Bosch Business Innovations baut gemeinsam mit externen Gründerinnen und Gründern neue, technologiegetriebene Geschäftsmodelle auf und etabliert Venture Building als langfristigen Wachstumsmotor im Konzern
Herr Deniz, viele Corporate Venture Builder wie Allianz, ProSiebenSat.1 oder SAP haben ihre Aktivitäten eingestellt. Warum scheitern so viele dieser Modelle – und was macht Bosch Business Innovations anders?
Das stimmt, Venture Building in der westlichen Welt erlebt eine Art Winter. Zahlreiche Corporates in Europa und USA haben sich erstmal zurückgezogen. In anderen Teilen der Welt zeigt sich ein völlig anderes Bild: In APAC oder MENA, selbst in Sub-Saharan Africa, ist Venture Building sehr stark im Venturing-Mix vieler Corporates vertreten. Wir sind als Global Player natürlich in der Luxussituation, hier entscheiden zu können, in welcher Region wir Venture Building machen und wo nicht.
Aber nicht nur beim Wo, auch beim Wie wollen wir eigene Maßstäbe setzen: Unsere Ventures sollen nicht opportunistisch entstehen, sondern auf Basis definierter Investment-Thesen, wir sagen „Beyond Business“-Bereiche dazu, also eher weiter vom Core. Wir bauen nur dort Ventures, wo Märkte neue Player aufnehmen können und wo wie als Konzern starke „unfaire Vorteile“ in die Ventures übertragen können. Konkret ist unsere erste Frage: Können wir einem neuen Venture aus dem sehr starken Research- und IP-Portfolio von Bosch heraus einen Technologievorsprung von zwei Jahren verschaffen? Wenn die Antwort Nein lautet, fangen wir gar nicht erst an.
Sie sprechen davon, Venture Building nicht als kurzfristigen Innovationstrick, sondern als verlässlichen Business-Baustein zu etablieren. Wie gelingt die Transformation von einer Hype-Einheit hin zu einer dauerhaften Innovationsfabrik?
Zunächst mal hätte ich nichts gegen etwas Hype (lacht)! Bosch ist im systematischen Bauen von Spin-offs erst seit 2025 aktiv, wir sind noch gar nicht wirklich bekannt genug im Innovationsökosystem! Wie werde ich einer AAA-Star-Founderin erklären, ihr nächstes Venture mit uns zu bauen? Ohne zumindest ein bisschen Hype wird das nicht gehen.
Aber im Ernst: Nach innen musst Du normalerweise Konzern-Dauerbrenner, wie Ungeduld, Leadership-Wechsel, Strategieschwenks und Kostenprogramme gut navigieren. Das ist bislang weniger mein Thema. Ich habe bei Bosch ein besonnenes Umfeld und sehr klare und professionelle Entscheider im Top-Management vorgefunden, was mich sehr positiv stimmt. Dennoch musst Du natürlich Erfolge vorweisen und nach innen wirklich relevant sein, nicht nur als „kleine Startup-Truppe“ wirken, sondern als wichtiger Player in der Transformation Ihres Konzerns etwas bewegen.
Im Kerngeschäft des Venture Buildings gefällt mir der Begriff der „Innovationsfabrik“ gut, Venture Building muss wie eine Maschine sein: Viele Experimente, schnelles und häufiges Neinsagen. Dabei hilft es, dass Venture Building als Handwerk schon etabliert ist. Eigentlich ist aus den früheren Erfahrungen vieler anderer Unternehmen schon klar, wie es auf jeden Fall nicht geht. Man kann also recht einfach auf ein Playbook kommen, wie es gehen kann. Dann muss man sich da im Aufsatz von Team und Strukturen schnell auf einen hohen Reifegrad bringen, nicht rumwurschteln und denken, man kann alles allein.
Deshalb schauen wir stark nach außen, Bosch hat großartige Technologie, aber für ein Venture braucht es mehr! Wir öffnen uns sehr systematisch für Entrepreneure, andere Corporates, Universitäten, Scale- und Startups sowie externe Kapitalgeber, nur gemeinsam mit tollen Gründerinnen und Gründern sowie komplementären Partnern wird es gehen. „Ökosystem statt Egosystem“ ist unsere Grundüberzeugung, um ein nachhaltiges neues Buiness zu haben.
Die Stiftungsstruktur von Bosch wird oft als Besonderheit hervorgehoben. Inwiefern gibt sie Ihnen tatsächlich die Freiheit, jenseits von Quartalsdenken langfristige Innovationspfade zu verfolgen?
Die Stiftung hält 94 Prozent der Anteile an der Robert Bosch GmbH. Das ist anders als bei vielen Anderen. Auch der Leitsatz “Technik fürs Leben” bei Bosch ist besonders und verpflichtet uns. Also ja, wir sind strategisch nicht vom nächsten Quartalsergebnis abhängig. Aber im Operativen handeln wir trotzdem so, als wären wir es! Eine „sense of urgency“ ist sehr wichtig. So arbeiten Startups, so wollen wir auch arbeiten.
Wie nutzen Sie die weltweit einmalige Patentbibliothek von Bosch konkret, um neue Ventures mit nachhaltigem Wettbewerbsvorteil aufzubauen?
Stimmt, die Ausgangslage ist tatsächlich außergewöhnlich und wie gemalt für Venture Building: Bosch hält über 76.000 aktive Patente weltweit. Jeden Tag kommen viele weitere dazu. Noch spannender ist es, wo die herkommen: Aus den Köpfen sehr vieler schlauer Menschen! Bosch ist eines der forschungsstärksten Industrieunternehmen der Welt -mit mehr als 20.000 Forscher:innen und Developern in Forschungsstandorten auf mehreren Kontinenten.
Nun ist es allgemein bekannt, dass sich viele forschende Unternehmen schwertun, vom Lab zum Business zu kommen. Geoffrey Nicholson hat gesagt: “Research is the transformation of money into knowledge; innovation is the transformation of knowledge into money”. Bei Letzterem hakt es oft, besonders in Europa.
Kurz gesagt, wollen wir unseren Ventures Jahre an Entwicklungszeit sparen und damit die Technologierisiken reduzieren, die mit Early-stage Ventures einhergehen, insbesondere bei DeepTech und Hardware. Deshalb greifen wir gezielt auf diese Infrastruktur bei Bosch zu. Das ist mehr als ein einfacher Griff zu einem Technologiestapel im Regal oder zu einem Patent. Wir wollen den Ventures auch Zugang zu Wissen, Expert:innen und Systemverständnis geben. Nach der frühen Phase geht es dann um Skalieren und Industrialisieren. Dafür haben wir „Venture Scouts“, die Bosch wie Trüffelschweine vom Keller bis zum Dachboden durchsuchen und die gefundenen Assets den Ventures systematisch zuführen. Ein konkretes Beispiel im Kontext unserer Investmentthese Carbon Capturing: Da gibt es beispielsweise weltweit bei Bosch über 100 relevante Patente im Bereich der CO₂-Entnahme und mehr als 1.000 Forschende mit Domänenwissen plus ein belastbares Netzwerk in der Industrie.
Venture Building ist stark vom Fokus abhängig. Warum sind klare Investment-Thesen – beispielsweise im Bereich Carbon Capturing – entscheidend für den langfristigen Erfolg?
Ohne klare Thesen verliert sich Venture Building in Opportunismus oder Trendjagd. Nachhaltiger Erfolg in jeder Form des Corporate Venturing entsteht nur, wenn in Portfolios gedacht wird, die so diversifiziert wie nötig aber so fokussiert wie möglich sind. Also: Erstmal immer nur in jenen Themen Ventures bauen, von denen man auch etwas versteht und wo man „defensible tech“, also den unfairen Vorteil hat, siehe oben. Dann sollte man innerhalb einer These, bzw. eines Suchfelds vertikal mehrere Ventures bauen, um Synergien zu haben. Es sollte dann hinreichend Thesen geben, um keine Klumpenrisiken zu produzieren.
Aber auch nicht zu viele, um sich nicht zu verzetteln. Wir planen ca. fünf Themen in den nächsten fünf Jahren ein. Aktuell konzentrieren wir uns noch auf zwei Thesen: Erstens auf softwaredefinierte Fertigung, mit dem Ziel, Produktionsprozesse durch intelligente Softwarelösungen fundamental neu zu denken. Zweitens auf Carbon Capturing – ein Feld, in dem wir mit Hilfe unserer Technologien eine Kohlenstoff-Kreislaufwirtschaft ermöglichen wollen. Zudem geben wir in Kürze eine neue These bekannt. Diese Felder stehen erst am Anfang ihrer Entwicklung und adressieren Probleme, die bleiben. Genau dort sehen wir unseren Platz als Corporate Venture Builder.
Sie selbst kommen aus der Welt der Startups als Seriengründer. Wie prägt diese unternehmerische Erfahrung Ihre Arbeit als CEO eines Corporate Venture Builders im Konzernumfeld?
Ich habe mehrere Jahre in San Francisco gelebt und habe dort aus erster Hand erfahren, dass es ein ganzes Ökosystem braucht, um ein Startup großzuziehen. Diese Erkenntnis ist bei mir hängen geblieben. So denken wir bei Bosch Business Innovations auch in Ökosystemen. Als Gründer habe ich zudem erlebt, wie es ist, mit einer Idee ganz am Anfang zu stehen: Man ist voller Energie, aber auch voller Unsicherheit. Ich weiß, wie schwer es ist, die ersten Kunden zu gewinnen, Investoren zu überzeugen und gleichzeitig das Team zusammenzuhalten. Und ich weiß auch, dass viele Gründer ein mulmiges Gefühl haben, wenn ein großer Konzern ins Spiel kommt – die Sorge, Momentum zu verlieren oder die Kontrolle über die eigene Innovation abzugeben.
Genau da setzen wir bei Bosch Business Innovations an: Wir verstehen uns nicht als Kontrollinstanz, sondern als Partner. Unsere Aufgabe ist es, Gründerinnen und Gründer zu unterstützen, ohne ihre Eigenständigkeit einzuschränken. Wir wollen die Innovationskraft verstärken, nicht eindämmen. Für mich persönlich ist das die wichtigste Lehre aus meiner eigenen Gründerzeit: Ein Corporate Venture Builder darf keine Bremse sein, sondern muss Beschleuniger und Sparringspartner auf Augenhöhe sein.
Welche Rolle spielen Partnerschaften mit externen Startups und VCs in Ihrer Strategie – und wie unterscheidet sich Ihr Ansatz von klassischen Corporate Venture Capital-Modellen?
Wir sind keine Corporate Venture Capital-Einheit, das macht bei uns Bosch Ventures und das sehr erfolgreich. Wir investieren nur in Ventures, die wir selbst mit bauen: Von Gründern und Gründerinnen geführte Spin-offs. Dabei setzen wir bewusst auf Partnerschaften. Wir arbeiten eng mit Early-stage Venture Capital-Investoren zusammen, denn wir sind überzeugt, dass unsere Ventures für sie einen sehr interessanten Dealflow darstellen! Für unsere Ventures ist es eine Auszeichnung, sich auch Kapital am Markt zu beschaffen. Diese Offenheit für externe Co-Investoren unterscheidet uns deutlich von vielen anderen Corporate Venture Buildern.
Innovation im Konzern stößt oft an kulturelle Grenzen. Wie schaffen Sie es, Unternehmergeist in einem traditionsreichen Unternehmen wie Bosch lebendig zu halten?
Der Firmengründer Robert Bosch ist ein Musterbeispiel für Entrepreneurship. Heute ist der Geist noch da, Bosch legt großen Wert auf Innovation und investiert viel, damit sie gelingt. An der Technik scheitert Innovation in der Regel nicht, aber Technik alleine reicht nicht aus, das Unternehmertum ist die andere Seite. Deshalb setzen wir darauf, gezielt Entrepreneure von außen in das Venture Building zu holen. Gründerinnen und Gründer bekommen bei uns eine Plattform, um Ideen voranzubringen, bei denen das Technologierisiko schon reduziert wurde. So gelingt es uns, Unternehmertum bei Bosch nicht nur lebendig zu halten, sondern gezielt zu fördern.
Ihr Anspruch reicht über Dekaden. Welche Themenfelder sehen Sie als entscheidend für die kommenden 10 Jahre Venture Building – und wie wollen Sie diese konkret besetzen?
Wir investieren viel Mühe in unsere Investmentthesen. Plausible mögliche Zukünfte gibt es viele. Grundsätzlich werden sich die Zukunftsfelder im Venture Building an den großen Domänen unserer Zeit orientieren: Wie wir uns fortbewegen, elektrifizieren, ernähren, gesund halten, wie wir produzieren und bauen – diese Value pools werden interessant bleiben, ungeachtet der vielen Tansformationen rund um AI, Klimawandel oder Geopolitik, die die nächsten 10 Jahre prägen werden.
Zum Schluss: Wenn Sie einen Blick in die Zukunft werfen – wie soll Bosch Business Innovations im Jahr 2040 dastehen?
Wenn ich an das Jahr 2040 denke, sehe ich Bosch Business Innovations nicht mehr als klassische Innovationseinheit, sondern als den Ort, an dem Bosch seine nächsten großen Geschäfte aufgebaut hat, die in ihrem Segment weltweit Maßstäbe setzen.
Bild Fotocredit Christina Politidou, Bosch Business Innovations GmbH
Wir bedanken uns bei Axel Deniz für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

























