SIRPLUS rettet Lebensmittel und verkauft diese in Onlineshops sowie Rettermärkten
Stellen Sie sich und das Startup SIRPLUS doch kurz vor!
SIRPLUS macht das Lebensmittelretten Mainstream, um die Lebensmittelverschwendung von ca. 50% aller importierten und in Deutschland produzierten Lebensmittel drastisch zu senken. Nach vegan, bio und fairtrade etablieren wir gerettete Lebensmittel und machen sie salonfähig. Wir retten überschüssige Lebensmittel, die die Tafeln nicht abholen, bei Produzenten und Großhändlern und verkaufen diese preiswert in unserem Onlineshop sowie 3 Rettermärkten in Berlin. Seit 2017 konnten wir gemeinsam mit 120.000 Kunden bereits über 2 Millionen Kilogramm Lebensmittel vor der Verschwendung bewahren. Durch die Medienaufmerksamkeit konnten wir schon Millionen Menschen für das Thema sensibilisieren, was uns sehr wichtig ist, da die Hälfte der Verschwendung bei uns Menschen in Privathaushalten stattfindet.
Wie ist die Idee zu SIRPLUS entstanden?
Als Raphael Fellmer 2009 erfuhr, dass die Hälfte aller Lebensmittel in Europa verschwendet werden, wurde er zum Mülltaucher. 2010 begann er seinen 5 ½ jährigen Geldstreik, um Bewusstsein für die Lebensmittelverschwendung zu schaffen. Seit 2011, als Raphael die Lebensmittelretter-Bewegung (später foodsharing) gegründet hat, haben er und Martin Schott an der Mission gearbeitet, die Lebensmittelverschwendung zu beenden. Diese Zeit war eine ganz besondere und wir sind unglaublich stolz auf das, was die foodsharing-Bewegung mit mittlerweile über 60.000 Ehrenamtlichen auf die Beine gestellt und an gesellschaftlicher Wirkung erzielt hat.
Nach ein paar Jahren hatte sich foodsharing gut etabliert und das Modell, dass freiwillige Menschen kistenweise von Supermärkten, Bäckereien, Restaurants etc. abholen, funktionierte auch in großem Maßstab gut. So haben wir uns Gedanken gemacht, welche weiteren Kanäle überschüssiger Lebensmittel es noch gibt. Immer wieder wurden foodsharing riesige Mengen angeboten, also Paletten von Lebensmitteln, die innerhalb der geldfreien und ehrenamtlichen Struktur gar nicht bzw. nur mit einem unglaublichen Kraftakt gerettet werden konnten. Dafür wollten wir eine Lösung finden.
Außerdem wurde uns immer klarer, dass leider viele Menschen nicht genug Zeit ehrenamtlich investieren können oder auch wollen, aber eigentlich sehr gern Lebensmittel retten würden.
Wir wollten gerettete Lebensmittel so einfach und praktisch wie nur möglich für alle Menschen verfügbar machen und gleichzeitig eine Logistik im Hintergrund aufbauen, die paletten- und LKW-weise Lebensmittel bewältigen kann. So wurde uns klar, dass wir uns von der Geldfreiheit bzw. dem geldreduzierten Ansatz, den wir in foodsharing sehr groß geschrieben hatten, schweren Herzens verabschieden mussten. Um allen Menschen Lebensmittel anzubieten und Logistik, Läden usw. bezahlen zu können und dieses Konzept auch schnell größer machen zu können, konnten wir uns nicht mehr auf Spenden und kostenlose Geräte, Dienstleistungen etc. stützen.
So haben wir uns entschieden, gerettete Lebensmittel in sogenannten Rettermärkten und im Onlineshop zu verkaufen, um das Lebensmittelretten mainstream und für jedermann und jederfrau ganz einfach zu machen. Über 1700 Menschen haben die 1. Crowdfunding Kampagne von SIRPLUS unterstützt, womit wir im September 2017 unseren 1. Rettermarkt in Berlin eröffnen konnten.
Welche Vision steckt hinter SIRPLUS?
Unsere Vision ist eine Welt, in der alle Menschen genügend zu essen haben und alle produzierten Lebensmittel auch gegessen werden. Dafür werden wir in den nächsten 10 Jahren in 15 Ländern unseren Onlineshop aufbauen sowie SIRPLUS-Franchise-Rettermärkte eröffnen. Im Einzelhandel werden wir unsere SIRPLUS Eigenmarke aus überschüssigem und nicht der Norm entsprechendem Obst und Gemüse und anderen Rohstoffen etablieren. Da 50% der Lebensmittelverschwendung in Privathaushalten anfällt, möchten wir noch mehr Bewusstsein für dieses Thema schaffen. Wir möchten Menschen Mut machen, auf ihre Sinne zu vertrauen und Lebensmittel auch nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatum zu essen, sofern sich diese beim Seh-, Geruchs- und Geschmackstest als genießbar erweisen. Denn die meisten Lebensmittel sind auch noch Wochen, Monate oder sogar Jahre nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums bestens genießbar.
Wer ist die Zielgruppe von SIRPLUS?
Wir möchten das Lebensmittelretten Mainstream machen – d.h., dass alle Menschen unsere Zielgruppe sind, egal ob bedürftig oder wohlhabend, jung oder alt, Öko oder Normalo. Der günstigere Preis, zu dem wir die Lebensmittel anbieten, ist ein zusätzlicher Anreiz, Menschen für das Lebensmittelretten zu begeistern. Ganz wichtig ist uns dabei, ein Bewusstsein für das Problem, aber vor allem auch für die Lösung zu schaffen, um das Lebensmittelretten hip und cool zu machen. Wir wünschen uns, dass allen Menschen bewusst wird, wie viel Ressourcen (Energie, Wasser, fruchtbares Land etc.) in Lebensmitteln stecken, damit wir es schaffen, achtsamer zu konsumieren. Außerdem wünschen wir uns, dass die Menschen wieder mehr auf ihre Sinne vertrauen und nicht mehr nur auf das Mindesthaltbarkeitsdatum, um festzustellen, ob Lebensmittel noch genießbar sind.So können Millionen Tonnen Lebensmittel vor der Tonne bewahrt werden.
Neben unseren Kunden sind auch Produzenten, Händler und Landwirte unsere Zielgruppe, denn wir bieten unseren mittlerweile über 600 treuen Partnerfirmen, von denen wir Lebensmittel beziehen, eine Lösung für ihre Lebensmittel an, die zwar noch genießbar sind, aber über normale Vertriebswege nicht mehr verkauft werden können und deswegen teuer entsorgt werden müssen. Wir haben also eine Win-Win-Win Situation geschaffen, bei der Menschen, Firmen und die Umwelt profitieren, und wir dabei auch noch sinnvolle Arbeitsplätze schaffen können.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich für die Sendung “Die Höhle der Löwen” zu bewerben?
Wir haben uns gar nicht beworben, weil wir nur nach Impact Investoren für SIRPLUS Ausschau gehalten haben. Als die Anfrage kam, haben wir uns sehr lange überlegt, ob wir das machen sollen. Am Ende haben wir uns entschieden, dass das Problem der Lebensmittelverschwendung zu groß und wichtig ist, als dass wir diese Gelegenheit vorbeiziehen lassen wollen, und haben uns dafür geöffnet, auch zusammen mit einem herkömmlichen Investor die Welt zu bewegen und nachhaltig zu verändern, wenn dieser unsere Mission unterstützen möchte. Also haben wir die Bewerbungsunterlagen ausgefüllt und eingeschickt.
Wie haben Sie sich auf die Sendung vorbereitet?
Wir haben uns ein paar Sendungen angeschaut, denn normalerweise gucken wir überhaupt kein Fernsehen, und haben uns mit den Investoren auseinandergesetzt und überlegt, wer am besten zu uns passen würde. Dann haben wir etwas getan, was wir bis dahin noch nie getan hatten – uns auf ein Investorengespräch vorbereitet. Noch dazu auf ein Investorengespräch mit nicht irgendwelchen, sondern nicht zuletzt durch DHDL sehr bekannten und erfahrenen Investoren, bei denen wir uns zudem nicht sicher waren, ob und inwieweit sie das Weltverbessern und das Gestalten einer enkeltauglichen Zukunft als ihren Hauptantrieb sehen. Das fiel uns nicht leicht, weil wir normalerweise immer nur über die Mission und die Vision von SIRPLUS sprechen und was jeder Mensch gegen die Verschwendung tun kann, denn das ist der Hauptantrieb von uns und unserem Team.
Aber wir haben uns auf das Abenteuer eingelassen und uns entschieden, dennoch an einem wichtigen Prinzip festzuhalten: Schon bei der Gründung von SIRPLUS haben wir festgelegt, dass wir mindestens 80% der Gewinne, sobald es diese gibt, in andere nachhaltige Startups und Projekte sowie natürlich in SIRPLUS selbst stecken werden. Unser Ziel war es immer, möglichst schnell einen massiven Wandel zu gestalten hin zu einer Gesellschaft, die die UN Development Goals einhält, in Frieden miteinander und der Natur existiert und in der alle Menschen genügend zu Essen haben.
Sie sind eines der wenigen Startup Unternehmen, das es in die Sendung “Die Höhle der Löwen” geschafft hat. Wie motivierend war das für Sie?
Allein die Einladung zur Sendung war schon ein großer Ritterschlag und wir haben uns sehr darüber gefreut und geehrt gefühlt. Wir sind ein Impact Startup, sprich unser Ziel sind nicht maximale Profite, sondern den größtmöglichen Wandel in der Gesellschaft und der Wirtschaft zu gestalten, um das Problem von derzeit 50% Lebensmittelverschwendung in Europa zu lösen, und zwar auf allen Ebenen entlang der Wertschöpfungskette. Von Anfang an haben wir sehr stark auf die Medien gesetzt, denn rund die Hälfte aller verschwendeten Lebensmittel in Europa werden bei uns zuhause verschwendet. Darum möchten wir möglichst viele Menschen mit unser Botschaft erreichen – dafür ist DHDL natürlich perfekt!
Wie wichtig war dieser Schritt für Sie als Startup Unternehmen? Auch unter dem Gesichtspunkt, dass durch “Die Höhle der Löwen” viele Interessenten und auch Medien auf SIRPLUS aufmerksam werden?
Super wichtig! In den letzten 10 Jahren konnte ich schon mit meinen 5 Jahren Geldstreik, der Gründung und dem Aufbau von foodsharing sowie seit 2 Jahren mit SIRPLUS unglaublich viele Menschen erreichen. Über 13 Millionen Menschen haben über die Medien von SIRPLUS erfahren und jeder TV-Beitrag, Radiosendung oder Artikel über das Thema hilft, dass die Menschen achtsamer im Umgang mit den Lebensmitteln werden und weniger wegschmeißen. Weil wir alle Teil des Problems sind, sind wir alle auch Teil der Lösung und deswegen sind wir super glücklich, dass uns eine so starke Bühne geboten wird, um weitere Millionen Menschen zu erreichen und Lebensmitteln ihren unbezahlbaren Wert zurückzugeben, denn es sind Mittel zum Leben.
Gäbe es keine Lebensmittel mehr zu retten, wären wir mit unser Mission nicht gescheitert, sondern im Gegenteil – wir hätten unser Ziel erreicht und könnten unsere Zeit für andere große Probleme einsetzen. Wir freuen uns deswegen über jedes Umdenken bei Firmen, der Politik und jedem Einzelnen von uns, denn nur so können wir als Menschheit eine der größten Herausforderungen des Jahrhunderts – dass immer noch jeder 9. Mensch auf der Welt hungert und über ⅓ der weltweit genutzten Agrarfläche für die Tonne produziert wird – ändern und damit auch den starken negativen Einfluss von der Lebensmittelverschwendung auf das Klima und unser Ökosystem beenden.
Welchen Investor hatten Sie im Fokus?
Ursprünglich auf jeden Fall Frank Thelen. Frank hat viel Erfahrung mit Startups, aber besonders mit E-Commerce, und da wir unseren Onlineshop noch stärker nutzen möchten, um Menschen in ganz Deutschland das Lebensmittelretten zu ermöglichen, hielten wir das für einen guten Match. Außerdem fährt Frank in letzter Zeit immer mehr auf Food Startups ab und da wir auch ab 2020 SIRPLUS Eigenmarke in den Einzelhandel bringen werden, hätte das wirklich super gepasst.
Durch eine Verzögerung beim Dreh war dann Frank leider beim 2. Besuch im Studio nicht dabei, so hatten wir Dagmar Wöhrl als Favoritin, da sie ein großes Herz für Tiere, Menschen und auch die Umwelt hat. Außerdem ließ uns ihr Engagement bei den Tafeln darauf schließen, dass sie sich auch schon tiefer mit dem Thema auseinandergesetzt hat und dort wohl Handlungsbedarf sieht.
SIRPLUS, wo geht der Weg hin? Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Die nächsten 5 Jahren werden wir alles tun um maximal viel Lebensmittel zu retten und maximal viele Menschen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik zu erreichen! Wir werden nächstes Jahr unsere Rettermärkte durch ein Franchisekonzept nach ganz Deutschland bringen und bis 2024 in über 5 Ländern mit Rettermärkten und Online Shop aktiv sein. 2020 werden wir außerdem mit unserer Eigenmarke gerettete Lebensmittel bei Landwirten und Produzenten haltbar machen, durch Kreationen wie z.B. Tomatenpüree bei Tomatenüberproduktion, Bier aus gerettetem Brot oder Snacks aus Überproduktion. Denn in den Produktionsprozessen fallen systematisch Rohstoffe an, die z.B. geschmacklich oder farblich nicht exakt den Vorgaben entsprechen, aber lebensmittelhygienisch absolut einwandfrei sind und nur einen weiteren Aufbereitungsschritt benötigen, um vor der Verschwendung bewahrt werden zu können.
Diese Produkte werden wir dann im großen Stil in den Einzelhandel bringen und damit gerettete Lebensmittel aus der Nische in die Mitte der Gesellschaft bringen. Also aus überschüssigen Lebensmitteln haltbare verpackte Lebensmittel zu zaubern und die allen Menschen zugänglich zu machen. Sobald wir finanziell in der Lage sind wollen wir noch mehr Geld in die Bildung und in Lobbyarbeit stecken, damit auch auf politischer Ebene, z.b. steuerlich die Weichen gestellt werden für eine Zukunft ohne Lebensmittelverschwendung, dafür aber mehr Achtsamkeit und Wertschätzung gegenüber allen Lebensmitteln und Ressourcen.
Zum Schluss: Welche 3 Tipps würden Sie angehenden Gründern mit auf den Weg geben?
Das Wichtigste ist auf sein Herz zu hören, ein Thema zu finden hinter dem Mann oder Frau aus vollem Herzen steht und welches einen erfüllt. An dieser Stelle soll gesagt sein: Es braucht viel mehr Frauen, die gründen – da gibt es aktuell noch ein großes Ungleichgewicht. Dann unbedingt mit Gott und der Welt über die Idee sprechen und die eigene Vision Schritt für Schritt in Pläne umsetzen.
Wichtig ist dann von der Theorie in die Praxis zu gehen und dann so lean, also einfach wie möglich, mit seiner Vision starten und mit einem minimalen Einsatz erstmal zu probieren, ob die Zeit reif ist, das Produkt oder die Dienstleistung wirklich gebraucht wird. Am besten zeitnah eine Crowdfunding-Kampagne machen, um sich schon eine Community aufzubauen und damit auch die erste kleine Anschubfinanzierung zu bekommen, um die Vision, die man hat, in die Realität zu bringen.
Das Wichtigste dabei ist, nicht zu perfektionistisch zu sein, sondern immer nach dem Pareto-Prinzip zu arbeiten und nie aufzugeben, sondern aus Misserfolgen zu lernen und einen neuen Weg suchen.
Bild: Martin Schott (l.), Raphael Fellmer Foto: TVNOW / Bernd-Michael Maurer
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Wir bedanken uns bei Davor Petrovic für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder