Paebbl wandelt eingefangenes CO₂ in Baumaterialien um und macht die Bauindustrie zum Treiber im Kampf gegen den Klimawandel
Können Sie uns Paebbl und die zugrunde liegende Technologie zur CO₂-Mineralisierung näher vorstellen?
Paebbl ist ein nordisch-niederländisches Unternehmen, das eingefangenes CO₂ in Baumaterialien umwandelt, die dauerhaft Kohlenstoff speichern. So schaffen wir eine zukunftsfähige Wertschöpfungskette für die Speicherung von CO₂ und machen die Bauindustrie zu einem zentralen Akteur bei der Bekämpfung des Klimawandels.
Bei Paebbl haben wir ein chemisches Verfahren zur Kohlenstoffspeicherung entwickelt, das die natürliche CO₂-Mineralisierung um den Faktor 10 Millionen beschleunigt. Das Verfahren basiert auf der Reaktion von eingefangenem CO₂ mit Silikatgestein in einem energieeffizienten industriellen Prozess.
Welche Vision verfolgt Paebbl, und wie hat die Zusammenarbeit mit Aurum Impact zur Verwirklichung dieser Vision beigetragen?
Marta: Unsere Vision ist es, ein Portfolio an praktischen Anwendungen für unser Produkt „Re-stored Carbon“ zu schaffen – beginnend mit der Bauindustrie. Die Beteiligung von Aurum Impact an der Series A Finanzierungsrunde ist für uns besonders wertvoll, da die Goldbeck Familie tief in der Bauindustrie verwurzelt ist. Gemeinsam wollen wir grundlegende und dringend notwendige Veränderungen in diesem Sektor vorantreiben.
Miki: Aurum Impact ist Teil des Goldbeck Family Office, das zu einem der größten inhabergeführten Bauunternehmen in Deutschland gehört. Die direkte Verbindung zwischen Paebbl und Goldbeck, einem der führenden deutschen Bauunternehmen, sowie Capnamic als Lead Investor und Partnern wie Amazon und dem Schweizer Baustoffkonzern Holcim, schafft optimale Voraussetzungen, um Paebbls Vision zügig auf den Markt zu bringen und von gemeinsamen Interessen zu profitieren.
Frau Sjögren, wie ist die Idee für Paebbl entstanden, und welche Meilensteine haben Sie seit der Gründung erreicht?
Marta: Paebbl wurde 2021 als paneuropäisches Kollaborationsprojekt gegründet. Meine Mitgründenden sind die Unternehmerin und Investorin Jane Walerud, der niederländische Wissenschaftler Pol Knops sowie der Ingenieur und Unternehmer Andreas Saari.
Unsere Technologie basiert auf 20 Jahren Forschung, wobei mein Mitgründer Pol die CO₂-Mineralisierung in der Industrie und Wissenschaft maßgeblich vorangetrieben hat – und dies in einer Vielzahl renommierter Institutionen.
Seit der Gründung ist Paebbl schnell gewachsen. In den ersten 18 Monaten haben wir den Weg von Tests im Labor über Bench-Scale-Experimente hin zu einer voll funktionsfähigen Pilotanlage geschafft, die täglich 250 kg CO2-speicherndes Material produziert. Die schnelle Skalierung zeigt sich auch beim Bau des Demonstrationswerks, das in unter zwei Jahren von der Konzeptphase zur fast vollständigen Fertigstellung gelangt ist – deutlich schneller als der branchenübliche Zeitrahmen.
Im Mai dieses Jahres hat Paebbl seine erste Tonne CO2-Speicherung erreicht. Im Oktober konnten wir mit einer Series A Finanzierung in Höhe von 25 Millionen US-Dollar einen weiteren Meilenstein setzen, wobei wir Capnamic, Holcim, Aurum Impact und den Climate Pledge Fund von Amazon als neue Investoren begrüßen durften.
Wie funktioniert der Prozess der CO₂-Mineralisierung genau, und was macht die Technologie von Paebbl so einzigartig?
Marta: Paebbl hat eine Technologie entwickelt, die eingefangenes CO₂ in ein ergänzendes zementäres Material (auf Englisch: supplementary cementitious material (SCM)) umwandelt. Dies bietet einen doppelten Klimavorteil: Das mineralische Produkt speichert das CO₂ dauerhaft und dient gleichzeitig als Ersatz für emissionsintensive Materialien, die heute in der Betonproduktion verwendet werden.
Andere Methoden zur Nutzung von CO₂ in der Betonherstellung basieren darauf, CO₂ in gasförmiger Form während des Aushärtens in den Beton einzuspritzen. Dies beschleunigt zwar die Härtungszeit, hat jedoch nur eine sehr begrenzte CO₂-Aufnahmekapazität von wenigen Prozent pro Tonne Beton.
Unser Material besteht zu 20-30 % aus CO₂ und ist ein trockenes Mineralpulver. Es kann wie herkömmlicher Zement und andere SCMs transportiert und eingesetzt werden und ermöglicht eine deutlich höhere Menge an gespeichertem CO₂ pro Tonne Beton.
Welche Herausforderungen mussten Sie bei der Entwicklung und Skalierung dieser Technologie bewältigen?
Marta: Technologien zur CO₂-Abscheidung, -Nutzung und -Speicherung (CCUS) erfordern erhebliche Investitionen – sowohl in die Infrastruktur zur CO₂-Abscheidung als auch in die Anpassung industrieller Prozesse, um CO₂ in Materialien wie Beton zu nutzen. Doch wie Paebbl zeigt, sinken die Kosten, sobald die Technologie breiter angewendet wird. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass viele Branchen und Verbraucher das Potenzial von CCUS-Technologien noch nicht vollständig erkennen, insbesondere wenn es um die Nutzung von CO₂ in Produkten wie Beton geht. Zudem gibt es Vorbehalte gegenüber Materialien mit eingebettetem CO₂, da Bedenken hinsichtlich Haltbarkeit oder Qualität bestehen.
Wir begegnen diesen Herausforderungen durch gezielte Zusammenarbeit mit Industriepartnern, Medienkampagnen und Auftritten auf Fachkonferenzen. Wenn ich von Veranstaltung zu Veranstaltung reise und so viele Menschen wie möglich treffe, habe ich immer eine kleine Figur dabei, die über unseren Prozess hergestellt wurde – als Proof of Concept. Ein gutes Beispiel hierfür war die Konferenz Slush in 2024: Der diesjährige Willkommensschriftzug „SLUSH“ wurde mit Paebbls Technologie gefertigt.
Wie gewährleistet Paebbl, dass die Materialien sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich wettbewerbsfähig sind?
Marta: Wir setzen auf energieeffiziente Produktion, um die Kosten niedrig zu halten und gleichzeitig die ökologische Wirkung zu maximieren. Unsere Materialien ersetzen traditionelle Zementkomponenten nahtlos und lassen sich problemlos in bestehende Bauprozesse integrieren. Durch Partnerschaften mit führenden Bauunternehmen treiben wir die Akzeptanz unserer Materialien voran, erhöhen unsere Produktionskapazitäten und tragen dazu bei, den CO₂-Fußabdruck von Beton deutlich zu verringern. Diese Kombination aus Effizienz, Anpassungsfähigkeit und Nachhaltigkeit macht unsere Produkte sowohl wirtschaftlich als auch umweltfreundlich.
Angesichts der Klimaziele: Welche Rolle kann Paebbl konkret in der Transformation der Zement- und Bauindustrie spielen?
Marta: Unsere Technologie bietet eine kohlenstoffnegative Alternative zu herkömmlichen Zementkomponenten und adressiert damit eine der größten Quellen globaler CO₂-Emissionen. Durch den Einsatz von Paebbls CO₂-speichernden Materialien kann die Bauindustrie ihren CO₂-Fußabdruck erheblich reduzieren, ohne dabei Kompromisse bei der Festigkeit und Langlebigkeit moderner Infrastruktur einzugehen.
Unsere Materialien senken nicht nur Emissionen, sondern entfernen aktiv CO₂ aus der Atmosphäre. Dies eröffnet die Möglichkeit, das Bauwesen in eine Kohlenstoffsenke zu verwandeln, in der Gebäude und Infrastruktur nicht nur ihren funktionalen Zweck erfüllen, sondern auch langfristig CO₂ speichern und so zum Klimaschutz beitragen.
Darüber hinaus unterstützt Paebbl mit seinem Ansatz eine Kreislaufwirtschaft im Bausektor, indem nachhaltige Materialien bereitgestellt werden, die die Abhängigkeit von emissionsintensiven Produktionsprozessen verringern. Durch enge Zusammenarbeit mit führenden Bauunternehmen und die Skalierung unserer Technologie wollen wir die Dekarbonisierung einer traditionell CO₂-intensiven Industrie praktisch und zugänglich machen.
Welche Partnerschaften oder Kooperationen sind entscheidend, um die Technologie von Paebbl global zu etablieren?
Marta: Unsere Investorengruppe leistet einen großen Beitrag zu unserer Entwicklung, während wir gleichzeitig von Partnerschaften und Unterstützung aus verschiedenen Bereichen profitieren.
Im vierten Quartal dieses Jahres haben wir eine Förderung vom niederländischen Klimaministerium bekommen. Neben staatlicher Förderung haben wir akademische Kooperationen mit führenden Institutionen wie der University of Guelph (Kanada), dem KTH Royal Institute of Technology (Schweden), der University of Oxford (UK), der RWTH Aachen University (Deutschland) und der University of Twente (Niederlande) aufgebaut.
Darüber hinaus haben wir eine Vorausvereinbarung zur Kohlenstoffspeicherung mit Stripe und Shopify über Frontier abgeschlossen. Aktuell führen wir Verhandlungen über große kommerzielle Verträge für Material aus unserem ersten Produktionsstandort (geplant für 2027) sowie für unser Demonstrationswerk in Rotterdam (Fertigstellung Q1 2025).
Welche weiteren Innovationen oder Trends siehst du in der Bauindustrie, die zur Reduzierung des CO₂-Ausstoßes beitragen können?
Marta: In der Bauindustrie zeichnen sich derzeit spannende Innovationen ab, die das Potenzial haben, CO2-Emissionen deutlich zu reduzieren. Ein zentraler Fokus liegt auf der Wiederverwendung und dem Recycling von Materialien wie Beton und Stahl, um die Nachfrage nach neuen Rohstoffen zu senken. Durch die Aufbereitung von Materialien aus abgerissenen Gebäuden kann ihre Lebensdauer verlängert und der CO2-Fußabdruck neuer Bauprojekte erheblich verringert werden.
Ein weiterer vielversprechender Ansatz ist das modulare Bauen und die Vorfertigung von Bauelementen. Diese Methoden optimieren den Materialeinsatz, minimieren Abfälle und reduzieren Transportemissionen, indem Bauteile in kontrollierten Umgebungen außerhalb der Baustelle zusammengesetzt werden.
Zudem eröffnet der Einsatz von intelligenten Technologien, wie KI-gestütztem Energiemodelling und fortschrittlichen Kohlenstoffbilanz-Tools, neue Möglichkeiten zur Planung und Umsetzung von energieeffizienten Gebäuden. Zusammen mit innovativen Ansätzen wie Paebbls CO2-Speicherlösungen, schaffen diese Technologien eine solide Grundlage für eine nachhaltige Zukunft im Bauwesen.
Miki, warum hat sich Aurum Impact entschieden, in ein hardware-intensives Startup wie Paebbl zu investieren?
Miki: Paebbl passt hervorragend in unseren thematischen Fokus für direkte Startup-Investments. Das Unternehmen überzeugt mit einer bahnbrechenden Materialinnovation, die nicht nur eine vielversprechende Lösung für die Dekarbonisierung von Zement darstellt, sondern auch ein idealer Partner für Goldbeck ist, die dieses Ziel strategisch vorantreiben.
Paebbl hat unser strenges Screening erfolgreich durchlaufen, das eine umfassende Due-Diligence-Prüfung zu Impact-Kriterien, ESG-Aspekten und regelmäßigen Reportings umfasst. Noch entscheidender war jedoch, dass Paebbl’s Innovation in den Produktionsstätten von Goldbeck intensiv getestet wurde, was uns die Möglichkeit gab, uns aus erster Hand von der Machbarkeit des Projekts zu überzeugen.
Nicht zuletzt hat uns das Team rund um Marta und Andreas von Anfang an begeistert. Sie haben in kürzester Zeit gezeigt, dass sie nicht nur eine große Vision verfolgen, sondern diese auch entschlossen und wirkungsvoll umsetzen. Dabei sind sie unglaublich smart und sympathisch.
Wir scheuen uns nicht, in hardware-intensive Startups zu investieren – im Gegenteil, genau hier sehen wir eine Schlüsselrolle für Family Offices wie unseres.
Die Skalierung von Hardware ist eine große Herausforderung, da technologische Reife, Kundennachfrage und Finanzierung eng miteinander verzahnt sein müssen. Mit unserer langfristigen Perspektive und einem starken Netzwerk sind wir in der Lage, Paebbl beim Markteintritt und bei der Kundengewinnung gezielt zu unterstützen. Über das Aurum Impact-Netzwerk bieten wir außerdem eine solide Basis für weiteres Wachstum.
In Europa steht die CapEx-Finanzierung von hardware-intensiven Startups derzeit vor der sogenannten „First-of-a-Kind“-Herausforderung (FOAK), die weder durch traditionelle Venture-Capital- noch Projektfinanzierungsmodelle abgedeckt wird. Genau hier sehen wir unsere Stärke: Wir füllen diese Lücke und schaffen die Voraussetzungen für nachhaltigen Erfolg.
Was sind aus Ihrer Sicht die zentralen Erfolgsfaktoren, um ein Startup wie Paebbl großflächig zu skalieren?
Miki: An erster Stelle stehen technologische Exzellenz und die Fähigkeit zur kontinuierlichen Innovation. Nur durch ständige Weiterentwicklung und Verbesserung der Technologie kann man langfristig wettbewerbsfähig bleiben und sich etablieren.
Ebenso wichtig sind strategische Partnerschaften mit Akteuren aus der Industrie. Kooperationen mit etablierten Bauunternehmen und anderen relevanten Partnern ermöglichen nicht nur eine breite Marktdurchdringung, sondern schaffen auch Vertrauen und Akzeptanz.
Effizientes Marketing und eine klare und überzeugende Kommunikation der Vorteile sind ebenfalls wichtig. Dies hilft, potenzielle Kunden und Investoren für die Vision des Unternehmens zu gewinnen und den Mehrwert sichtbar zu machen.
Und nicht zuletzt: Ein agiler, kundenorientierter Ansatz, der es ermöglicht, auf neue Chancen schnell zu reagieren und Hindernisse frühzeitig zu überwinden. Genau das ist für eine erfolgreiche Skalierung entscheidend.
Welche Hindernisse müssen überwunden werden, um CO₂-negative Materialien zum neuen Standard in der Bauwirtschaft zu machen?
Miki: Ein großes Problem sind regulatorische Hürden und fehlende Anreize für den Einsatz neuer Technologien. Oft sind die Vorschriften noch auf traditionelle Materialien und Prozesse ausgerichtet, was die Einführung innovativer und nachhaltiger Alternativen erschwert.
Ein weiteres Hindernis ist die konservative Haltung innerhalb der Bauwirtschaft. Viele Unternehmen stehen Veränderungen skeptisch gegenüber, insbesondere wenn diese mit Unsicherheiten oder der Umstellung etablierter Prozesse verbunden sind. Um diese Haltung zu überwinden, bedarf es nicht nur der Aufklärung, sondern auch des konkreten Nachweises der Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit neuer Materialien und Technologien.
Hinzu kommen die hohen Anfangskosten, die oft mit der Umstellung verbunden sind. Diese können insbesondere für kleinere Unternehmen eine Herausforderung darstellen. Um diese Hindernisse zu überwinden, sind Investitionen in die Forschung, Subventionen und finanzielle Anreize erforderlich, um den Übergang zu erleichtern und die breite Verwendung von kohlenstoffarmen Materialien zu fördern.
Bild: Miki Yokoyama von Aurum Impact @Aurum Impact und Paebbl
Wir bedanken uns bei Miki Yokoyam und Marta Sjögren für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.