Kryptowährungen kommen immer mehr im Mainstream an und die Blockchain-Technologie verändert neben der Finanzwelt mit NFTs auch den Kunsthandel. Da stellt sich die Frage: Wann modelliert die Blockchain auch die Reiseindustrie, eine der weltweit größten Branchen, um?
Was ist eigentlich eine Blockchain?
Eine Blockchain ist im Grunde eine dezentrale Datenbank von Aufzeichnungen digitaler Ereignisse. Ein solches Ereignis kann etwa eine Zahlung sein. Jedes Ereignis ist dabei von allen Beteiligten überprüfbar und damit fälschungssicher. Da jede Aktion dezentral gespeichert wird, kann ein Ereignis zudem nicht wieder gelöscht werden. Die Blockchain hat also von jedem einzelnen Ereignis eine prüfbare und sichere Aufzeichnung. Das ermöglicht Sicherheit in Bereichen wie Bezahlung oder digitaler Authentifizierung.
Unterschieden wird dabei zwischen privaten und öffentlichen Blockchains. Zu privaten Blockchains haben nur bestimmte Personen Zugriff. Diese sind dann sinnvoll, wenn Unternehmen intern Transaktionen durchführen oder Daten austauschen wollen. In öffentlichen Blockchains kann sich jeder beteiligen. Niemand wird am Lesen, Schreiben und Verifizieren der Blockchain gehindert. Die ersten Anwendungsgebiete öffentlicher Blockchains waren Kryptowährungen wie Bitcoin.
Die Blockchain transformiert die Tourismusbranche
Ein Blick auf Start-ups wie Travala verrät, dass Blockchain besonders in den Bereichen Zahlung und Teilhabe bereits im Tourismus ankommt. Das Unternehmen funktioniert eigentlich genau wie booking.com, allerdings mit dem Vorteil, dass Kunden mit Kryptowährungen bezahlen können. Travala hat als zentralisierte Plattform gestartet und entwickelt die Plattform auf einer dezentralen Blockchain weiter. Im letzten Jahr hat Travala u.a. einen eigenen Coin auf Ethereum-Basis entwickelt, der als Zahlungsmittel und Treueprogramm dient und es Nutzern erlaubt, finanziell von seiner Wertsteigerung zu profitieren. Damit steht das Unternehmen aber noch ganz am Anfang der Nutzungsmöglichkeiten von Blockchain und hat noch nicht das Potenzial, Marktstrukturen von Grund auf zu verändern.
Im Reisemarkt entwickelt sich die Blockchain-Technologie erst langsam aus der Erprobungsphase in ein Stadium, in dem es Mehrwerte für Verbraucher schafft. Aus der technischen Natur ergeben sich für die Branche besonders dann Vorteile, wenn wir an Geldtransaktionen, digitale Identifizierung, Loyalty-Programme und Unternehmenskollaborationen denken.
ennea Capital Partners arbeitet beispielsweise mit dem Berliner Unternehmen Traffics an einer Lösung, zur Einführung von Blockchain-Technologien im Reisemarkt. Die zeit- und ressourcensparende Bezahlung via Blockchain im B2B Bereich ist etwa für Hoteliers und Buchungsportale interessant. Die Zahlung mit Kryptowährungen und ein auf Blockchain basiertes Bonussystem sollen bereits 2023 marktreif sein. Für kleinere Geldtransaktionen wie Ausflüge oder Tickets sind außerdem “Smart Contracting” Technologien interessant, die den unmittelbaren Abschluss eines Geschäfts ohne Zeitversatz ermöglichen.
Blockchain wird also Vertriebsmacht an Leistungsträger zurückgeben. Sie schafft, neue Governance-Möglichkeiten, die den Aufbau dezentraler Organisationsstrukturen ohne Vermittler wie Buchungsplattformen erlauben. Gleichzeitig beschäftigen sich dominante Marktplayer wie Booking.com, die eng mit Start-ups zusammenarbeiten, auch mit der Technologie. Die Branche wartet trotzdem noch auf Unternehmen, die sich gegen die bestehenden Marktstrukturen durchsetzen.
Blockchain als technologische Grundlage für ein neues Reiseerlebnis
Gleichzeitig ist die Technologie nach Ansicht der meisten Experten noch am Anfang der Entwicklungsphase. Ein Unternehmen, welches sich durchsetzen könnte, ist die Buchungsplattform Winding Tree, welche im Gründungsjahr 2017 beinahe zu früh am Markt war. Die junge Firma baut für die Branche einen dezentralen Marktplatz, über den Unternehmen ihre Leistungen direkt an andere Firmen sowie Endverbraucher verkaufen können. Nach dem initialen Hype, kam schnell die Einsicht, dass es Zeit braucht, so eine Plattform zu entwickeln und dass der Markt diese auch erst annehmen muss.
Ein solches System verbessert die Effizienz des Marktes und reduziert die Anzahl involvierter Vermittler, da Käufer und Verkäufer direkt im Austausch stehen. Langsam zahlt sich die Ausdauer der Gründer aber aus. Im B2B-Geschäft sieht Winding Tree vermehrt Nachfrage, da Travel Manager Flüge direkt über die Plattform bei Fluggesellschaften wie American Airlines und Lufthansa, ohne Zwischenhändler buchen können.
Ein weiteres Anwendungsbeispiel ist das Thema “digitale Identität”. In einem gemeinsamen Projekt des Bundeskanzleramts, des Deutschen Hotelverbands sowie der Hotelgruppen Motel One, Deutsche Hospitality und Lindner Hotels können jetzt etwa Mitarbeiter der Deutschen Bahn, der Lufthansa, von Robert Bosch, sowie der BWI per Smartphone mit einer auf Blockchain basierenden, „ID-Wallet“ in Hotels einchecken. Auch die internationale Arbeitsgruppe Hospitality & Travel SIG arbeitet an der Einführung von Self-Sovereign Identity (SSI) und Decentralized Digital Identity Technologien im Tourismus.
Mit beiden Ansätzen sollen Reisende zukünftig ihre Daten eigenständig verwalten und sich rein technisch in Hotels oder beim Besteigen eines Flugzeuges ausweisen. Das ist insbesondere für Hotels interessant, da Intermediäre wie Booking.com oder HRS bis dato entscheiden, welche Daten sie an die Hotels weiterleiten. Mit SSI entscheidet aber der Gast, welche Daten er mit wem teilt.
Anwendungsbeispiele verwirklichen
Blockchain wird die Art und Weise, wie wir reisen, revolutionieren. Vom digitalen Einchecken und Identifizieren bei der Ankunft im Hotel, oder dem Speichern, Verwalten und Gewähren von Bonuspunkten über verschiedene Anbieter hinweg sind die Anwendungsmöglichkeiten in der Tourismusbranche riesig. Die Technologie bietet ein echtes Potenzial, die jetzigen Strukturen mit den etablierten Reiseunternehmen zu revolutionieren und den kleineren Marktteilnehmern bessere Vorteile zu bieten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir neue Blockchain Travel Unicorns sehen.
Autoren: Jan-Frederik Valentin und Florian Montag
Als ehemaliger Managing Director von KAYAK Europe sowie als Gründer des TravelTech-VC ennea capital partners hat Jan-Frederik Valentin jahrelange Erfahrung im Aufbau innovativer Reiseunternehmen.
Speaker und Hotel-Techexperte Florian Montag, Gründer von Hotelhero, unterstützt seit dessen Exit im Frühjahr 2021, den Käufer apaleo beim Wachstum seiner offenen Plattform für agiles Hotelmanagement.
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder