Samstag, November 23, 2024
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Den Zielmarkt analysieren

StartupValley im Gespräch mit Stephan Berg von The Bitter Truth, München

Stellen Sie sich und das Startup The Bitter Truth doch kurz unseren Lesern vor!

Seit einiger Zeit ist eine Wiederbelebung des klassischen Cocktails und somit des Cocktail Bitters Segments auf internationaler Ebene festzustellen und seit August 2006 tragen wir mit »The Bitter Truth« unseren Teil zu dieser Entwicklung bei. Alles begann während eines London Aufenthalts anlässlich der Barshow BAR ‘06 im Juni 2006. Auf dieser Messe gebaren wir, Stephan Berg und Alexander Hauck, beide Bartender aus München, die Idee, Cocktail Bitters, die in Deutschland kaum und nur in mäßiger Qualität erhältlich waren, in größerem Umfang selbst zu produzieren und zu vertreiben. 

Wir stellen Bitters auf handwerkliche Weise her. Bitters, auch Cocktail Bitters genannt, bestehen traditionell aus aromatischen Ölen und Essenzen aus Früchten, Kräutern, Wurzeln, Rinden, Samen usw. und einer alkoholischen Basis. Damit wird ein Bitter- oder Bittersüßgetränk hergestellt. Bitters werden oft als das Gewürzregal für die Bar beschrieben. Das Mischen von Cocktails ohne Bitters ist wie Kochen ohne Gewürze. 

Wichtig dabei zu wissen: Bitters sind nicht mehr bitter, wenn sie einmal Teil des Cocktails sind, sie fügen eine zusätzliche Dimension von Geschmack hinzu, schaffen Ausgewogenheit und Komplexität und runden den Mix auf die angenehmste Weise ab. Bitters sind eine Art magische Zutat, die einen durchschnittlichen Cocktail in einen großartigen verwandeln kann. 

Warum haben Sie sich entschieden ein Unternehmen zu gründen?

Es geschah alles organisch. Als ehemaliger Barkeeper in Deutschland gab es kaum Zugang zu aufregenden neuen Barprodukten und Produktneuheiten. Beim Studium alter Cocktailbücher fiel mir auf, dass Bitters überall in den Rezepten zu finden waren und in meiner Region aber kaum Bitters produziert oder vertrieben wurden. Da Bitters einst die Kategorie der Cocktails definierte, fühlte es sich einfach sehr merkwürdig an, dass es sie jetzt nicht mehr geben sollte. Ich begann, meine eigenen Bitters für den persönlichen Gebrauch in der Bar herzustellen. Als ich meinen heutigen Firmenpartner Alexander Hauck, einen ehemaligen Grafiker, kennenlernte, zählte ich 1 und 1 zusammen und beschloss, zu versuchen, daraus etwas Größeres zu machen.

Abgesehen davon, dass ich die richtigen Werkzeuge für meine eigenen Cocktails zur Verfügung haben wollte, gab es nicht den Plan, eine globale Marke aufzubauen. Das alles passierte später. Alexander Hauck hatte Grafikdesign studiert und daher auch Erfahrung mit Produktdesign. Da andere Barkeeper mit eigenen Marken damals nicht bekannt waren, gingen wir es einfach an. 

Die Hauptinspiration war dann die Nachfrage vieler Barkeeper, die unsere Produkte in ihren Bars benutzen wollten. Die Qualität und Exklusivität unserer Bitters hatte sich also herumgesprochen. Der Rest ist Geschichte – wir sind jetzt im 14. Jahr als Unternehmen.

Welche Vision steckt hinter The Bitter Truth?

Unser Slogan sagt alles aus: For better drinks. Uns geht es um Trinkkultur, um Genuss. Das ist länder- und kulturübergreifend. Was überall auf der Welt ist ein perfekter Cocktail? Ein Drink, der mich anlächelt, die richtige Temperatur hat, perfekt gemixt ist und vom Barkeeper mit einem Lächeln und guter Laune präsentiert wird. Erstklassige Zutaten wie beispielsweise unsere Bitters sind die Basis für diese Perfektion. 

Von der Idee bis zum Start – was waren bis jetzt die größten Herausforderungen und wie haben Sie sich finanziert?

Unsere ersten Versuche machten wir ausschließlich für den Eigenbedarf in den Bars, in denen wir arbeiteten. Zu der Zeit gab es wenig bis kein Interesse an Bitters. Die erste Reaktion reichte von Aufregung bis zum Unverständnis. Die ersten paar Jahre waren hart, da keine Vertriebskanäle zur Verfügung standen, die Kategorie nicht verstanden wurde und die Craft-Cocktails noch in den Kinderschuhen steckten. Wir verbrachten viel Zeit damit, über den Wert von Bitters und ihre lange Geschichte aufzuklären. Mit stetiger Arbeit konnten wir einen gewissen Vertrieb gewinnen und den Weg für andere Marken ebnen, die dann folgten – in großer Zahl und ohne Ende. Mit ständiger Innovation, Disziplin und etwas Glück haben wir langsam den Vertrieb in etwa 70 Ländern und die Glaubwürdigkeit in der Barkeeper-Gemeinschaft aufgebaut. 

Unsere ursprüngliche Kapitalinvestition war sehr gering – 600 Euro! Aber hinzu kamen viele unbezahlte Stunden, kein Lohn für die ersten Jahre, denn alle Einnahmen wurden wieder investiert.

Zu Beginn war uns der Erfolg nicht so wichtig, wir wollten eigentlich nur die „coolen Kids mit ihrer eigenen Marke“ sein. Es gab keinen Plan, eine international anerkannte Marke zu entwickeln – überhaupt nicht. Wir begannen mit ein paar Euro in der Hand, arbeiteten hart und machten einfach weiter. Es gab keinen Geschäftsplan. Wir nutzten den gesunden Menschenverstand und kamen mit einer praktischen Verpackung und einigen großartigen Geschmacksrichtungen auf den Markt. Dann warben wir für unser Produkt in der Cocktailszene auf vielen Reisen.

Eine der größten Herausforderungen jedoch war das Erlernen der Grundlagen zum Führen eines eigenen Unternehmens und der Kontrolle des eigenen Cashflows. Glücklicherweise hatte ich schon vorher Pläne gehabt, mich selbstständig zu machen, um eine eigene Bar zu eröffnen. So studierte ich deshalb neben meinem Bar-Job einige Jahre lang geschäftsrelevante Themen, insbesondere Betriebswirtschaft für Kleinunternehmer. Das hat mir sehr geholfen. Das Ziel dabei war, nicht zu viele schlechte Entscheidungen zu treffen. Manchmal sind falsche Entscheidungen zum Erkenntnisgewinn notwendig. Aber kluge Entscheidungen sollten natürlich überwiegen.

Wer ist die Zielgruppe von The Bitter Truth?

2005 waren kaum andere Bitters erhältlich, die Nachfrage war sehr gering.

Als „The Bitter Truth“-Produkte herauskamen, zogen sie aber sofort die richtigen Leute an – anspruchsvolle Barkeeper aus Leidenschaft. Die wollten gern alte Zutaten wiederentdecken und gern neue Wege des Cocktail-Mixens ausprobieren. Das half sehr. Das richtige Timing mit der richtigen Art von Produkt, eine starke Markenbildung, das Engagement für Qualität und Benutzerfreundlichkeit waren die Grundlage für die Treue, die wir seitdem von Barkeepern auf der ganzen Welt erhalten. 

Zum Cocktailfreund, der sich selbst daheim gern einen Drink mixt, war es ein längerer und holpriger Weg. Denn die Verbraucher besaßen noch weniger Wissen darüber als die Barkeeper. Aber da immer mehr Barkeeper die Werte von traditionellen Bitters sahen, griffen auch die Medien den Trend auf. Sie trugen ihn in Richtung der Verbraucher, die im Gegenzug ihre Mixing-Fähigkeiten zu Hause, auf Reisen oder bei Freunden verbessern wollten. So richtig los ging es dann, als wir unser „Bitters Traveller`s Set“ in fünf Geschmacksrichtungen in handlicher Form herausbrachten.

The Bitter Truth

Was ist das Besondere an den Produkten? Wo liegen die Vorteile? Was unterscheidet Sie von anderen Anbietern?

Während unser reguläres Bittersortiment aus einer breiten Palette von Inhaltsstoffen besteht, die alle Teile der Pflanze verwenden, konzentrieren wir uns bei den „Drops & Dashes“ ausschließlich auf einen bestimmten Bereich der Pflanze wie Wurzeln, Holz usw.. Wir verwenden verschiedene Pflanzen, aber immer den gleichen Teil der Pflanze. Das Ergebnis ist daher ganz anders im Geschmack.

Wir bieten zudem mehr geschmackliche Optionen, aber die Rezepte entsprechen den heutigen Geschmackserwartungen. Wir verwenden nur natürliche Zutaten. Glyzerin und künstliche Flavors wie bei anderen Anbietern werden niemals in unsere Produkte eingehen. Wir nutzen die traditionelle Extraktionsmethode und verwenden keine fertigen Verbindungen der Geschmacksindustrie. Es liegt letztlich am Kunden, zu entscheiden, was für seinen Körper und ihre Geschmacksnerven besser ist.

The Bitter Truth, wo geht der Weg hin? Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

Es ist wie der Blick in die Glaskugel, niemand weiß, was kommen wird. Nimmt man die Vergangenheit als Referenz für die Zukunft, so hat es immer ein Tief gegeben, das auf ein Hoch folgt, bis der nächste Höhepunkt erreicht wird. Die Frage ist einfach: Haben wir den Gipfel schon gesehen oder ist die Cocktailwelle erst auf halber Höhe Berges?

Wir glauben: Die Zukunft wird bunt und fantastisch! Die nächste Generation ist hungrig und wartet, und sie wird neue aufregende Getränke formen und Bitters benutzen, als ob es sie schon immer gegeben hätte und sie nie weg waren. Vielleicht geht der Trend auch mehr zu nichtalkoholischen Cocktails? 

Die asiatischen Märkte beginnen mehr und mehr ihre regionalen Zutaten einzubeziehen und beeinflussen somit auch die westliche Hemisphäre. Das ist eine großartige Entwicklung. 

Ich bin sicher, dass Bitters bestehen bleiben. Vielleicht nicht alle Sorten, denn die Regale sind inzwischen wirklich voll, aber die besten Marken und diejenigen, die ein diversifiziertes Portfolio haben, werden noch für die nächsten Generationen da sein. Geschmacklich gibt es fast alles. 

Mit der Palette von „The Bitter Truth“, 13 Bittersorten aller Formen und Geschmacksrichtungen, kann man etwa 99 Prozent aller Getränke abdecken, die es gibt – sicher auch noch in fünf Jahren.

Zum Schluss: Welche 3 Tipps würden Sie angehenden Gründern mit auf den Weg geben?

1. Den Zielmarkt analysieren: In unserer Branche beispielsweise macht es aus heutiger Sicht nicht mehr so viel Sinn, seine eigenen Bitter herzustellen. Auf diesem Markt tummeln sich mittlerweile genug Wettbewerber. Wir raten Barkeepern, ihre Freizeit lieber auf Sport oder die Ausübung eines Hobbys zu konzentrieren oder einfach Zeit mit ihren Lieben zu verbringen.

2. Den Bedarf prüfen: Wenn wir eine neue Art von Bitter herstellen, schauen wir normalerweise zuerst, was gibt es noch nicht? Was könnte Cocktailmixen voranbringen? Es muss ein Bedarf bestehen, auch wenn niemand den Bedarf zu diesem Zeitpunkt sieht. Um ein Beispiel zu nennen: Olivenbitter – es gab keinen, bis wir einen entwickelt haben. Denn Olive ist ein beliebter Geschmack und gelegentlich wird er in Getränken wie dem Dry Martini oder dem Dirty Martini verwendet.

3. Etwas entwickeln, was man selbst mag: Für uns ist es also ganz natürlich, eine Idee zu haben, ein Produkt zu entwickeln, das wir selbst mögen. Dann legen wir es in die Hände des Barkeepers.

Und noch drei Kurztipps: 


Finden Sie einen guten Namen für Ihre Marke und machen Sie sie zu einem Markenzeichen – der erste Schritt!
Finden Sie einen guten Steuerberater, zweiter Schritt!
Unterschreiben Sie eine Produktversicherung, nur für den Fall der Fälle – der dritte Schritt!

Fotograf: Jochen Hirschfeld

Weitere Informationen finden Sie hier

Wir bedanken uns bei Stephan Berg für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

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