Dienstag, Oktober 28, 2025
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Kann Papier die Zukunft des Verpackens retten?

Papair entwickelt innovative Papierluftpolsterfolien und nachhaltige Verpackungslösungen, die Kunststoff im Versand- und Logistikbereich ersetzen und Unternehmen den Umstieg auf umweltfreundliche Alternativen erleichtern

Wie kam es zur Idee, eine Luftpolsterfolie aus Papier zu entwickeln – und welcher Moment war der Auslöser, Papair zu gründen?

Die Idee stammt von unserem Mitgründer Fabian Solf und wurde im wahrsten Sinne des Wortes am Küchentisch geboren. Er nahm diese Idee mit in ein Seminar zum Thema Entrepreneurship im Rahmen seines Studiums. Die Professoren ermutigten ihn, die Idee weiterzuverfolgen und ein Projekt daraus zu machen. Dazu holte er sich seine beiden Freunde Christopher Feist und Steven Widdel mit ins Boot. Gemeinsam begannen sie zu tüfteln, erste Prototypen zu entwickeln und Gespräche mit potenziellen Investoren und Kunden zu führen. Schnell wurde klar: Dafür braucht es ein eigenes Unternehmen.
Der Start von Papair war dann im Frühjahr 2020 (pünktlich zu Corona :/) mit Unterstützung eines Gründungsstipendiums des Landes Niedersachsen.

Welche Herausforderungen gab es in der Entwicklung von PapairWrap, bis das Produkt marktreif und patentiert war?

Wir kamen alle direkt aus dem Studium – ohne Erfahrung in der Verpackungsbranche. Die Entwicklung unserer Papierluftpolsterfolie bedeutete also nicht nur ein neues Produkt zu schaffen, sondern auch die passende Technologie, den gesamten Herstellungsprozess und die Produktionsanlagen zu entwickeln. Das war ein langer Weg, der technisches Know-how, die richtigen Partner im Maschinenbau und jede Menge Ausdauer verlangte.

Auch finanziell war der Aufbau einer eigenen Produktion eine große Herausforderung. Wir mussten immer wieder Investoren von unserer Idee überzeugen – und tun das bis heute. Im August 2023, drei Jahre nach der Gründung, lief dann das erste maschinell hergestellte PapairWrap vom Band.
Inzwischen verfügen wir über Patente in Australien, Chile und Japan sowie über das europäische Einheitspatent – für das Produkt, den Herstellungsprozess und die Maschine.

Der Umstieg auf nachhaltige Verpackungen ist für viele Unternehmen komplex – wie gelingt Papair der Spagat zwischen Ökologie und Wirtschaftlichkeit?

Wir bieten nicht einfach nachhaltige Verpackungen, sondern ganzheitliche Verpackungslösungen, die an die Verpackungsprozesse unserer Kunden angepasst sind. Dabei schauen wir uns die Kommissionierungsabläufe genau an, um sie zu verstehen und bei Bedarf zu optimieren. PapairWrap kann Luftpolsterfolie aus Kunststoff 1:1 ersetzen, aber oft sind anstatt der Rollenware Beutel oder vorkonfektionierte Bögen eine wirtschaftlichere und effizientere Lösung. Zusätzlich unterstützen wir mit Verpackungstests und Prüfprozessen in unserem eigenen Labor, um individuelle, leistungsfähige Konzepte zu entwickeln. Unsere Kunden müssen sich um nichts kümmern – wir übernehmen den gesamten Prozess von der Analyse bis zur Umsetzung.

Mit Rossmann setzt erstmals eine der größten deutschen Drogerieketten auf euer Produkt – wie kam die Zusammenarbeit zustande und was bedeutet sie für euch?

Der erste Kontakt zu Rossmann entstand tatsächlich schon 2021 im Rahmen einer unserer ersten Akquise-Aktionen. Seitdem haben wir in engem Austausch gestanden, Prozesse vor Ort analysiert und Verpackungslösungen immer wieder angepasst. Unser Ziel war nie, einfach nur Papier statt Plastik zu liefern, sondern Lösungen zu entwickeln, die optimal zu den Abläufen bei Rossmann passen.

Und in Verbindung mit dem E-Commerce-Lager des neuen Rossmann Logistikzentrums wurden grundlegende Umstellungen plastikfreier Verpackung möglich. Das Ergebnis sind maßgeschneiderte PapairBags und PapairSheets, die inzwischen fest im Regelbetrieb laufen.

Was unterscheidet PapairWrap technisch und funktional von klassischer Luftpolsterfolie aus Kunststoff?

Genau genommen hat PapairWrap kein Luftpolster – und es ist auch keine Folie. Der Begriff beschreibt jedoch gut, was unser Material leistet. Der Polstereffekt entsteht durch die spezielle Form und Geometrie der „Bubbles“, die Stöße und Erschütterungen zuverlässig ableiten.

In der Anwendung steht PapairWrap der Kunststoffvariante in nichts nach und kann genauso eingesetzt werden: Es lässt sich flexibel an unterschiedliche Produktgeometrien anpassen und kann in verschiedenen Breiten, Stärken und auch als Beutel oder Zuschnitte eingesetzt werden.
Darüber hinaus bieten wir Varianten mit speziellen Oberflächenbeschichtungen an – etwa zum Schutz empfindlicher Oberflächen vor Kratzern oder für den Einsatz bei Feuchtigkeit und Öl. Bei allen Produkten verzichten wir vollständig auf Kunst- und Klebstoffe. PapairWrap besteht zu ausschließlich aus Papier – ein echtes Monomaterial.

Die Verpackungsindustrie steht durch die neue EU-Verpackungsverordnung (PPWR) unter Druck – wie positioniert sich Papair in diesem sich wandelnden Marktumfeld?

Laut EU-Verpackungsverordnung müssen bis 2030 alle Verpackungsmaterialien vollständig recycelbar sein. Unsere Produkte erfüllen diese Anforderung bereits heute.

In einer globalen Wirtschaft mit komplexen Lieferketten und starkem Online-Handel müssen Waren zuverlässig vor Transportschäden geschützt werden. Der Vorteil von Papierverpackungen: Sie lassen sich in etablierten, funktionalen Recyclingsystemen problemlos wieder in den Kreislauf zurückführen. So machen wir unseren Kunden den Umstieg auf nachhaltige Verpackungen leicht – ohne Kompromisse bei Schutz oder Funktionalität.

Welche Rolle spielt die Skalierbarkeit eurer Produktion, um künftig größere Handelsketten und Industriepartner zu beliefern?

Als produzierendes Unternehmen ist Skalierung immer mit hohen Investitionen in Maschinen, Anlagen sowie Personal- und Betriebskosten verbunden. Als Start-up sind wir dafür auf Investoren und Fördermittel angewiesen. Gleichzeitig ist die Skalierung entscheidend, um langfristig wettbewerbsfähige Preise anbieten zu können – nur so können wir auch größere Handelsketten und Industriepartner zuverlässig beliefern.

Unsere Patente spielen dabei eine wichtige Rolle: Sie sichern nicht nur unsere eigene Produktion und den Vertrieb von PapairWrap, sondern ermöglichen es uns auch, Lizenzen für die Herstellung zu vergeben und so Kapazitäten gezielt zu erweitern.

Nachhaltigkeit ist ein Trendthema – doch für viele Unternehmen zählt am Ende der Preis. Wie überzeugt ihr Entscheider, dass nachhaltige Lösungen langfristig wirtschaftlicher sind?

Wir betrachten Verpackung immer ganzheitlich und berücksichtigen nicht nur den Einkaufspreis, sondern alle relevanten Kostenbestandteile – von Lizenzgebühren für Entsorgung bis zu Lagerhaltungs- und Handlingkosten.

Der Vorteil von Papier: Die Entsorgungskosten liegen aktuell mehr als 50 % unter denen von Kunststoff. Gleichzeitig ermöglicht ein effizienter Einsatz von Verpackungsmaterial kürzere Handlingzeiten und geringere Lagerkosten. Betrachtet man die Total Cost of Ownership, zeigt sich oft erhebliches Potenzial, die Gesamtkosten spürbar zu senken – nachhaltige Lösungen können also wirtschaftlich deutlich attraktiver sein.

Welche Branchen zeigen aktuell das größte Interesse an euren papierbasierten Verpackungslösungen?

Unsere Kunden kommen aus den unterschiedlichsten Branchen. Dazu zählen unter anderem Intralogistik im Automotive-Bereich, Online-Handel, Transportverpackungen für Bauteile oder Türen, Home & Living, Sanitär, Ersatz- und Kleinteilversand sowie Keramik und Kunsthandwerk. Kurz gesagt: Überall dort, wo Waren beim Transport vor Stößen, Schäden oder Kratzern geschützt werden müssen.

Wie stark prägt euch als Gründerteam der Gedanke, mit Papair aktiv zur Reduzierung von Plastikmüll beizutragen?

Wir alle sind täglich mit den Problemen von Plastikmüll und dessen Entsorgung konfrontiert. In manchen Bereichen, zum Beispiel zur Haltbarmachung von Lebensmitteln, sind Kunststoffverpackungen unverzichtbar. Mit PapairWrap zeigen wir jedoch, dass in vielen anderen Bereichen auf Kunststoff verzichtet werden kann – ohne Abstriche bei Schutz oder Sicherheit.

Das ist der Ursprung und Kern unseres Unternehmens. Wir stehen erst am Anfang dieses Transformationsprozesses, unterstützen unsere Kunden aktiv bei der Reduktion von Plastikmüll und entwickeln zugleich wirtschaftlich tragfähige Lösungen für beide Seiten. Es ist großartig zu sehen, dass ökologisches und wirtschaftliches Handeln hier Hand in Hand gehen können.

Wie viel Mut gehört dazu, in einer so etablierten und kapitalintensiven Branche wie der Verpackungsindustrie als Startup anzutreten?

Darüber haben wir uns zu Beginn zum Glück keine Gedanken gemacht. Wenn wir Anfangs gewusst hätten, was auf uns zukommt, hätten wir vielleicht gar nicht begonnen. Aber wir haben immer analysiert, entschieden und einen Schritt nach dem anderen gemacht – angetrieben von der Überzeugung, dass wir ein gutes und zukunftsweisendes Produkt haben. Und heute zu sehen, dass namenhafte Unternehmen auf unsere Lösungen setzen und wir in einem Atemzug mit den großen Unternehmen der Verpackungsbranche genannt werden, macht uns schon stolz und bestätigt uns, dass unser Weg der richtige ist.

Was sind eure nächsten Schritte nach dem Erfolg mit Rossmann – steht eine weitere Expansion oder Produktentwicklung an?

Die Kooperation mit Rossmann wird sicherlich auch in anderen Branchen positive Effekte entfalten. Mit einer weiteren Produktionsmaschine werden wir künftig PapairWrap in größeren Mengen, verschiedenen Breiten und für noch vielseitigere Einsatzfälle herstellen können.

Parallel bleibt Produktentwicklung ein zentrales Thema: Wenn wir unseren Kunden Lösungen anbieten wollen, müssen wir ihre Herausforderungen genau verstehen, um innovative Verpackungskonzepte entwickeln zu können.

Wenn ihr in die Zukunft blickt: Welche Vision habt ihr für Papair und für die Verpackungswelt im Jahr 2030?

2030 ist gar nicht mehr so weit entfernt. In einer Verpackungswelt, die mit internationalen Lieferketten und zunehmendem Versandhandel vor der Herausforderung steht, Verpackungsabfälle zu reduzieren und zukunftsweisende Lösungen zu finden, sehen wir Papair als einen der Keyplayer unter den Verpackungsproduzenten.

Als Startup ermöglichen uns unsere Flexibilität und Agilität, schnell, kreativ und lösungsorientiert auf Kundenanfragen und Bedarfe zu reagieren. So können wir neue Herausforderungen direkt aufgreifen und maßgeschneiderte Konzepte entwickeln – immer mit dem Ziel, ökologisch und wirtschaftlich nachhaltige Lösungen anzubieten.

Bild Papair Gruender vlnr Fabian Solf, Christopher Feist und Steven Widdel @Papair

Wir bedanken uns bei Klaus Schirmer für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

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