Donnerstag, Oktober 10, 2024
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Finnischer Entrepreneurship-Studiengang kommt nach Deutschland

Erste Team Academy im deutschen Sprachraum startet zum Herbst in Bremerhaven

In Deutschland befindet sich die Gründerquote auf einem Tiefpunkt. Die Zahlen des Deutschen Startup Monitor 2017 sprechen eine deutliche Sprache. Hauptgründe sind der Fachkräftemangel und der insgesamt starke Arbeitsmarkt. Warum selbst etwas Neues wagen, wenn es viele gemachte Nester gibt, in die man sich setzen kann?

Beratungsangebote, Förderprogramme und Gründerzentren sind notwendige Voraussetzungen, aber offenbar nicht hinreichend, um den geringen wirtschaftlichen Gründungsanreiz auszugleichen. Vor diesem Hintergrund erscheinen großstädtische Gründungskulturen umso wichtiger. Sie bilden sich bevorzugt im Umfeld forschungsorientierter Hochschulen mit Technologieschwerpunkten und repräsentieren ein Lifestyle-Ideal, das nur teilweise ökonomisch begründbar ist.

Doch was ist mit kleineren Städten ohne große Gründerszene? Haben sie überhaupt eine Chance auf engagierte Entrepreneure, auf innovative Gründungen und eine Zukunft als Standort für „Game Changer“?

Bremerhaven beantwortet diese Frage für sich mit einem lauten Ja! Die Seestadt mit ihren 110.000 Einwohnern hat eine Hochschule, die so experimentierfreudig ist, wie nur wenige in Deutschland. In den letzten 15 Jahren wurde sie für ihre innovativen Vorhaben fast jährlich durch den Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft ausgezeichnet.

Hochschule Bremerhaven zeigt Gründerspirit

Das jüngste und vielleicht radikalste Vorhaben startet im Oktober 2018: der Bachelorstudiengang „Gründung, Innovation, Führung“ (GIF), einer deutschlandweit einzigartigen Kreuzung aus Wirtschaftsstudium und Gründerzentrum. Darin lernen die Studierenden, indem sie in Teams echte Unternehmen gründen und diese nach eigenen Vorstellungen und im engen Kundenkontakt entwickeln und aufbauen.

Laut Initiator und Studiengangleiter Michael Vogel sollen die Studierenden sich gar nicht erst als solche fühlen. „Vom ersten Tag an übernehmen die Studierenden, die wir Teampreneure nennen, Verantwortung für sich, für ihr Team, für den Studiengang und vor allem für ein Unternehmen, deren Gesellschafter sie sind“, so Vogel, der seit 2003 Wirtschaftsprofessor in Bremerhaven ist und damals Europas ersten Seetouristik-Studiengang ins Leben rief.
„Den didaktischen Kern bildet eine Kombination aus Learning-by-Doing, Lernen aus Fachlektüre, sowie Lernen durch Dialog und Reflexion im Team. Im Grunde wird in unserem Studiengang genauso gelernt, wie Entrepreneure es tun, nämlich durch selbständiges Einarbeiten, durch den Austausch mit anderen, durch Planen, Ausprobieren, Evaluieren und Schlüsse ziehen.“

Studieninteressierte zeichnen sich somit vor allem durch Neugier, Eigeninitiative, Offenheit und die Lust auf eine ganz neue Lernerfahrung aus. Praxiserfahrung ist ein Plus, aber keine zwangsläufige Voraussetzung.
Das Vorbild des neuen Bremerhavener Entrepreneurship-Studiengangs gibt es schon 25 Jahre. Es entstand 1993 an der Hochschule der Provinzstadt Jyväskylä in Zentralfinnland als Reaktion auf den Zusammenbruch des Ostblocks. Mit dem Wegfall eines Großteils der sowjetischen Nachfrage stürzte Finnland in eine Rezession. Die Hochschulen entließen ihre Absolventen in die sichere Arbeitslosigkeit. Da kam dem Dozenten Johannes Partanen die Idee, die Studierenden schon im Studium ihre künftigen Arbeitsplätze schaffen zu lassen: Unternehmen, die die Studierenden zum Lernen gründen und die die Chance haben, hinterher am Markt weiterzubestehen. Da das im Team besser funktioniert als im Alleingang, richtete er das gesamte das Lernmodell auf Teamprozesse aus und nannte es „Tiimiakatemia“, also Team Academy.

Seit zehn Jahren erfreuen sich Team Academies wachsender Beliebtheit. Rund 30 solcher Studiengänge sind in einem Dutzend Länder in Betrieb – aber nicht im deutschsprachigen Raum. Das wird sich dank der Hochschule Bremerhaven zum Wintersemester ändern.

Radikal anderes Lernen

Nicht nur die Rolle der Studierenden, auch die der Lehrenden unterscheidet sich bei GIF grundlegend von herkömmlichen Wirtschaftsstudiengängen. Dazu Professor Vogel: „In Team Academies gibt es keinen vorgegebenen Wissensbestand, der vermittelt wird, sondern nur vorgegebene Lernaktivitäten. Die Teampreneure erschließen sich das dafür nötige Wissen selbst, wie sie es auch später im Berufsleben tun müssen. Dabei werden sie von Team Coaches begleitet, die besonders auf die Arbeits-, Kommunikations- und Lernprozesse achten.“

Vogel, sein Team und die vielen Unterstützer, die sich um die Initiative bereits versammelt haben, sehen in der Bremerhavener Team Academy einen Katalysator für Entrepreneurship, der auch ohne ausgeprägte Gründerszene funktioniert – und sogar den Kristallisationskern dafür bilden kann. Das zeigt das Vorbild aus Finnland. Dort ist die Hälfte der Absolventinnen und Absolventen auch zwei Jahre nach dem Abschluss noch im eigenen Unternehmen tätig. Weltrekord!

Weitere Infos über den Bachelorstudiengang „Gründung, Innovation, Führung“ (GIF) gibt es unter www.unternimm-doch-was.de.

Bild: Prof.Dr.Dr. Michael Vogel Bildquelle/ Fotograf: Clas Jacobsen.

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