, sich darauf vorzubereiten, ein weltweit einflussreicher Gründer zu werden, lautet, ein Unternehmen zu gründen und aus der Praxis zu lernen. 

Autor:

Felix Schmitt arbeitet als Principal bei Entrepreneur First (EF), dem weltweit führenden Talentinvestor (10 Mrd. USD Portfolio). In seiner Rolle als Talent-Investor deckt er den gesamten Weg von der Identifizierung außergewöhnlicher Gründertalente, ihrer Beratung auf dem Weg zu Gründung, bis hin zum Investment ab. Außerdem ist er ein Angel Investor. Vor Antritt seiner Rolle bei EF sammelte Felix Erfahrungen als COO/CFO und Expansionsleiter bei Habyt/GoLiving dem weltweit größten Co-Living-Unternehmen und als Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group.

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

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