Nach wie vor gibt es einige Hürden bei der Unternehmensgründung. Obwohl Länder wie Baden-Württemberg in den letzten Jahren viel für Start-ups getan haben, halten sich Gründungshotspots wie Berlin, Hamburg und München hartnäckig. Mit dem Ziel die Infrastruktur gründungsfreundlicher zu gestalten, bemühen sich immer mehr Regionen in Deutschland um die Optimierung ihres Standorts. Unter anderem fehlt es an einer einheitlichen und allumfassenden Ausbildung.
Zu diesem Thema führt der Kapitän des Gründerschiff Moritz Meidert ein Expertengespräch mit Professor Doktor Rüdiger Fischer und Bernhard Küppers.
Rüdiger Fischer ist Professor am Lehrstuhl für Entrepreneurship und Bernhard Küppers ist der Leiter des Gründer-Instituts an der SRH Hochschule Heidelberg.
Meidert: Herr Küppers, bei Start-ups in Deutschland denken die meisten eher an Berlin als an Baden-Württemberg. Wieso?
Küppers: Obwohl Baden-Württemberg zu den innovativsten Regionen der Welt zählt, fehlt es hier noch an einer etablierten Gründerkultur. Dazu gehören viele Faktoren: von professioneller Beratung über den Zugriff auf Gründernetzwerke bis hin zur Verfügbarkeit von gründungsfreundlichen Standorten.
Meidert: Woran liegt das?
Küppers: Eine wichtige Rolle spielt die Topografie. Nur neun Städte haben mehr als 100.000 Einwohner, eine zentrale Metropole mit einer aktiven Gründerszene, in der sich Start-up-Interessierte vernetzen können, gibt es nicht. Unter anderem muss hier also durch gezielte Förderung nachgesteuert werden. Berlin hat eine andere Gründerkultur, welche sich durch eben diese ausgeprägten Vernetzungsoptionen auszeichnet.
Meidert: Prof. Fischer, verliert Baden-Württemberg hier wichtige Potenziale?
Prof. Dr. Fischer: Absolut. Insbesondere wenn man bedenkt, dass es hier führende Technologieunternehmen und eine exzellente Forschungsinfrastruktur gibt. Aber gerade für die Gründungsphase, welche am Anfang jeder Unternehmung steht, ist das Umfeld, in der sie stattfindet, von elementarer Wichtigkeit. Hier hat Baden-Württemberg durchaus noch Verbesserungspotential.
Meidert: Hat das Land denn das Problem erkannt?
Prof. Dr. Fischer: Das würde ich sagen, ja. In den letzten Jahren hat es einige Vorstöße gegeben, regionales Gründertum zu stärken. Eine wichtige Rolle kommt hier den Hochschulen zu. So soll im Rahmen des Programms Gründungskultur in Studium und Lehre eine Geisteshaltung kolportiert werden, die man „Gründergeist“ oder „unternehmerisches Denken“ nennen könnte. Studierenden soll der Gedanke an eine Selbständigkeit nähergebracht werden. Plattformen werden aufgebaut, um sich besser zu vernetzten, und zahlreiche Beratungs- und Förderprogramme werden angeboten.
Meidert: Das klingt doch nach einem Schritt in die richtige Richtung. Ist der Abwanderung von Gründungsinteressierten damit erstmal Abhilfe geschafft?
Prof. Dr. Fischer: Das muss ich leider verneinen. Jeder, der sich mal selbständig gemacht hat, weiß, dass zu einer Unternehmensgründung mehr gehört, als ein kontinuierlicher Informationsfluss und Kontakte. Eine Gründung ist ein anspruchsvoller und herausfordernder Prozess. Bereits die Ausformulierung einer finanziell und organisatorisch tragfähigen Geschäftsidee ist eine Aufgabe, die – selbst mit einschlägiger Berufserfahrung – einige Zeit in Anspruch nimmt und immer wieder aufgerollt werden muss. Viele Folge- und Begleitprozesse sind höchst pfadabhängig und bedürfen andauernder Evaluation und Koordination.
Meidert: Hier kann es also auch sinnvoll sein einen Gründungsberater zu involvieren?
Küppers: Exakt. Ein kompetenter Gründungsberater bringt das nötige Wissen idealerweise durch eine entsprechende Ausbildung und die bereits gesammelte Gründungserfahrung mit. Er kennt die wichtigsten Schritte und kann sich individuell auf die Probleme und Vorstellungen seiner Klienten einlassen. Damit kommt ihm eine tragende und für den einzelnen Kunden auch zukunftsweisende Rolle zu.
Meidert: Das klingt nach einer anspruchsvollen Aufgabe. Können Gründungsberater diese auch leisten und wie lässt sich die Beratungsqualität absichern?
Prof. Dr. Fischer: Genau hier ist der Knackpunkt. Gründungsberater ist ein Beruf, der in Deutschland nicht geschützt ist. Es gibt keine einheitlich geregelte Ausbildung. Es gibt dementsprechend als Gründungsberater tätige Menschen, die völlig unterschiedliche Ausbildungen, Erfahrungen und Arbeitsschwerpunkte haben. Dies wiederum erschwert Gründern die Unterscheidung von kompetenten und weniger kompetenten Beratern.
Küppers: Und noch ein weiteres Problem stellt sich: Diese Menschen werden nach Tagessätzen bezahlt, nicht nach monatlichen Festbeträgen. Das bedeutet, dass viele die Gründungsberatung als Nebenberuf und nicht als Hauptberuf betreiben und als Haupttätigkeit mindestens Teilzeit in einem anderen Gebiet arbeiten. Es ist also nicht gewährleistet, dass jeder Gründungsberater adäquat ausgebildet ist oder genug Zeit mitbringt, um Gründer angemessen zu unterstützen.
Meidert: Was ist Ihr Vorschlag?
Prof. Dr. Fischer: Um die drängenden Beratungs- und Begleitungsbedürfnisse regionaler wie überregionaler Gründungsinteressierter zu befriedigen bedarf es einer substanziellen, geschützten und anerkannten Ausbildung. An der SRH Hochschule Heidelberg haben wir einen entsprechenden Zertifikatslehrgang zum „Gründungs- und Innovationsberater“ ausgearbeitet, den man ab Ende Juni studieren kann.
Meidert: Herr Küppers, Prof. Fischer, vielen Dank für Ihre Zeit.
Titelbild Prof. Fischer
Zertifikatslehrgang zum Gründungs- und Innovationsberater
Quelle: Gründerschiff UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG