Donnerstag, November 21, 2024
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ESG – Chance oder Wertvernichtung?

Auch bei Start-ups wird der Begriff „ESG (Environmental, Social, Governance)“ immer geläufiger, da dieser bereits letztes Jahr bei der Mehrzahl der Venture-Capital-Gesellschaften (kurz: VC’s) im täglichen Gebrauch angelangt ist.

ESG in diesem Rahmen steht für eine regelkonforme, nachhaltige Entwicklung eines Start-ups in Richtung sozialer, umwelt-, klimabezogener Zielstellungen (Vgl. 17 SDG’s der UN).

Die Branche bewegt sich schnell vorwärts und Nachzügler könnten in Zukunft bestraft werden. Weitsichtige Gründer haben diesen Punkt bereits auf ihrer Agenda. Dabei könnten ESG-Kriterien künftig Einfluss auf den Erfolg eines Start-ups haben. Dies zeigt sich bereits auf der Suche nach passenden VC-Investoren, denn werden ESG-Kriterien nicht eingehalten, so könnten künftig Start-ups bei ihrer Kapitalbeschaffung, dem sogenannten Fundraising, unter Umständen eine Finanzierungsrunde verwehrt bleiben. Bedingt wird dies durch die Investitionskriterien der Fonds, welche teilweise von der Einteilung der Fonds als Artikel 6, 8 oder 9 SFDR-Fonds abhängig sind.

Dadurch, dass derzeit viele VC-Fonds neu aufgelegt werden, steigen grundsätzlich die Bewertung von Start-ups, die sich mit Themen der Nachhaltigkeit beschäftigen, denn wo die Nachfrage steigt, steigt generell auch der Preis. Vor allem in den Bereichen Carbon-/CO2-Reduction sowie im Bereich FoodTech, wie alternative Proteine, oder auch in Smart-City-Lösungen werden derzeit sehr hohe Bewertungen wahrgenommen. Vor allem unter Berücksichtigung der aktuellen geopolitischen Situation können Start-ups beispielsweise aus dem Energiebereich schnell hohe Aufmerksamkeit gewinnen, da sie mehrere gesellschaftliche Herausforderungen lösen.

Sich keinem Investor verschließen

ESG-Praktiken sollen dabei helfen, dass ein Start-up langfristig operativ gut funktionieren kann, was sich schlussendlich positiv auf die Bewertungen auswirkt, denn beim Exit fallen die Bewertung eines ESG-konformen Start-ups eindeutig höher aus. Daher dürfte dies für so manchen Gründer bereits eine Ambition darstellen, künftig ESG zu implementieren. Zudem ist die Integration von ESG wichtig, um sich keinem potentiellen Käufer zu verschließen, denn Konzerne, bzw. Corporates achten darauf überwiegend ESG-konforme Unternehmen zu akquirieren, da diese sich ebenfalls positiv auf deren ESG-Außendarstellung auswirken.

Dies geht sogar so weit, dass Investoren sich an Start-ups beteiligen, die die größte CO2-Einsparung erzielen, um sich positiv für die „Rettung des Klimas“ einzusetzen sowie gleichbedeutend damit Renditen zu erzielen.

Bedeutung im VC-Beteiligungsprozess

Welche Veränderungen sind für Start-ups im Rahmen des Beteiligungsprozesses mit einem VC zu erwarten? Die Integration von ESG in den Beteiligungsprozess von VC-Fonds hat diverse Neuerungen mit sich gebracht. Folgend finden Sie ausgewählte Aspekte, welche auf Gründer im Rahmen von Beteiligungsprozessen/Finanzierungsrunden zu kommen können.

ESG-Due Diligence & -Aktionsplan:

Die ESG-Due Diligence ist ein aktueller Zusatz zu der bereits bekannten Due Diligence (kurz: DD) des Investors. Hierbei wird mit Hilfe von Fragebögen der aktuelle Stand der Integration festgestellt, wobei mögliche ESG-bezogene Herausforderungen künftig antizipiert werden sollen. Einige Fonds, welche bereits als Artikel 9 SFDR-Fonds aufgestellt sind, verwenden hierbei sogar eine zweistufige DD.

Die Fragebögen oder kurz DDQ‘s variieren abhängig von Branche und Industrie, bzw. Technologie. Je nach verwendetem Standard (Framework) kann es dazu führen, dass ein Start-up gleich mehrere verschiedene ESG-Questionnaires der Investoren beantworten muss. Auf Basis der Ergebnisse der ESG-DD wird untersucht, wo genau die positiven Auswirkungen des Start-ups stattfinden, inwieweit sie gesteigert werden können und wie mögliche negative Auswirkungen verringert werden können.

Ein Ergebnis der ESG-DD kann auch der ESG-Aktionsplan sein, welcher mit Hilfe von messbaren Indikatoren (ESG-KPIs), die Basis der Zusammenarbeit im Portfoliomanagement bzgl. des ESG-Reportings darstellt. Jedoch zeigt sich, dass die Fonds ebenfalls realistisch sind und keine vollumfassende ESG-Integration erwarten, sondern vielmehr die Bereitschaft der Gründer die Integration von ESG in ihrem Unternehmen künftig gemeinsam voranzutreiben.

ESG-Klauseln im Beteiligungsvertrag:

ESG-Klauseln sind ein neuer Aspekt des Beteiligungsvertrages, welche die rechtliche Grundlage der künftigen Zusammenarbeit bzgl. ESG darstellen. Oftmals wird bei den VCs die Klausel der LFCA (Leaders for Climate Action) verwendet, die u. a. zu einer CO2-Ausstoß-Messung verpflichtet und recht „offen“ formuliert ist. Hier ist ebenfalls zu erwarten, dass Klauseln künftig zielgerichteter und spezifischer formuliert werden, was in einer genaueren Definition der ESG-bezogenen Verpflichtungen der Gründer mündet.

ESG-Reporting, Monitoring & KPIs:

Nun nach dem Investment bzw. dem Einstieg des/der Investoren beginnt die Berichtserstattung, das Reporting, des Start-ups bzgl. ESG-Daten, was in der Regel einmal im Jahr, halbjährlich oder in seltenen Fällen öfters erwartet wird.

Einher geht hiermit die Umsetzung des ESG-Aktionsplanes, welche gezielte Maßnahmen darstellt. Ziel des gesamten Maßnahmenpaketes ist die Erfüllung vertraglicher sowie regulatorischer Reportingverpflichtungen (zu den Limited Partners (kurz: LPs)) der Fonds. Somit gehen die ESG-Daten vom Start-up, wo sie gemessen werden, weiter zum VC und von da aus an die LPs. Über ein entsprechendes Reporting (auch nach EU-Taxonomie-Verordnung und SFDR) werden die umgesetzten Inhalte zu einer zeitlich vereinbarten Taktung den LPs vorgelegt. Die Definition von Schlüsselwerten wird auch für das Geschäftskonzept eines Start-ups immer relevanter.

Wird Nachhaltigkeit innerhalb eines Start-ups betrachtet, gehört es zur gängigen Praxis, dass VCs hinterfragen, wie das Produkt oder die Dienstleistung eines Start-ups einen nachvollziehbaren und messbaren Wert für die Gesellschaft und/oder die Umwelt schaffen können, z.B. entlang der SDGs (Ziele für nachhaltige Entwicklung der UN) oder spezifisch als Teil der SDGs durch CO2-Emissionsreduzierung und anderen Zielen.

Auf Basis der genannten Aspekte empfehlen die Autoren:

Das Thema ESG perspektivisch „auf dem Schirm zu haben“, grundlegende Bereitschaft zu Kooperation bzgl. ESG zu zeigen, um sich keinem Investor zu verschließen und möglichst auch künftig angemessen finanziert zu sein. Wie restriktiv die vorgebende Regulatorik in fünf oder zehn Jahren sein wird und ob diese im Ziel der gesamten VC-Branche steht, bleibt abzuwarten. Es zeichnet sich jedoch ein Nachhaltigkeits-Trend im VC-Ökosystem ab, um Dealflow zu qualifizieren.

Jan Alexander Schmidt, LL.M.und Devin Turturice, LL.M.
Gemeinsam unterstützen wir langfristig Start-ups bei ihren Finanzierungsrunden im Rahmen der Pro.melius Capital (www.promelius.de), einer unabhängigen Beratungs-Boutique im Bereich Venture Capital und M&A mit Fokus Fundraising & Strategy.

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

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