Rulemapping Group entwickelt innovative Technologien, um komplexe Prozesse in Verwaltung, Wirtschaft und Justiz effizienter, transparenter und nachvollziehbarer zu machen
Können Sie uns Rulemapping und die Geschichte hinter der Gründung des Unternehmens näherbringen?
Ina Remmers: Die Idee hinter der Rulemapping Group entstand auf einem Stück Papier. Unser Mitgründer Stephan Breidenbach stand als Jura-Professor vor über dreißig Jahren vor der Herausforderung, seinen Studierenden juristische Denkprozesse verständlich zu erklären. Um die Komplexität von Gesetzestexten greifbar zu machen, zeichnete er deren Elemente und Verbindungen auf. Dass daraus mal eine Sprunginnovation werden sollte, war ihm damals gar nicht bewusst.
Till Behnke: Was als Lehrmethode begann, hat sich zu einer Technologie entwickelt, die das Potenzial hat, die gesamte Bürokratie zu transformieren. Momentan wird sie punktuell in der Gesetzgebung, Verwaltung und Wirtschaft eingesetzt. Mit der Rulemapping Group heben wir die Methode jetzt auf ein neues Level, um digitalfähige Gesetzgebung zu ermöglichen und komplette Verfahren vom Antrag bis zum Bescheid zu automatisieren.
Was war der Antrieb, die Rulemapping Group zu starten, und welche Vision verfolgen Sie mit Ihrem Unternehmen?
Till Behnke: Für uns stand schon immer das Miteinander im Vordergrund. 2015 haben Ina und ich nebenan.de gegründet, um die Gemeinschaft in Nachbarschaften zu stärken. Das Miteinander besser zu gestalten, treibt uns bis heute an. Jetzt wollen wir mit der Rulemapping Group dafür sorgen, dass dieses Miteinander auch funktioniert. Denn wir sind überzeugt, dass es Regeln und Gesetze braucht, um unser Zusammenleben zu strukturieren. Aktuell sorgt die langsame Bürokratie jedoch mehr für Frust, als dass sie uns nützt. Mithilfe einer effizienten Bürokratie wollen wir das Vertrauen in den Staat und die Demokratie stärken.
Wer gehört zur Hauptzielgruppe der Rulemapping Group, und wie unterstützen Ihre Lösungen diese dabei, ihre Herausforderungen zu bewältigen?
Ina Remmers: Alle, die mit Gesetzen und Regeln arbeiten – insbesondere in den Bereichen Verwaltung, Wirtschaft und Justiz. Die Verwaltung kämpft mit einem hohen bürokratischen Aufwand, Unternehmen müssen enorme Ressourcen aufbringen, um neue Gesetze in ihre Prozesse zu integrieren und die Justiz steht vor einer massiven Überlastung durch Personalmangel.
Genau hier setzt Rulemapping an: Mit unserer Technologie visualisieren und automatisieren wir komplexe, regelbasierte Prozesse. In der Verwaltung bedeutet das beispielsweise die Bearbeitung von Bauanträgen, Windkraftgenehmigungsverfahren oder Steuerregelungen. In Unternehmen helfen wir dabei, Richtlinien und Informationspflichten effizient und regelkonform umzusetzen. Und in der Justiz unterstützt unsere Methode bei der Strafverfolgung und assistiert Richterinnen und Richtern bei ihrer Arbeit.
Dabei geht es uns zum einen um Geschwindigkeit und zum anderen um die Verlässlichkeit und Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen. Rulemapping stellt sicher, dass Entscheidungen regelkonform, transparent und vertrauenswürdig sind. So machen wir die Bürokratie für alle Beteiligten effizienter.
Welche Herausforderungen begegnen Ihnen aktuell im Bereich der Regulierungs- und Compliance-Lösungen, und wie geht die Rulemapping Group damit um?
Till Behnke: Das größte Problem bei allen Lösungen, die mit Gesetzen arbeiten, ist die Komplexität. Gesetze sind nicht leicht verständlich, weisen viele verschiedene Bedingungen auf und sind oft miteinander verwoben. Das heißt, wenn ein neues Gesetz verabschiedet wird, ist es für viele Juristinnen und Juristen in Verwaltungen und Unternehmen herausfordernd, damit zu arbeiten. Unsere Rulemaps reduzieren Komplexität, indem sie Entscheidungswege visualisieren – wie eine digitale Landkarte. Die einzelnen Bausteine erleichtern wiederum die Verknüpfung mit anderen und neuen Gesetzen.
Was unterscheidet die Rulemapping Group von anderen Anbietern auf dem Markt für Regulierungsmanagement?
Ina Remmers: Alle Anbieter im Bereich der Prozessautomatisierung setzen auf BPMN, eine Methode, die für betriebswirtschaftliche Prozesse auch tolle Arbeit leistet. Jedoch ist sie für die Entscheidungsunterstützung in komplizierten Verfahren nicht geeignet. Der fundamentale Unterschied zu Rulemapping liegt deshalb in der Logik, auf der sie basiert: Rulemapping basiert auf der juristischen Denkweise. Dadurch können wir selbst komplizierteste Gesetzestexte visualisieren und die Arbeit mit den Gesetzen, zum Beispiel in der Verwaltung, Ende-zu-Ende automatisieren. Unsere Rulemaps stellen sicher, dass Entscheidungen wie die Genehmigung einer Windkraftanlage oder die Prüfung von Tatbeständen in Gerichten jederzeit nachvollziehbar sind und zu widerspruchsfreien Ergebnissen führen.
Till Behnke: Zusätzlich können wir mit unserer Rule Based AI – dem einzigartigen Zusammenspiel von KI und unseren Rulemaps – Entscheidungsprüfungen beschleunigen und intelligenter machen. Das Besondere dabei ist: Wir stellen die KI nicht vor die Aufgabe, einen gesamten Antrag auf beispielsweise Kindergeld zu prüfen, sondern können sie mit der Rulemap an ganz bestimmten Knotenpunkten zu Rate ziehen. Das macht die KI regelgeleitet, verhindert Halluzinationen und macht die Entscheidung an jedem Knotenpunkt nachvollziehbar.
Wie stellen Sie sicher, dass die Produkte der Rulemapping Group auch langfristig den sich ändernden Anforderungen und Gesetzen gerecht werden?
Ina Remmers: Mit der Rulemapping-Methode setzen wir bereits bei der Entstehung von Gesetzen an. Sie hilft dabei, bessere Gesetze und Regelwerke zu entwickeln, indem sie Fehler, Widersprüche oder fehlende Verbindungen zu anderen Gesetzen sichtbar macht. So wird die Methode schon heute punktuell in der Gesetzgebung angewendet. Gleichzeitig ermöglicht sie es, die Anwendung neuer Regelungen direkt zu testen, noch bevor sie in Kraft treten. Zudem sind wir flexibel genug, um sich ändernde Anforderungen nahtlos in bestehende Systeme zu integrieren. Da wir Gesetze und Anträge in ihre einzelnen Bestandteile zerlegen, können Änderungen gezielt eingepflegt werden.
Welche Innovationen oder Entwicklungen planen Sie, um Rulemapping weiter auszubauen und in neue Märkte einzutreten?
Ina Remmers: Wir haben kürzlich unsere Rule Based AI zum Patent angemeldet. Sie kombiniert die Stärken von Large Language Models mit einer klaren Regelstruktur. So können wir die Regelkonformität liefern, die vordefinierte Prozesse in Wirtschaft, Verwaltung und Justiz nun einmal erfordern. Zugleich profitieren wir von der Innovationskraft der KI, ohne dabei Halluzinationen zu riskieren. Gerade bei Gesetzen, Anträgen und Genehmigungsverfahren sind nicht die wahrscheinlichsten, sondern die richtigen Entscheidungen wichtig.
Till Behnke: Mit der Rule Based AI können wir unstrukturierte Daten im großen Maßstab prüfen und garantieren, dass der Human-in-the-Loop stets die Kontrolle über die Entscheidungsprozesse behält. Diese Verbindung aus wahrscheinlichkeitsbasierter KI und regelbasierten Rulemaps hebt die Technologie auf ein neues Niveau – zuverlässig, nachvollziehbar und perfekt geeignet für stark regulierte Bereiche. Somit wird das Potenzial von KI endlich nutzbar, mit marktreifen Anwendungen für deterministische Einsatzgebiete.
Wie hat sich die Zusammenarbeit mit Ihren Kunden seit der Gründung verändert, und welchen Stellenwert hat Kundenfeedback für die Rulemapping Group?
Ina Remmers: Seit unserer Gründung legen wir großen Wert darauf, die Anwendungen individuell an die Bedürfnisse unserer Kunden anzupassen. Ein Beispiel sind große Kanzleien und Gerichte, die rund um den Dieselskandal mit Millionen von Klagen zu tun hatten. Wir konnten hier Kläger-, Beklagtenkanzleien und der Justiz in mehreren Bundesländern dabei helfen, mit der Masse umzugehen – und das schon vor der KI-Integration. Dank unserer No-Code Lösung ist diese Anpassung übrigens auch im laufenden Betrieb völlig problemlos und ohne Programmieraufwand möglich. Dieser intensive Austausch ist von Anfang an ein zentraler Bestandteil unserer Zusammenarbeit – und das hat sich bewährt. Kunden, die schon jahrelang mit der Rulemapping-Methode arbeiten, haben maßgeblich dazu beigetragen, die Technologie weiterzuentwickeln.
Welche Meilensteine haben Sie seit der Gründung erreicht, die besonders prägend für die Rulemapping Group waren?
Ina Remmers: Die Patentanmeldung unserer Rule Based AI. Damit haben wir wirklich das Gefühl, das nächste Kapitel der Digitalisierung von regulatorischen Verfahren aufgeschlagen zu haben. Gerade für die Wirtschaft und die Verwaltung sind skalierbare Verfahren, die regelkonform und nachvollziehbar sind, essenziell.
Welche drei Ratschläge würden Sie Gründern geben, die ein technologieorientiertes Startup aufbauen möchten?
Till Behnke: Verliert nie euren Kompass, nur weil ihr Geld braucht. Nicht jedes Investment und jeder Deal sind es wert, schneller zu wachsen.
Ina Remmers: Gründet im richtigen Team. Ihr werdet gemeinsam viele Höhen und Tiefen erleben. Daher ist es wichtig, die Reise mit demselben Werteverständnis zu starten. Zusätzlich solltet ihr darauf achten, dass ihr euch in Kompetenzen, Erfahrungen und Talenten ergänzt und nicht alle denselben Blickwinkel mitbringen – Diversität ist entscheidend.
Till Behnke: Und denkt bei euren Finanzierungen immer langfristig. Ihr solltet mindestens 18 bis 24 Monate ohne erneutes Fundraising auskommen können, um euch auf euer Produkt zu konzentrieren.
Wie sehen Sie die Zukunft des Regulierungsmanagements, und welche Rolle wird die Rulemapping Group darin spielen?
Till Behnke: Rulemapping ist die einzige uns bekannte Methode, die Regeln visuell und nachvollziehbar abbildet und direkt in prüfbare Anwendungen überführt. Als No-Code-Lösung ermöglicht sie es, spezifische Sachverhalte in kürzester Zeit zu konfigurieren. Deshalb kann sie nicht nur das Regulierungsmanagement effizienter machen, sondern auch Lösungen im gesamten GovTech-Bereich.
Ina Remmers: Wir sehen darin das Potenzial, einen echten Durchbruch in der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in Deutschland zu erzielen. Gerade in Zeiten wachsender Komplexität und steigender Anforderungen an Regelkonformität wird die Fähigkeit, Prozesse schnell und transparent zu automatisieren, entscheidend sein. Mit der Rulemapping Group wollen wir eine führende Rolle dabei spielen, diese Transformation voranzutreiben und maßgeblich dazu beitragen, Vertrauen in digitale Verwaltungsprozesse zu schaffen.
Was inspiriert Sie und Ihr Team, immer wieder neue Ansätze für Regelmanagementlösungen zu entwickeln?
Till Behnke: Unser Zusammenleben verändert sich immer schneller und wird durch neue gesellschaftliche und technologische Innovationen immer komplexer. Diese Dynamik fordert uns heraus, ebenso schnell Werkzeuge zu entwickeln, die diesen komplexen Realitäten gerecht werden und sie einfacher machen.
Ina Remmers: Was uns dabei antreibt, ist die Überzeugung, dass Bürokratie nicht nur ein Hindernis ist, sondern das Fundament für gesellschaftlichen Zusammenhalt sein kann – wenn sie funktioniert. Unsere Vision ist es, durch unsere Lösung dafür zu sorgen, dass Mensch und Staat sich trotz zunehmender Politikverdrossenheit wieder annähern und das Vertrauen in die Demokratie gestärkt wird.
Bild Ina Remmers und Till Behnke© Rulemapping Group Fotografin Katja Hentschel
Wir bedanken uns bei Ina Remmers und Till Behnke für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.