(Arbeits-)Kampf der Generationen und wie er gelöst werden könnte
Der demografische Wandel und der lang angekündigte Fachkräftemangel schlägt nun in der Arbeitswelt auf und entfacht einen teils heftigen Streit über Arbeitsmoral, Einstellungen und sogar über Werteverfall oder Wertewandel. Personen in den aktuellen Top-Entscheidungspositionen entstammen in vielen Organisationen aus der Baby Boomer Generation, diese trifft nun völlig irritiert auf eine Generation Z, die schon in den Vorstellungsgesprächen neuartige Erwartungen formuliert.
Jede Generation ist verschieden, und dass die vorhergehende Generation die nachfolgende eher despektierlich und anders wahrnimmt, ist nichts Neues. Die Generationen sind genetisch nicht anders, sondern schlichtweg stets das Ergebnis der Rahmenbedingungen und den Prägungen der Vorgeneration. Außerdem muss festgehalten werden, dass jeder Mensch anders ist und es immer Ausnahmen gibt. Die Kategorisierung in Generationsgruppen ist nicht die beste Lösung, da sie nur einen noch größeren Graben schafft. Allerdings gibt es klare Unterschiede zwischen den Altersgruppen und diese scheinen so groß wie noch nie zu sein.
Den Babyboomern wurde klar gemacht, dass sie nicht die einzigen sind und sich extrem anstrengen müssen, damit sie, aufgrund der hohen Nachfrage einen guten Job bekommen können. Diese Generation war stets im Verdrängungswettbewerb und Erfolg stellte sich durch harte und lange Arbeitsbereitschaft ein. Mit diesem Erfolgsrezept empfangen nun die Babyboomer die potentiellen Arbeitnehmer der Generation Z. Diese hat jedoch andere Rahmenbedingungen und dreht nun den Spieß im Bewerbungsverfahren um, denn die Firmen müssen sich jetzt bei ihnen bewerben.
Wo liegen die Standpunkte und worauf fußen die Perspektiven, die diese Generationen haben – aber vor allem auch – wie lässt sich eine produktive und wertvolle Situation für beide Seiten erreichen?
Lassen wir zunächst zwei Briefe die Perspektiven erzählen.
Sehr geehrte Boomer,
Wir sind Ihnen sehr dankbar dafür, was Ihre Generation an Wohlstand geschaffen hat. Die Welt hat sich allerdings verändert und es scheint so, als wären Sie und die gesamte Arbeitswelt überfordert. Die Gen Z kommt und alle rufen nach Hilfe.
Das Klischee besagt: Wir sind nicht kritikfähig, faul, haben zu idealisierte Vorstellungen, sind nicht belastbar, denken zu realitätsfern und wollen selbstverständlich eigentlich nur alle berühmt werden und sind handysüchtig. Ein solches Bild ist in erster Linie natürlich nicht die optimalste Startposition und auch wenn einige von diesen Punkten aus der Sicht der älteren Generation stimmen mögen, hier ein kleiner Perspektivwechsel.
Wir sind die erste Generation die „ganz normal“ analog aufgewachsen ist und doch seit der Pubertät eine Welt ohne Internet und Social Media nicht kennt. Von den negativen Auswirkungen dieser Entwicklung abgesehen, bietet das Internet nicht nur spaßige Apps sondern eben auch die Möglichkeit sich unbegrenzt Wissen anzueignen. Obwohl wir also noch so jung und so ahnungslos zu sein scheinen, sind wir trotzdem die bestgebildetste Generation junger Leute, simpel erklärt deswegen, weil wir diese Möglichkeiten haben.
Damit möchte ich darauf hinweisen, dass wir uns mit diversen Themen auseinandersetzen, Quellen leicht hinterfragen können und viele Meinungen, Artikel und Berichte problemlos zur Hand haben. Wir hinterfragen. So hinterfragen wir beispielsweise die Arbeitsmoral, die manchen von ihnen so wichtig erscheinen mag. Wer fleißig ist, kann was erreichen. Arbeit macht glücklich. Nun leider scheint das nicht ganz der Fall zu sein und wie die vielen Beispiele von Burn Outs aufzeigen, da geht etwas nicht ganz auf. Wir haben den Eindruck, dass Sie leben um zu arbeiten. Wir möchten leben. Dass Arbeit hierfür eine tragende Rolle spielt ist uns natürlich auch bewusst, uns geht es hierbei darum aufzuzeigen, dass wir nicht Nicht arbeiten wollen.
Wir möchten uns lediglich nicht so fühlen, als hätten wir unsere wertvolle Lebenszeit vor lauter Arbeit verschwendet. In einem kürzlich besuchtem Seminar hat ein Arzt schockiert davon berichtet, wie eine junge Ärztin, die in seiner Klinik begonnen hat zu arbeiten, darum gebeten, den Mittwochnachmittag immer frei zu bekommen, da dort ihr Töpferkurs stattfindet. Sie mögen darüber nun auch schmunzeln, aber was ist so schlimm daran, dass diese Person sich einfach dazu entscheidet, für die Dinge, die ihr Spaß machen und sie erfüllen, auch Raum zu schaffen?
Warum soll es denn so viel besser sein, jede Woche durchzuarbeiten, nie Zeit für Freunde, Familie, Hobbies und erfüllende Aktivitäten zu haben, nur damit man eben fleißig war? Glücklicher wird man davon nicht, das haben wir nach jahrelangem Zuschauen unserer Eltern-Generation gelernt und möchten diesen, wie wir es sehen, persönlichen Fehler keinesfalls wiederholen.
Es scheint gerade für Boomer eine Untugend zu sein, glücklich sein zu wollen. Spaß bei der Arbeit haben und diese gerne und mit Überzeugung durchführen wollen, was ist nur in uns gefahren? Sind wir deshalb faul oder achten wir einfach mehr auf unser Wohlbefinden, auf ein erfüllendes Leben und überlegen uns lieber andere, effektivere Formen und Arten von Arbeit? Wenn wir neue, progressive Vorschläge bringen, die die gesamte Arbeitswelt langfristig verändern könnten, sind diese „zu realitätsfern“, „das funktioniert doch in der Praxis gar nicht“ und „Ihr werdet schon noch auf den Boden der Tatsachen kommen“. Aber wieso nicht etwas mehr Mut zur Veränderung? Ob das alles so aufgeht, wird man früher oder später sehen, dann kann man notfalls immer noch auf die alte, bewerte Art und Weise zurückgreifen.
Nun zu dem Vorwurf der Nichtbelastbarkeit. Die Gesellschaft vermittelt uns vor allem eines: Druck. Mit 57% gilt der gefühlte Leistungsdruck als besonders prägend für die Gen Z. Wir legen extrem viel Wert auf die Meinung anderer und vergleichen uns, wenn auch unterbewusst, ständig. Anders als die Generationen vor uns, gibt es hierfür auch genügend Möglichkeiten. Nicht nur in der Schule oder im Alltag mit Bekannten, nein. Vergleichen können wir uns bequem aus der Hosentasche und dann gleich mit Menschen aus der ganzen Welt. Der hat die coolsten Freunde, die sind schon wieder im Urlaub, sie ist auf den coolsten Partys usw.
Wir vergleichen alles, von der Kleidung über Beziehungen, das Aussehen, bis hin zur eigenen Freizeit und wer diese interessanter und cooler gestaltet. Das ist anstrengend.. Dazu kommen diese unendlichen Möglichkeiten (Ausbildungsgänge/Studienangebote, Jobs, Tätigkeitsbereiche, Entwicklungsmöglichkeiten) von denen Sie nur hätten „schwärmen“ können, doch daraus resultiert schlussendlich vor allen Dingen eines, Überforderung. Zu viel, zu schnell. Dies belegt eine Studie der Gesellschaft für Innovative Marktforschung (GIM) die junge Menschen als ziemlich unsicher und entscheidungsschwach darstellt.
Dies ist kein Wunder. Bei all den Möglichkeiten möchte man sich ungern festlegen und wie schon so oft gesehen, könnte man mit etwas Glück auch der nächste Top Content Creator werden und damit ohne festen Job sein Geld verdienen. Wir stellen also nicht so hohe Ansprüche in dem Sinne, wir fordern nur Gründe zu bleiben, denn Alternativen haben wir genug. Das steht fest und das ist womöglich auch der Schlüssel zum Verständnis dieser Haltung.
Abschließend möchte ich sagen, dass wir keine verantwortungslosen Jugendlichen sind, denen alles egal ist und denen man nichts zutrauen kann. Wir sind politisch aktiv, engagieren uns, sind ambitioniert und haben Meinungen. Nur werden diese leider zu oft nicht gehört und daher kommt auch der Frust mit dem einige von uns zu kämpfen haben. Viele von Ihnen können es vermutlich nicht mehr hören, aber ja die Klimakrise ist real und bei weitem noch nicht gelöst. Die soziale Frage bleibt weiterhin eine Frage ohne Antwort. Dann wäre da noch die Corona Pandemie und ein Krieg mitten in Europa. Das ist unsere Zukunft.
Wir haben ein sehr hohes Verantwortungsbewusstsein und sind Ihnen dankbar dafür, was Sie aufgebaut haben. Nur scheint dieser Wohlstand Stück für Stück zu verschwinden. Die alten Mechanismen funktionieren nicht mehr in der neuen Welt und es ist Zeit voneinander zu lernen, ins Gespräch zu kommen und schlussendlich voneinander zu profitieren.
Liebe Next Generation – oder liebe Gen Z,
ihr wirbelt den Arbeitsmarkt gerade ordentlich auf. Frischer Wind und neue Gedanken und Ansätze sind sicherlich sehr wichtig. Ich möchte ehrlich und offen zu Euch sein: ihr habt ein ausgewachsenes Image-Problem.
Wenn wir Workshops und Seminare mit Führungskräften durchführen, hören wir so Attribute wie: arbeitsscheu, nicht leistungsbereit, nicht belastbar, nicht konzentrationsfähig, überheblich, oft krank, können sich nicht vorstellen, dass Arbeit erfüllend ist. Ganz ehrlich – darauf hat die Babyboomer Generation keine Lust und findet diese Einstellung sehr anmaßend und borniert.
Natürlich auch viele positive Aspekte wie Medien affin, digital, selbstbewusst. Diese positiven Attribute stehen jedoch im Schatten. Die Boomer-Generation, aber auch die Generation X, hat eine andere Arbeitswelt erfahren und die Personen, die heute in Entscheidungspositionen sitzen, haben ein internes Erfolgsrezept, wie man eben auf eine solche Position kommt und vergleichen dieses Rezept nun mit euren Ansprüchen. Und da ist eine Diskrepanz. Ob diese Art und Weise zu arbeiten sinnvoll oder smart war, steht hier zunächst nicht zur Debatte.
Was oft auch vergessen wird ist, dass diese Personen durch viel Arbeits-/Zeiteinsatz etwas aufgebaut haben (ggf. mit viel finanziellem Risiko) und diese wollen das natürlich nicht einfach aufs Spiel setzen, mit der Befürchtung, dass die nächste Generation den Karren gegen die Wand fährt. Ihr fordert viel – seid aber wenig bereit zu geben. Beweist doch bitte den anderen Generationen, dass es anders geht – dazu müsst ihr aber auch Nachweise liefern. Oder zeigt auf, wie das Gesamtsystem verändert werden muss/kann/soll…
Ihr seid in einer Zeit großgeworden, in der Wissen verfügbar und ergoogelbar ist – ihr habt in jungen Jahren teils ein unglaublich großes Fachwissen – aber was euch fehlt (und was ihr nicht erkennt) ist der Mangel an Erfahrungswissen/Erfahrungsschatz. Ich wünsche mir von euch viel frischen Wind, smarte Ansätze, konkrete Lösungsvorschläge wie es anders und besser funktioniert. Viele Boomer sind ggf. auch schlicht weg neidisch auf euch und eure Ansprüche – aber oft fehlt die Vorstellung wie das gehen kann und soll. Baut Prototypen, entwickelt Konzepte oder Keimzellen und schafft so ein Verständnis für die neue Arbeitswelt, die ihr euch wünscht.
Wie lässt sich dieser Konflikt denn nun lösen?
Klar ist, dass wir uns in einem waschechten Change befinden, der auch als solches behandelt werden sollte- von allen Seiten. Die neue Arbeitnehmerschaft will die Firmen umkrempeln, die bestehende etablierte Arbeitnehmerschaft will ihre Verdienste und Errungenschaften bewahren und aus ihrer Sicht nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. „Betroffene zu Beteiligten machen“ oder „miteinander reden“ sind zwei wichtige Grundeinstellungen im Wandel, die oft als zu weich abgetan werden, aber genau hierum geht es.
Es muss von beiden Seiten zugehört werden, auf Augenhöhe. Es sollte ein Wille zum wirklichen verstehen da sein, um gemeinsame Lösungen zu entwickeln. Sich wechselseitig auf die Dinge einzulassen einerseits, aber andererseits auch den Sinn des Bestehenden zu erkennen. Erst verstehen, dann verändern, ist ein weiterer Leitsatz im Change. Wissen ist heute schnell verfügbar und im Zweifel „ergoogelbar“ – Erfahrungswerte jedoch nur schwer. Wertschätzung, Respekt und Anerkennung sind Schlüsselqualifikationen im Wandel- den beide Seiten mit- oder aufbringen sollten.
Eine sehr wertvolle Methode, um den Generationskonflikt zu verstehen und zu überwinden, ist Mentoring und Reverse Mentoring. Das Konzept Mentoring ist in vielen Organisationen bereits erprobt- dabei gibt die erfahrene Person (meist ältere) einer weniger erfahrenen Person (meist jünger) Erfahrungen weiter und unterstützt diese in der Entwicklung. Beim Reverse Mentoring dreht man den Spieß um und tauscht die Rollen. Die jüngere Person unterstützt die ältere in Erfahrungen, Blickwinkel und Ansichten. Mit der Verbindung dieser beiden Methoden kann mit viel Wertschätzung ein großer Schatz erhoben werden, der für alle Beteiligten Mehrwert schafft.
In vielen Organisationen werden neue Impulse und Ansätze angestoßen, indem die Kinder der Entscheidungsträger ihre Eltern quasi im privaten Umfeld auf solche Missstände hinweisen. So setzen sich plötzlich sehr konservative Geschäftsführer für das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein, weil ihre Töchter in genau diesem Dilemma stecken, oder andere Unternehmen stecken plötzlich ihre Marketingbudgets in Social Media Kanäle, weil die Kinder der Entscheidungsträger das Unternehmen als Old School titulierten.
Warum diese Chance also nicht intern nutzen und schon vorausschauend mehr auf junge Mitarbeiter eingehen und ihnen zuhören. Dann braucht es aber auch konkrete Lösungsvorschläge, wie die Herausforderungen mit den neuen Denkansätzen konkret bewerkstelligt werden können. Dies ist der einfachste Weg, die Bedenkenträger zu überzeugen. Trotzdem bedarf es auch des Mutes und der Bereitschaft, neue Ansätze schlichtweg auch mal auszuprobieren. Keimzellen- Experimente können dazu wunderbar dienen, um im sicheren Bereich neue Wege gemeinsam zu begehen und Menschen zu überzeugen.
Einfach mal anders denken! Aber auch durchdenken!
Die Welt wird komplexer und Musterlösungen funktionieren nicht mehr. Die Arbeitswelt wird sich verändern (müssen) – ob sie will oder nicht. Die spannende Aufgabe von allen Beteiligten wird es sein, ausgetretene (erfahrene) Wege zu verlassen, Konzepte und Ansätze wirklich frei neu zu denken, um sie dann quasi auf den Prüfstand zu stellen und auf Beständigkeit und Funktionalität zu prüfen. Warum fahren wir mit den neuen Konzepten nicht mal ordentlich über die Rüttelstrecke und schauen, ob das hält und nicht auseinanderfällt?
Welche Chancen/Risiken aber auch Hoffnungen/Ängste beinhalten oder verursachen die neuen Ansätze bei den mittelbar und unmittelbar Beteiligten? Wenn diese Aspekte dann geklärt werden konnten, heißt es, den Mut zu haben und neue Wege zu gehen. Oft hilft es auch zu überlegen, wie sich die Arbeitswelt allein in den letzten 30 Jahren teils schon stark verändert hat und sich bewusst zu sein, dass der Satz „Das haben wir aber schon immer so gemacht!“ übrigens noch nie gestimmt hat und jeder mal jung war, Visionen und Träume hatte, für die man nun ja vielleicht sogar mehr Raum schaffen kann.
Also auf! Gemeinsam mit Erfahrungen und neuem Denken die Arbeitswelt verändern.
Claudia Wöllhaf; Jahrgang 2003, Studentin der Wirtschaftspsychologie in Augsburg
Rainer Krumm, Jahrgang 1971, Managementtrainer und Autor, Geschäftsführer der Unternehmensberatung axiocon GmbH
Kontakt: www.axiocon.de
Bildquelle: Bild von Amarily Moreno auf pixabay
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