reuse.me ist eine Plattform, die durch innovative Mehrwegverpackungen nachhaltige Lösungen für den E-Commerce bietet und so aktiv zur Müllvermeidung beiträgt.
Könnten Sie uns zu Beginn eine kurze Vorstellung von reuse.me geben und erzählen, wer hinter dem Unternehmen steht?
reuse.me ist eine digitale Plattform, die sich auf die Rückgabe und Rückführung von Mehrwegverpackungen spezialisiert hat. Ziel ist es, nachhaltige Lösungen für Verpackungen im E-Commerce und darüber hinaus zu entwickeln und umzusetzen. Mein Name ist Rudolf Siegle, ich bin Gründer und Geschäftsführer von reuse.me. Bevor ich reuse.me gegründet habe, war ich über 11 Jahre in der E-Commerce-Logistik tätig, darunter fünf Jahre bei Amazon und sechs Jahre bei dm-drogerie markt. Dort war ich unter anderem zuletzt für den Einkauf und die Entwicklung von Verpackungsmaterialien im E-Commerce verantwortlich.
Da das Thema Verpackungen nicht nur ein Unternehmensproblem, sondern ein branchenweites Problem darstellt, habe ich vor etwa drei Jahren reuse.me ins Leben gerufen. Ich habe ein Team aus Experten zusammengestellt, das gemeinsam daran arbeitet, innovative Lösungen für die Verpackungsproblematik im E-Commerce zu entwickeln. Unser Ansatz geht jedoch noch weiter: reuse.me soll langfristig als Plattform für jede Art von Mehrwegverpackung dienen.
Welche Vision verfolgt reuse.me und welche konkreten Schritte werden unternommen, um diese Vision zu verwirklichen?
Die Vision von reuse.me ist es, Einwegverpackungen zu reduzieren und so aktiv zur Müllvermeidung und Ressourcenschonung beizutragen. Unser Ziel ist es, ressourcenschonende Alternativen zu entwickeln, die mehrfach verwendet werden können, und gleichzeitig ein Umdenken in der Gesellschaft anzustoßen. Damit diese Vision Realität wird, müssen wir nicht nur wiederverwendbare Verpackungen anbieten, sondern vor allem ein benutzerfreundliches Rückgabesystem etablieren, das die Teilnahme für Endverbraucher attraktiv macht. Ein entscheidender Schritt hierbei ist die Schaffung bequemer Rückgabemöglichkeiten und eines Anreizsystems, das die Rückgabe fördert. Klassische Methoden wie Pfandsysteme oder Couponing spielen dabei eine zentrale Rolle, um die Kunden zur aktiven Teilnahme zu motivieren.
Um dies konkret umzusetzen, bauen wir ein eigenes Netzwerk an Rücknahmestellen auf, das im ersten Schritt 2000 Standorte in Deutschland umfassen wird. Darüber hinaus haben wir die digitale Plattform reuse.me entwickelt, die aus mehreren Komponenten besteht: einer App für Endkunden, über die jede Art von Belohnung ausgespielt werden kann, einer App für unsere drop points, die eine effiziente Kreislauflogistik ermöglicht, und einem Admin-Panel, mit dem wir alle Prozesse überwachen und nachverfolgen können, wie oft unsere Verpackungen zirkulieren und wie nachhaltig sie im Vergleich zu Einwegverpackungen sind.
Wer zählt zu Ihrer Zielgruppe und wie stellen Sie sicher, dass reuse.me deren spezifische Bedürfnisse optimal erfüllt?
Unsere Zielgruppe umfasst nicht nur nachhaltige Online-Shops, wie man vielleicht zunächst vermuten könnte, sondern jede Art von Versender. Jeder, der Pakete verschickt, kann von unserer Lösung profitieren, da unsere Mehrwegverpackungen nicht nur umweltfreundlich sind, sondern auch wirtschaftliche Vorteile bieten. Unser Ansatz ist es, nicht nur nachhaltiger zu agieren, sondern zugleich eine ökonomisch sinnvolle Alternative anzubieten.
Wichtig ist uns dabei insbesondere die Zielgruppe im Einkauf, da hier die Entscheidungen getroffen werden, die sowohl ökologische als auch wirtschaftliche Faktoren berücksichtigen. Jeder Cent, der zusätzlich ausgegeben wird, muss gut begründet sein. Daher legen wir großen Wert darauf, dass unsere Mehrweglösungen auch wirtschaftlich attraktiv sind und langfristig Kosten einsparen können. So stellen wir sicher, dass unsere Lösungen nicht nur der Umwelt, sondern auch den finanziellen Bedürfnissen unserer Zielgruppe gerecht werden.
Was waren bisher die größten Herausforderungen, denen Sie begegnet sind und wie haben Sie diese gemeistert?
Die größte Herausforderung war das Henne-Ei-Problem, das wir zu Beginn lösen mussten. Um unsere Mehrwegverpackungen im Kreislauf zu führen, brauchten wir ein eigenes Netzwerk von Rücknahmestellen. Anders als bei Wettbewerbern war es für uns keine Option, die Verpackungen als Paket oder Brief zurückzuschicken, da dies zusätzliche Kosten von zwei bis drei Euro pro Verpackung verursacht hätte. Stattdessen wollten wir die Verpackungen an Rücknahmestellen konsolidieren und effizient über eine Kreislauflogistik zurückführen.
Um diese Rücknahmestellen zu aktivieren, brauchten wir jedoch gleichzeitig Versender, die unsere Verpackungen nutzen. Anfangs setzten wir stark auf strategische Partner, die sowohl ein Filialnetzwerk als auch eigene Versandprozesse haben. Doch die Entscheidungsfindung in großen Unternehmen erwies sich oft als langwierig. Daher haben wir uns im letzten Jahr dazu entschieden, die Akquise der Rücknahmestellen und der Onlinehändler eigenständig in die Hand zu nehmen. Diese Entscheidung ermöglichte es uns schließlich, Ende letzten Jahres erfolgreich am Markt zu starten.
Was unterscheidet reuse.me von anderen Unternehmen in derselben Branche?
Was reuse.me von anderen Unternehmen in der Branche unterscheidet, ist unser Ansatz, der sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll ist. Während viele unserer Mitbewerber Verpackungen entwickeln, die für zahlreiche Kreisläufe ausgelegt sind, brauchen diese auch mehr Zyklen, um einen ökologischen Vorteil zu erzielen. Unsere Verpackungen hingegen erreichen bereits bei der ersten Wiederverwendung eine CO₂-Einsparung von bis zu 39%.
Ein weiterer wesentlicher Unterschied ist unser umfassendes Netzwerk an Rücknahmestellen, das uns ermöglicht, die Verpackungen effizient zu konsolidieren und so wirtschaftlich konkurrenzfähig zu bleiben. Dadurch können unsere Verpackungen preislich mit Einwegverpackungen mithalten. Andere Unternehmen setzen hingegen auf den Rückversand per Paket oder Brief, was zusätzliche Kosten von zwei bis drei Euro pro Verpackung verursacht. Mit unserem Modell der Kreislauflogistik vermeiden wir diese Mehrkosten und bieten somit eine nachhaltige und gleichzeitig wirtschaftliche Lösung an.
Wie planen Sie, Ihr Unternehmen in den nächsten Jahren weiterzuentwickeln und welche großen Meilensteine streben Sie an?
Wir befinden uns aktuell in einer spannenden Phase: Nach der erfolgreichen Produktentwicklung können wir nun sicher sagen, dass unsere Lösung funktioniert. Der nächste große Meilenstein ist es, die Endkonsumenten davon zu überzeugen, dass Mehrwegverpackungen nicht nur ökologisch sinnvoller sind, sondern auch die Rückgabe an Rücknahmestellen attraktiver ist, als die Verpackungen im Altpapier oder gelben Sack zu entsorgen.
Vor dieser Aufgabe haben wir großen Respekt, denn es ist herausfordernd, das Verhalten der Konsumenten zu ändern. Unser Ansatz ist es, Nachhaltigkeit nicht mit Verzicht oder Zusatzkosten zu verbinden, sondern mit positiven Erlebnissen. In unseren Rücknahmestellen wollen wir den Endkunden einen Moment der Freude bieten, sodass sie gerne wiederkommen und aktiv an der Kreislaufwirtschaft teilnehmen. Wenn wir es schaffen, dass die Konsumenten dieses Gefühl bevorzugen, anstatt das schlechte Gewissen bei der Entsorgung im Altpapier oder gelben Sack, können wir den Markt nachhaltig verändern.
Das Ziel ist es also, die Mehrwegnutzung für die Konsumenten so attraktiv und einfach wie möglich zu gestalten. Dies wird uns helfen, den Markt langfristig zu transformieren und die Akzeptanz für Mehrwegsysteme erheblich zu steigern.
Wie stellen Sie sicher, dass Ihre nachhaltige Ausrichtung bei Ihren Kunden auch wirklich ankommt und verstanden wird?
Das Schlüsselwort ist Kommunikation. Wir haben frühzeitig die Nachhaltigkeit unserer Verpackungen durch Lebenszyklusanalysen in Zusammenarbeit mit der Hochschule Pforzheim untersucht und transparent gemacht. Jede unserer Verpackungen trägt eine eindeutige reuse.me ID, mit der nachverfolgt werden kann, wie oft sie im Kreislauf geführt wurde und wie nachhaltig sie im Vergleich zu Einwegverpackungen ist. So können wir unseren Kunden konkret zeigen, welchen positiven Beitrag sie leisten.
Selbst wenn der Endkonsument den Mehrwert nicht vollständig versteht, bleibt unser System umweltfreundlich. Sollte die Verpackung im Altpapier entsorgt werden, wird sie recycelt und der Umwelt wird kein Schaden zugefügt. Allerdings kann die Umwelt mit jeder zurückgegebenen Verpackung nur gewinnen, da so der Kreislauf gestärkt wird.
Können Sie uns einige Einblicke in die technologischen und organisatorischen Innovationen geben, die reuse.me einzigartig machen?
Die Einzigartigkeit des reuse.me Kreislaufsystems liegt in unserer effizienten Kreislauflogistik und den digitalen Lösungen, die wir entwickelt haben. Von Anfang an war uns klar, dass das Verpackungsproblem nicht allein durch nachhaltige Verpackungen gelöst werden kann. Daher haben wir ein System aufgebaut, das es ermöglicht, Verpackungen nicht nur zurückzuführen, sondern sie auch dort wiederzuverwenden, wo sie abgegeben wurden.
Ein Kernbestandteil dieses Systems ist unser Netzwerk an drop points, an denen Kunden ihre Verpackungen zurückgeben können. Diese Verpackungen können entweder direkt wiederverwendet oder für einen geringen Preis von einem Euro an Endkunden verkauft werden, die beispielsweise für Plattformen wie Etsy oder eBay Kleinanzeigen regelmäßig Kartons benötigen.
Sollten Verpackungen an einem drop point nicht wiederverwendet werden können, werden sie in Transportkisten gebündelt und zurück an uns geschickt. Diese Logistikstruktur ermöglicht es uns, Verpackungen effizient zu managen und den Kreislauf wirtschaftlich sinnvoll zu betreiben.
Zusätzlich haben wir die reuse.me App entwickelt, die es Endkunden ermöglicht, Verpackungen einfach und bequem abzugeben. Die App bietet verschiedene Anreizsysteme wie Pfand, Coupons oder Punktesysteme und hilft den Nutzern, die nächstgelegene Rücknahmestelle zu finden und ihre Verpackungen unkompliziert zurückzugeben. Diese technologische und organisatorische Kombination macht reuse.me zu einem einzigartigen und nachhaltigen System.
Was motiviert Sie und Ihr Team täglich, an der Vision von reuse.me weiterzuarbeiten? Was war der wichtigste Moment in Ihrem bisherigen Reiz mit reuse.me und wie hat dieser Ihre Strategie nachhaltig geprägt?
Die größte Motivation für mich und mein Team sind die Menschen, die an der Vision von reuse.me mitwirken und sie unterstützen. Dazu zählen nicht nur unser eigenes Team und meine Partner, sondern auch die Betreiber unserer drop points, unsere Kunden, Produzenten und all jene, die uns ermutigen und zeigen, dass unser Weg richtig und sinnvoll ist. Es sind die Menschen, die den Wandel vorantreiben, und ihre positive Rückmeldung bestärkt uns täglich in unserem Tun.
Der wichtigste Moment für uns ist daher nicht ein einzelnes großes Ereignis, sondern die vielen kleinen Anerkennungen und Zusprüche. Die wir immer wieder erhalten. Diese häufigen positiven Rückmeldungen sind für uns wertvoller als ein einziger Meilenstein und haben unsere Strategie nachhaltig geprägt. Sie zeigen uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind und motivieren uns, kontinuierlich an unserer Vision zu arbeiten.
Welchen drei Ratschläge würden Sie angehenden Gründern geben, die ebenfalls in einer nachhaltigen Branche Fuß fassen möchten?
Durchhaltevermögen: Der Weg in der Gründung, besonders in der nachhaltigen Branche, ist oft länger und herausfordernder, als man sich vorstellt. Es ist wichtig, beharrlich zu bleiben und sich nicht entmutigen zu lassen.
Unabhängige Geschäftsmodelle entwickeln: Versuchen Sie, Geschäftsmodelle zu entwickeln, die Sie aus eigener Kraft und mit Ihren eigenen Mitteln umsetzen können. Unabhängigkeit gibt Ihnen die Flexibilität, Ihre Vision ohne externe Einflüsse zu verfolgen.
Austausch suchen: Umgeben Sie sich sowohl mit gleichgesinnten Menschen, die Sie unterstützen und inspirieren, als auch mit kritischen Stimmen, die Ihnen helfen, die Herausforderungen und den Umfang der notwendigen Veränderungen besser zu verstehen. Dieser Austausch ist entscheidend, um zu erkennen, dass Sie nicht allein sind und um von den Erfahrungen anderer zu lernen.
Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit mit Partnern oder Investoren in der Wachstumsstrategie von reuse.me?
Die Zusammenarbeit mit Partnern und Investoren ist für die Wachstumsstrategie von reuse.me von zentraler Bedeutung. Sie sind ebenso wichtig wie unsere Endkonsumenten, Großkunden und drop points, die das System erst möglich machen. Die Umsetzung unserer Idee hängt maßgeblich von den Menschen ab, die täglich Entscheidungen für eine nachhaltige Zukunft treffen.
Im Hinblick auf Investoren ist ihre Rolle besonders entscheidend, da wir ein enormes Marktpotenzial haben. In Deutschland werden jährlich viereinhalb Milliarden Pakete versendet, und das Vereinigte Königreich hat ein ähnliches Marktvolumen. Weltweit sind es sogar 131 Milliarden Pakete pro Jahr. Um in diesem großen Markt schnell zu wachsen, planen wir mehrere Finanzierungsrunden. Diese werden es uns ermöglichen, unser Geschäftsmodell zügig zu skalieren und effektiv umzusetzen. Um unser Ziel einer nachhaltigeren Verpackungslösung zu erreichen.
Wir bedanken uns bei Rudolf Siegle und Bastian Gegenheimer für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.