In der Hoffnung, in Zeiten von Fachkräftemangel einen Anreiz für Top-Talente zu schaffen, trat vor einem Jahr das Fondsstandortgesetz in Kraft. Das Ziel: Unter anderem sollen Mitarbeitendenbeteiligungen in Fondsgesellschaften und Startups erleichtert und mit ihnen steuerliche Vorteile verbunden werden. Aber wie kommt das Gesetz in der Gründerszene an?
Wir haben bei Gründer*innen nachgefragt und es wird klar: Es gibt noch einiges zu tun.
Was besagt das Gesetz?
Ein Paragraph des Fondsstandortgesetzes soll Mitarbeitendenbeteiligungen einfacher und günstiger machen. Dabei müssen die Einkünfte aus der Übertragung der Vermögensbeteiligung zunächst nicht besteuert werden. Erst zum Zeitpunkt der Veräußerung, spätestens nach zwölf Jahren, oder bei einem Arbeitgeberwechsel wird diese fällig. Langfristig gesehen können so die Mitarbeitenden an das Unternehmen gebunden und durch das umfangreichere Mitspracherecht die Motivation gesteigert werden.
Die Absicht dahinter ist klar: Deutschland als Gründungsstandort zu positionieren und für Talente aus dem Ausland attraktiver zu machen. In der Theorie also ein guter Vorstoß.
Umfrage zeigt: Das Gesetz verfehlt sein Ziel
In der Praxis zeigen sich jedoch Schwächen. Während das Gesetz der deutschen Startup-Szene vor einem Jahr noch die Hoffnung gab, weiter zu wachsen und gestärkt zu werden, sieht die Realität eher ernüchternd aus. ESB Invest und die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern (MBMV) haben in einer Befragung unter Gründer*innen herausgefunden: Zwar empfinden 90 Prozent der befragten Startups Mitarbeitendenbeteiligungen als sinnvoll, aber nur jede*r Fünfte setzt diese auch aktiv um.
Die Schlussfolgerung: Würde der Staat bessere Bedingungen schaffen, würden mehr Startups Mitarbeitendenbeteiligungen nutzen.
VSOP ist beliebter als ESOP
Wer seine Mitarbeitenden am Startup beteiligt, setzt fast ausschließlich auf Virtual Stock Option Plan (VSOP). Während dabei virtuelle Anteile an die Mitarbeitenden verkauft werden, sind es bei Employee Stock Option Plan (ESOP) echte Unternehmensanteile, die erworben werden können. Das hat verschiedene Gründe: Einerseits ist die Umsetzung durch Standardisierungen bei VSOP einfacher als bei ESOP. Andererseits sind die steuerlichen Vorteile bei der VSOP-Variante höher und leichter geltend zu machen. Die Umfrage bestätigt: VSOP gilt nach wie vor als best practice in der Branche.
Gründe für den Misserfolg
Was die Startup-Szene am Fondsstandortgesetz am meisten bemängelt: die fehlende Aufklärung über die Möglichkeiten, die das Gesetz bietet, sowie über konkrete Unterstützung bei der Umsetzung. Als weitere Gründe für die Zurückhaltung bei der Anwendung des Fondsstandortgesetzes werden Unsicherheiten über den zeitlichen und monetären Aufwand, zum Beispiel für Anwälte, sowie die fehlende Zeit, sich intensiv mit dem umfangreichen Gesetz auseinanderzusetzen, genannt.
Es wird wieder deutlich: Interesse ist vorhanden, aber es wird Gründer*innen noch nicht leicht genug gemacht.
Die Politik ist gefordert
Was als volle Fahrt voraus angekündigt war, entpuppt sich als Trip mit angezogener Handbremse. Für die Politik ist es nun unumgänglich, mit Gründenden ins Gespräch zu gehen, um das Gesetz gemeinsam weiterzuentwickeln – und zwar so, dass es in der Praxis an Relevanz gewinnt und nicht bloß auf dem Papier gut aussieht.
Denn in Zeiten von Remote-Work und der zunehmenden Vernetzung in der Welt werden Arbeitskräfte immer freier in der Wahl ihrer Arbeitgeber. Nur mit den richtigen Argumenten und möglichst einfachen Prozessen können deutsche Startups Top-Talente für sich gewinnen. Wie wichtig das für die Innovationskraft unseres Landes ist, brauchen wir wohl nicht zu betonen.
Bis dahin können Investor*innen, Business Angels und Gründungsorganisationen nur unterstützend zur Seite stehen und versuchen, mit ihrem Know-how und finanziellen Mitteln die Lücke, die das Fondsstandortgesetz derzeit noch hinterlässt, zu schließen.
Titelbild Maximilian Block
Autoren
Maximilian Block ist Geschäftsführer der Venture-Capital-Gesellschaft ESB Invest. Der Frühphasen-Investor setzt vor allem auf den Austausch von persönlichen Erfahrungen, Netzwerk und Wissen. Mario Mietsch ist als Prokurist der MBMV, dem größten Risikokapitalfinanzierer in Mecklenburg-Vorpommern, insbesondere verantwortlich für Frühphasen- und Venture-Capital-Investments.
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder