plusX: Freitzeitgutscheine mit denen finanziell benachteiligte Menschen die Möglichkeit bekommen Freizeitaktivitäten zu nutzen
Stellen Sie sich und das Startup plusX doch kurz unseren Lesern vor!
Ich bin Felix und habe im April 2020 mit plusX mein zweites Startup gegründet. Neu ist, dass es diesmal ein Social-Startup ist und dass ich zunächst allein gegründet habe. Zum Glück werde ich mittlerweile von Anuschaa, Olga und Daniel unterstützt.
Mit den Freizeitgutscheinen von plusX ermöglichen wir Menschen, die finanziell benachteiligt sind, den Zugang zu Freizeitaktivitäten. Wir sind der Überzeugung, dass die Teilhabe an Freizeitaktivitäten gerade für Kinder- und Jugendliche ein zentraler Bestandteil des Aufwachsens ist und einen Beitrag zur Chancengleichheit – auch in anderen Bereichen – leistet. Deswegen haben wir mit plusX eine Plattform geschaffen, auf der finanziell benachteiligte Menschen die Freiheit bekommen, ihre Freizeit selbst zu gestalten.
„Menschen, die finanziell benachteiligt sind“ mag für viele sehr abstrakt klingen, aber tatsächlich wächst in Deutschland jedes fünfte Kind in Armut auf. Man muss also nicht in die weite Welt schauen, Armut gibt es auch direkt vor der eigenen Haustür.
Warum haben Sie sich entschieden ein Unternehmen zu gründen?
In meinem vorherigen Job in einem deutschen Großkonzern habe ich zunächst viele positive Lernerfahrungen sammeln können. Nach einer gewissen Zeit und mit zunehmender Verantwortung wuchs in mir die Unzufriedenheit mit den Gegebenheiten des Umfelds und ich entschied mich dazu zu kündigen. So begann eine Phase geprägt von vielen Fragen:
Wofür mache ich meine Arbeit hier eigentlich? Wofür setze ich meine Fähigkeiten ein, die ich über die Jahre gesammelt habe? Was möchte ich erreichen und welchen Zweck soll meine Arbeit erfüllen? Warum bist du auf dieser Welt?
Mir ist klar geworden, dass ich einen gesellschaftlichen Mehrwert mit meiner Arbeit leisten will. Klar, streng volkswirtschaftlich genommen liefert jede Arbeit einen gesellschaftlichen Mehrwert, aber ich möchte einen kleinen Beitrag zu dieser Welt leisten, der in meinem Einflussbereich liegt.
Es macht mir Spaß Dinge zu bauen, die Probleme lösen und die anderen oder auch mir selbst eine Freude machen. Ich habe in meinem ersten Startup gemerkt, dass es großartig ist zu sehen wie die eigene Idee zum Leben erweckt wird und von Nutzern angenommen wird.
Wie ich aufgewachsen bin, welche Erfahrungen ich gemacht habe, unsere Wertegemeinschaft und die Chance alle möglichen Dinge auszuprobieren haben mich zu dem gemacht, der ich heute bin. Dafür bin ich sehr dankbar und ich bin der Überzeugung, dass jeder diese Möglichkeiten haben sollte!
Mit plusX möchte ich genau dort ansetzen und jedem die Möglichkeit geben sich als Teil der Gesellschaft zu fühlen und Dinge auszuprobieren.
Welche Vision steckt hinter plusX?
Unsere Vision ist es einen Beitrag dazu zu leisten, die Schere zwischen Arm und Reich zu verkleinern.
Wir sind der Überzeugung, dass die Teilhabe an Freizeitaktivitäten gerade für Kinder- und Jugendliche ein zentraler Bestandteil des Aufwachsens ist und einen Beitrag zur Chancengleichheit – auch in anderen Bereichen – leistet. Wer beim Freibadbesuch im Sommer mit den Klassenkameraden dabei sein kann, hat auch bessere Chancen erfolgreich in der Schule zu sein, weitere soziale Kontakte zu knüpfen und sich selbst als Teil einer Gemeinschaft zu sehen. Nicht an solchen Aktivitäten teilzunehmen hat erhebliche Folgen für Aufwachsen, Wohlbefinden, Bildung und Zukunftschancen der Kinder.
Jeder sollte die Möglichkeit haben seine Freizeit aktiv und selbstbestimmt zu gestalten. Bei plusX legen wir Wert darauf, dass finanziell benachteiligte Menschen sich selbst aussuchen können, welche Gutscheine sie in Anspruch nehmen – so wie es auch derjenige tut, der es sich leisten kann.
Von der Idee bis zum Start was waren bis jetzt die größten Herausforderungen und wie haben Sie sich finanziert?
Ganz am Anfang war die größte Herausforderung sich dauerhaft allein zu motivieren. In einem Team schafft man es sich gegenseitig zu motivieren und mit zu ziehen. Darüber hinaus war es schwierig alle Schritte allein durchzudenken und niemanden dabei zu haben, der im Thema steckt und als Sparrings-Partner dient. Glücklicherweise habe ich jetzt ein großartiges Team, mit dem ich mich zu allen Fragestellungen austauschen kann und in dem viele Entscheidungen gemeinsam getroffen werden. Ohne finanzielle Mittel war es gar nicht leicht, ein Team aufzubauen, was uns zum nächsten Problem bringt: die Finanzierung
plusX ist eine gemeinnützige Organisation und damit für klassische Investoren relativ uninteressant. So blieb uns nichts anderes übrig, als uns aus der eigenen Tasche zu finanzieren. plusX ist komplett aus Eigenleistung entstanden. Aus meiner Sicht ist das Thema Finanzierung ein besonderes Problem für Social-Startups und ich würde mir wünschen, dass die Politik die gute Idee von Social Impact Bonds weniger bürokratisch gestaltet, Einstiegshürden beseitigt und damit auch Social-Startups für Investoren interessant macht.
Aktuell ist die Corona-Pandemie eine besondere Herausforderung für uns. Unsere Freizeitanbieter kämpfen zum Teil ums Überleben, potenzielle neue Anbieter haben anderen Sorgen als Teil eines gemeinnützigen Projektes zu werden und wiederum andere sind aufgrund der Auflagen und der einhergehenden beschränkten Kapazität bis Ende nächsten Jahres ausgebucht. Da aktuell keine Freizeitgutscheine eingelöst werden können, arbeiten wir mit Hochdruck daran Online‑Angebote auf unserer Plattform zu integrieren.
Wer ist die Zielgruppe von plusX?
Grundsätzlich richtet sich plusX an alle finanziell benachteiligten Menschen. Noch sind wir nur in Köln aktiv, aber planen unser Angebot auf weitere Städte auszuweiten.
Unser Angebot wird bisher vor allem von alleinerziehenden Müttern angenommen. Oftmals sind diese berufstätig, aber verdienen nicht genügend Geld, um ihren Kindern beispielsweise den Besuch in der Kletterhalle zu ermöglichen. Wir freuen uns mit den Familien und unseren Spendern gemeinsam über jeden Gutschein, der genau solche Erlebnisse ermöglicht.
Wie funktioniert plusX? Wo liegen die Vorteile? Was unterscheidet Sie von anderen Anbietern?
plusX funktioniert besonders einfach in drei Schritten:
- Ein Spender spendet online oder vor Ort einen freien Betrag oder eine spezifische Aktivität (z.B. Kinderkletterkurs)
- Ein bedürftiger Mitmensch registriert sich online unter Vorlage seines Sozialpasses und reserviert einen Gutschein
- Dieser Empfänger löst seinen Gutschein vor Ort beim Freizeitanbieter ein und im gleichen Moment bekommt der Spender die Nachricht, dass seine Spende angekommen ist
Bezogen auf den Spender unterscheiden wir uns von anderen Spendenorganisationen in drei Punkten. Der prägnanteste ist vermutlich das Live-Feedback über die Wirkung der eigenen Spende, denn ich bekomme als Spender sofort mit, wenn meine Spende genutzt wird. plusX ist zudem so transparent wie keine andere Organisation. Im persönlichen Dashboard kann jederzeit exakt nachverfolgt werden welche Gutscheine von einer Spende gekauft und eingelöst wurden. Eine weitere Besonderheit liegt darin, dass wir unsere Verwaltungskosten nicht über den Spender finanzieren. 100% der Spende kommen dem Zweck zugute. Ob man einem Kind 10€ für das Kino in die Hand drückt oder online auf plusX einen Gutschein für 10€ spendet, kommt auf das Gleiche hinaus.
Für Bedürftige ist plusX ebenfalls eine Neuheit. Im Gegensatz zu bisherigen Vergünstigungen durch Sozialpässe, sind die Gutscheine von plusX kostenlos. Das ist wichtig, denn oftmals kann sich die Zielgruppe nicht einmal den Bus zur Veranstaltungsstätte leisten. Abgesehen davon ist die Zielgruppe nicht darauf angewiesen, dass eine Organisation etwas für sie organisiert und anbietet, sondern kann auf der Plattform selbstbestimmt entscheiden wie die persönliche Freizeitgestaltung aussehen soll. Das Einlösen der Gutscheine erfolgt dabei anonym, so dass Bedürftige nicht wie Bittsteller wirken. Das bedeutet, dass der Empfänger vor Ort nicht nochmal seinen Sozialpass zeigen muss, in dem viele persönliche Angaben stehen wie, der Wohnort, Dauer der Bedürftigkeit oder Alter.
plusX, wo geht der Weg hin? Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Im Unterschied zu anderen Startups wäre es für uns eigentlich am besten, wenn es uns in 5 Jahren nicht mehr geben müsste, weil das Problem von Armut beseitigt ist. Da diese Entwicklung weder abzusehen noch innerhalb von 5 Jahren realistisch zu erreichen ist, wünschen wir uns bis zu diesem Zeitpunkt in vielen deutschen und vielleicht auch weiteren europäischen Städten einen Beitrag zu mehr Chancengleichheit zu leisten.
Zum Schluss: Welche 3 Tipps würden Sie angehenden Gründern mit auf den Weg geben?
- Suche die Unterstützung von anderen. Gemeinsam lässt sich oft mehr bewegen!
- Hole dir früh Feedback zu deiner Idee ein und versuche dabei vor allem kritische Stimmen einzuholen, um deine Idee weiter zu schärfen
- Bleibe authentisch und verfolge die Themen, die dir wichtig sind!
Weitere Informationen finden Sie hier
Wir bedanken uns bei Felix Jakob Meuer für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder