Dienstag, Juli 1, 2025
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Kann ein Spiel das Herz für Zahlen öffnen?

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Tuktoro lernspielzeug interaktiv Andreas Häring (Foto) und Elisha Benner präsentieren den Interaktiven Lernbegleiter „TukToro“. Sie erhoffen sich ein Investment von 400.000 Euro für 8 Prozent der Firmenanteile. Foto: RTL / Bernd-Michael Maurer

TukToro entwickelt interaktives Lernspielzeug für Kinder im Vorschulalter und wird am 16. Juni 2025 in der Höhle der Löwen pitchen

Wie entstand die Idee zu TukToro, und welche Personen stehen hinter der Gründung des Unternehmens?

Elisha Benner: Als ich noch klein war, spielte meine Mutter häufig mit uns Würfelspiele, sie ist Lernpsychologin und das war der effektivste Weg, Kindern mit Rechenschwäche (Dyskalkulie) das abstrakte Konzept der Mathematik verständlich zu machen. Lernspielzeug war dabei besonders hilfreich. Warum? Es war interaktiv, es war greifbar, aber vor allem hatte es sehr viel Spaß gemacht und das motivierte mich enorm.

Und dann vor ungefähr zwei Jahren verging meinem Neffen die Lust daran, langweilige Arbeitsblätter zu lösen und so kam mir die Idee für ein interaktives Würfelspiel, mit dem Kinder von vier bis acht Jahren Mathematik lernen.

Ganz spielerisch, haptisch und doch mit System. Wir nennen es: „TukToro“.

Welche Vision verfolgt TukToro, und welche Schritte unternehmen Sie, um diese zu verwirklichen?

Wir haben die Vision, dass Kinder mehr Spaß an der Welt der Zahlen entwickeln und sie sich später in der Schule weniger schwer tun, denn noch immer gehört Mathe zu den am wenigsten beliebten Fächern. Würden Kinder schon ganz am Anfang spielerischer und kindgerechter an das ganze Thema herangeführt, gäbe es weniger Frust und Unlust. Wir hoffen, dass wir mit TukToro einen Impact haben und es schaffen, mehr Freude bei Kindern für Mengen und Zahlen zu wecken.

Wer zählt zur Hauptzielgruppe von TukToro, und wie stellen Sie sicher, dass deren spezifische Bedürfnisse erfüllt werden?

Unser Lernspielzeug richtet sich aktuell an Kinder im Vorschulalter und perspektivisch an Schulkinder in der 1. und 2. Klasse, also an Kinder zwischen vier und acht Jahren. Genau dafür haben wir die Spiele entwickelt, gemeinsam mit erfahrenen Lernpädagogen. Zudem haben wir viele Tests mit Kindern dieser Altersgruppe durchgeführt, die uns immer wieder gezeigt haben, was gut funktioniert und was wir besser machen können. 

Warum fiel die Entscheidung, sich bei „Die Höhle der Löwen“ zu präsentieren? Welche Aspekte stehen dabei im Vordergrund?

Die Höhle der Löwen ist ein bekanntes und sehr aufmerksamkeitsstarkes Format. Gerade für Gründer ist es eine große Chance, sowohl öffentlich wahrgenommen zu werden, als auch erfahrene und tolle Investoren mit an Bord zu holen.

Welche Form der Unterstützung wird durch die Teilnahme an der Show angestrebt? Wie soll eine mögliche Investition oder Zusammenarbeit genutzt werden?

Generell wünscht sich jedes Start-up eine Beteiligung durch einen der Löwen. Dadurch kommt auf einen Schlag nicht nur Kapital, sondern auch ganz viel Expertise und Wissen in das Unternehmen. Wir konnten die tonies-Gründer Patric Faßbender und Marcus Stahl für uns gewinnen und mit ihnen unsere Serienproduktion auf ein anderes Level heben.

Welche nächsten Schritte sind nach der Show geplant? Gibt es konkrete Pläne für Wachstum, Skalierung oder neue Entwicklungen?

Wie auch schon während des ganzen letzten Jahres, setzen wir auf Skalierung und Perfektionierung. Wir wollen so schnell wie möglich wachsen und mit unserem Produkt Bildung spielerisch, haptisch und personalisiert machen.

Welche Erfahrungen und Erkenntnisse haben sich auf dem bisherigen Weg als besonders wertvoll erwiesen?

Für jedes Startup ist es wichtig, sich früh ein gutes Netzwerk aufzubauen. Besonders der Austausch mit ExpertenInnen hilft, schneller zu lernen und strategisch klüger zu handeln. Genauso wichtig ist es aber, dem eigenen Purpose treu zu bleiben, und trotzdem als Unternehmen flexibel auf Hürden und neue Erkenntnisse zu reagieren.

Welche Ratschläge lassen sich aus diesen Erfahrungen ableiten, die für andere Gründerinnen und Gründer hilfreich sein könnten?

Uns haben die tonies-Gründer als Mentoren sehr geholfen. Mit ihrem großen Erfahrungsschatz waren und sind sie für uns enorm wertvoll. Somit raten wir jedem Startup, Rat bei bereits erfolgreichen Gründern zu suchen.

Die TukToro Gründer Elisha Benner und Andreas Häring  pitchen am 16.Juni 2025 in der Höhle der Löwen

Bild V.l.:Andreas Häring (Foto) und Elisha Benner präsentieren den Interaktiven Lernbegleiter „TukToro“. Sie erhoffen sich ein Investment von 400.000 Euro für 8 Prozent der Firmenanteile. Foto: RTL / Bernd-Michael Maurer

Wir bedanken uns bei  Elisha Benner und Andreas Häring für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

Was passiert, wenn Intimität endlich natürlich wird?

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kokomoon gleitgel intimpflege Nathalie Sorondo-Gooden und Stefan Arens präsentieren mit „Kokomoon“ eine essbare Gleitcreme und Intimpflege zugleich. Sie erhoffen sich ein Investment von 100.000 Euro für 20 Prozent der Firmenanteile. Foto: RTL / Bernd-Michael Maurer

KOKOMOON entwickelt natürliche Intimpflegeprodukte und wird am 16. Juni 2025 in der Höhle der Löwen pitchen

Wie ist KOKOMOON entstanden und welche Personen stehen dahinter?

KOKOMOON wurde von Stefan Arens und Nathalie Sorondo entwickelt. Sie waren auf der Suche nach einem hochwertigen, natürlichen Gleitgel mit Pflegewirkung – ohne künstliche Zusatzstoffe, ohne Parabene oder irritierende Chemie. Sex tat oft weh – handelsübliche Gleitgele waren zu kalt. Die Produktauswahl im Handel wird ohne Nachfrage nach den Bedürfnissen der Zielgruppe angeboten. Was als persönliche Idee begann, wurde mit der Unterstützung von Dr. Birgit Steiner weiterentwickelt und zur Marke geformt.

In welcher Branche ist KOKOMOON tätig und was zeichnet das Geschäftsmodell aus?

KOKOMOON gehört zur Intimpflege- und Wellnessbranche mit Fokus auf natürliches Wohlbefinden und moderne, ästhetische Markenkommunikation. Das Geschäftsmodell basiert auf Direktvertrieb über einen eigenen Onlineshop, hoher Wiederkaufsrate durch Produktwirkung und einer klaren Markenpositionierung: Sinnlichkeit trifft auf Qualität – ohne Schamgefühl.

Welche Idee oder welches Problem stand am Anfang der Gründung?

Die Idee entstand aus dem Wunsch, ein Gleitgel zu entwickeln, das nicht nur „funktioniert“, sondern gleichzeitig pflegt und angenehm duftet. Viele herkömmliche Produkte riechen medizinisch oder enthalten Stoffe, die die Intimflora stören. „Diese kalten unpersönlichen Gleitgels wollten wir nicht mehr. KOKOMOON schließt diese Lücke – es fühlt sich gut an, riecht natürlich und ist absolut verträglich.“

Was macht das Konzept oder die Technologie besonders? Welche innovativen Ansätze kommen zum Einsatz?

Die Rezeptur basiert auf kaltgepresstem, nativem Kokosöl, veganes Vitamin E und Kamillenextrakt, das bei Körperkontakt schmilzt und eine seidige Textur auf der Haut hinterlässt. Keine Zusatzstoffe. Nur ein reines, natürliches Produkt, das wie ein sinnliches Pflegeöl funktioniert – und gleichzeitig als Gleitmittel wirkt. Die Verpackung ist elegant, hochwertig und bricht mit dem medizinischen Look klassischer Gleitgele. Man muss es nicht verstecken wie andere Gleitgele.

Welche Vision verfolgt KOKOMOON? Welche Meilensteine sollen in den nächsten Jahren erreicht werden?

Ziel ist es, das natürlichste und exklusivste Gleitgel Europas zu werden. Geplant ist der Markteintritt mit limitiertem Lagerbestand, gefolgt vom Aufbau eines Onlinevertriebs, Kooperationen mit Concept Stores und schließlich die Erweiterung der Produktlinie um Pflegeprodukte im Intimbereich.

Warum fiel die Entscheidung, sich bei „Die Höhle der Löwen“ zu präsentieren? Welche Aspekte stehen dabei im Vordergrund?

Die Höhle der Löwen bietet eine Plattform, um ein Thema in den Fokus zu rücken, das viele betrifft – aber selten offen angesprochen wird: Gleitgel als Lifestyle-Produkt. Kein Tabu, sondern Teil eines bewussten, gepflegten Lebensgefühls. Es geht um Sichtbarkeit, Glaubwürdigkeit und den Zugang zu einem starken Partnernetzwerk.

Welche Form der Unterstützung wird durch die Teilnahme an der Show angestrebt? Wie soll eine mögliche Investition oder Zusammenarbeit genutzt werden?

KOKOMOON wurde über die letzten Jahre hinweg getestet – und besonders bei Frauen in der Menopause zeigt sich: Es lindert spürbar Trockenheit, schenkt Wohlgefühl und unterstützt das intime Selbstwertgefühl. Die Nachfrage ist enorm, denn viele herkömmliche Produkte greifen die Intimflora an oder wirken klinisch und kalt.
Gesucht wird eine Investorin oder ein Investor, der erkennt, dass Frauen ab 45 eine starke Zielgruppe mit klaren Bedürfnissen sind – und dass Intimpflege kein Tabuthema mehr ist, sondern ein Markt mit Zukunft. Idealerweise bringt der Partner Erfahrung im Lifestyle-, Kosmetik- oder Drogeriebereich mit sowie Zugang zu Handelsketten und PR-Kanälen.
Die Investition fließt gezielt in:

  • Skalierung von Produktion & Lager
  • Optimierung des Online-Shops und Kauferlebnis
  • Strategisches Branding & Launch mit starken Stimmen aus der Zielgruppe

Welche nächsten Schritte sind nach der Show geplant?

Rollout im deutschsprachigen Raum
Erweiterung des Produktsortiments (z. B. Minigrößen, Reise-Edition)
Etablierung als natürliche Marke im Intimbereich
Ausbau der Community über Social Media und Events

Welche Erfahrungen und Erkenntnisse haben sich auf dem bisherigen Weg als besonders wertvoll erwiesen?

Ein hochwertiges Produkt setzt sich durch – aber es braucht emotionale Verpackung
Die Nachfrage nach ehrlichen, natürlichen Intimprodukten ist riesig – wenn man sie richtig anspricht
Der erste Eindruck entscheidet – Design, Story und Authentizität sind erfolgsentscheidend

Die Gründer Stefan Arens und Nathalie Sorondo-Gooden pitchen am 16.Juni 2025 in der Höhle der Löwen

Bild V.l.:Nathalie Sorondo-Gooden und Stefan Arens präsentieren mit „Kokomoon“ eine essbare Gleitcreme und Intimpflege zugleich. Sie erhoffen sich ein Investment von 100.000 Euro für 20 Prozent der Firmenanteile. Foto: RTL / Bernd-Michael Maurer

Wir bedanken uns bei Stefan Arens und Nathalie Sorondo-Gooden für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

Gründen statt Bewerben: Wie die Generation Z Unternehmertum neu denkt

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Generation Z Gründen Selbstständigkeit autorin mona wiezoreck vor ihrem macbook sitzend @markus openart photography

Die Generation Z tritt mit anderen Werten, anderen Erwartungen und einem anderen Mindset in die Arbeitswelt ein.

Anstatt sich durch frustrierende Bewerbungsprozesse zu kämpfen, wählt ein wachsender Teil den direkten Weg: gründen statt bewerben. Doch wie stark ist dieser Trend wirklich? Und was unterscheidet die Gen Z von früheren Gründer:innengenerationen?

Zwischen Medienhype und Realität

Social Media ist voll mit jungen Gründer:innen – aber spiegelt das auch die Realität wider? Nein. Das weltweite Durchschnittsalter von Gründer:innen liegt laut Studien bei rund 50 Jahren. Erfolgsgeschichten à la Zuckerberg und Jobs sind beeindruckend, aber statistische Ausreißer. Fakt ist: Die Mehrheit der Gründer:innen ist deutlich älter als die Generation Z.

Auch in Deutschland fehlen belastbare Zahlen zur Gründungsaktivität von unter 25-Jährigen. Viele Studien erfassen nur Millennials oder aggregieren Altersgruppen. Was bleibt, ist ein deutlich spürbarer Wertewandel – und ein wachsendes Interesse an Selbstständigkeit als Berufseinstieg.

Warum die Generation Z trotzdem gründet

Die Gen Z sucht nicht nach Hierarchien oder Firmenwagen – sondern nach Sinn, Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit. Viele möchten mitgestalten statt funktionieren, sich selbst verwirklichen statt verwalten. Digitale Tools senken die Einstiegshürden, und Social Media bietet kostenlose Sichtbarkeit. Für viele ist Gründen daher eine logische – und machbare – Option.

Typisch Gen Z: Gegründet wird oft im Team, mit Impact-Fokus und hoher Technologieaffinität. Ob Onlineshop, Beratungsangebot oder Bildungsplattform – die Geschäftsmodelle sind schlank, agil und purpose-getrieben.

5 Gründe, warum junge Gründungen trotzdem scheitern

Trotz aller Energie scheitern viele Gen-Z-Gründungen an denselben Faktoren:

  1. Unklare Zielgruppe: Viele starten mit einer Idee – aber ohne Marktverständnis.
  2. Perfektionismus: Statt ins Tun zu kommen, wird monatelang an Logo und Website gefeilt.
  3. Unsicherheit beim Preis: Die Angst, Geld zu verlangen, lässt viele Projekte unrentabel starten.
  4. Keine Beratung: Statt sich Hilfe zu holen, wird alles „selbst gegoogelt“.
  5. Zu früh aufgegeben: Wenn der erste Launch floppt, fehlt oft der lange Atem.

Mein Tipp: Gerade für junge Gründer:innen ist ein strukturiertes Coaching Gold wert. Mit geförderten AVGS-Coachings oder Gründungszuschüssen lässt sich der Einstieg professionell gestalten – ohne finanzielles Risiko.

Wer heute schon vorangeht

Dass Unternehmertum für die Generation Z nicht nur Vision, sondern gelebte Realität ist, zeigen junge Menschen wie Yaël Meier aus der Schweiz. Sie gründete mit gerade einmal 20 Jahren die Beratungsagentur ZEAM, die Unternehmen dabei hilft, die Gen Z besser zu verstehen – in Kommunikation, Marketing und HR. Ihre Arbeit zeigt: Die Generation Z will mitgestalten, nicht nur konsumieren.

Ähnlich zielstrebig ist Dana Rosa aus Deutschland unterwegs. Als Social-Media-Entrepreneurin nutzt sie ihre Reichweite, um über mentale Gesundheit, Arbeitswelt und Selbstständigkeit zu sprechen. Ihre Message ist klar: Selbstbestimmung, finanzielle Unabhängigkeit und Sichtbarkeit sind kein Luxus – sondern notwendig für echte Teilhabe.

Auch männliche Vorbilder gibt es. Kai, Mitgründer von „gemeinsam jung“, entwickelte ein Geschäftsmodell, das Alltagshilfen für Senior:innen organisiert – von der Einkaufshilfe bis zur digitalen Unterstützung. Dabei bringt er Generationen zusammen – und beweist, dass soziale Innovation nicht vom Alter abhängt.

Ein weiteres Beispiel ist Christoffer aus Deutschland, der als Gen-Z-Unternehmer über seine Gründungserfahrungen spricht – ehrlich, reflektiert und nahbar. Er macht deutlich, mit welchen Herausforderungen junge Gründer konfrontiert sind – und warum eine klare Struktur genauso wichtig ist wie Mut.

Fazit: Die Gen Z gründet anders – aber nicht weniger ernsthaft

Die mediale Präsenz junger Gründer:innen täuscht: Sie sind in der Minderheit. Und doch: Wer gründet, tut es mit bemerkenswerter Ernsthaftigkeit. Die Generation Z bringt ein neues Verständnis von Arbeit, Verantwortung und Erfolg mit – und das verändert die Gründungskultur spürbar.

Was sie dafür braucht? Weniger Druck, mehr Struktur. Weniger Erwartungen, mehr Unterstützung. Und die Erlaubnis, auf ihre Weise erfolgreich zu sein.

Foto: Openart Photography – Markus Albrecht

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

Diese KI sieht, was niemand erkennt – und verändert die Industrie

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etalytics etaONE KI Etaytics Gründer_Björn König (CTO) Dr. Niklas Panten (CEO) Dr. Thomas Weber (CSO) (c) etalytics GmbH

etalytics nutzt künstliche Intelligenz, um komplexe Energiesysteme in der Industrie intelligent zu steuern und bislang ungenutzte Effizienzpotenziale sichtbar und nutzbar zu machen

Wie verändert etalytics mit KI die bisherige Denkweise in Industrieunternehmen?

Viele Unternehmen betreiben ihr Energiemanagement noch immer reaktiv – mit starren Regeln und hohem manuellem Aufwand für Analyse, Optimierung und Reporting. Gleichzeitig ist ihnen oft gar nicht bewusst, wie ineffizient ihre zunehmend komplexen Energiesysteme arbeiten. Denn hunderte Anlagen, tausende Datenpunkte und äußere Einflüsse wie Wetter, interne Lasten oder volatile Energiemärkte wirken aufeinander ein – das macht es selbst erfahrenen Ingenieur:innen nahezu unmöglich, dauerhaft ein Optimum zu identifizieren und zu halten.

Man kann sich das vorstellen wie ein Orchester ohne Dirigenten: Jedes Instrument – oder im Fall von Energiesystemen: jede Pumpe, jeder Ventilator, jede Kältemaschine u.s.w. – spielt für sich, aber nicht unbedingt im Takt. Ohne zentrale Koordination fehlt die Harmonie, die es braucht, um Effizienz und Leistung auf den Punkt zu bringen.

Unsere KI-basierte Lösung etaONE bringt hier einen Paradigmenwechsel: Wie ein digitaler Dirigent – oder ein Copilot für das Energiemanagement – analysiert und optimiert sie Energieverbundsysteme vorausschauend, datengestützt und ganzheitlich. Sie liest die „Stimmung im Raum“ in Echtzeit, stimmt die Komponenten dynamisch aufeinander ab und antizipiert die nächsten Betriebszustände, bevor überhaupt ein Problem entsteht.

Was war Ihre Motivation, sich ausgerechnet dem Thema intelligentes Energiemanagement zu widmen?

Wenn man auf den Endenergieverbrauch in Deutschland blickt, fällt auf: Industrie sowie Gewerbe, Handel und Dienstleistungen machen zusammen fast die Hälfte des gesamten Verbrauchs aus. Gerade in Querschnittstechnologien wie Kälte, Wärme, Lüftung oder Druckluft sowie in der Gebäude- und Prozessklimatisierung liegen enorme ungenutzte Effizienzpotenziale.

In unserer Forschung an der TU Darmstadt, insbesondere beim Aufbau der ETA-Fabrik als Realdemonstrator, haben wir das sehr konkret erlebt: Selbst moderne Energieverbundsysteme wurden noch erstaunlich ineffizient betrieben – schlicht, weil niemand das Gesamtsystem ganzheitlich im Blick hatte. Es wurde sichtbar, wie viel Energie tagtäglich verloren geht, obwohl die technischen Voraussetzungen zur Optimierung längst vorhanden wären.

Die zentrale Erkenntnis aus unserer Forschung: Wer Energieflüsse versteht und systemisch steuert, kann nicht nur CO₂ und Kosten sparen, sondern auch die Resilienz und Qualität industrieller Prozesse steigern. Doch genau hier liegt das Problem: Die Komplexität solcher Systeme überfordert oft selbst erfahrene Ingenieur:innen – erst recht angesichts knapper Zeitressourcen in den Unternehmen.

Deshalb haben wir früh begonnen, KI-basierte Systeme in reale Energiesysteme zu integrieren: Unsere KI erstellt digitale Zwillinge der Anlagen, überwacht den Betrieb rund um die Uhr, erkennt Anomalien frühzeitig und optimiert das System vorausschauend – je nach Zielgröße, sei es Kosten, Stabilität oder Nachhaltigkeit.

So wird aus Forschung mit Anspruch echte Wirkung in der Praxis: Ein intelligentes Energiemanagement, das nicht nur reagiert, sondern gestaltet.

Welche konkreten Vorteile bietet Ihre Lösung z. B. für Rechenzentren oder die chemische Industrie?

Ob Rechenzentren, Automobilindustrie oder die Chemie- und Pharmabranche – sie alle betreiben hochkomplexe und kritische Energiesysteme. Die zentrale Herausforderung besteht darin, diese Systeme unter wachsenden Anforderungen durch ESG-Richtlinien, steigende Energiepreise und neue regulatorische Vorgaben effizient und stabil zu betreiben. Genau hier setzt unsere Lösung etaONE an. Sie fungiert als KI-basierter Copilot, der operative Teams bei der Analyse, Überwachung und Optimierung ihrer Energiesysteme unterstützt – mit einem spürbaren Effekt auf Energieverbrauch, Betriebskosten, Prozessstabilität und Nachhaltigkeit.

Ein Blick auf reale Betriebsdaten zeigt, dass der Energieverbrauch unmittelbar nach Aktivierung der KI-Regelung messbar sinkt. Je nach Ausgangslage und Systemarchitektur liegen die Einsparungen im Schnitt bei 20 bis 40 Prozent, bei Lüftungsanlagen konnten wir in einigen Fällen sogar Reduktionen von bis zu 70 Prozent erzielen. Dieser Effekt entsteht, weil etaONE die bestehenden Anlagen effizienter auslastet – etwa durch die verbesserte Nutzung der Freikühlung, adaptive Temperatursollwerte oder die Reduktion von Laufzeiten energieintensiver Komponenten wie Kompressionskältemaschinen. Gleichzeitig sinkt dadurch der Anlagenverschleiß, was die Betriebssicherheit langfristig erhöht. Durch die Anbindung an dynamische Energiemärkte lassen sich darüber hinaus Speicherpotenziale aktiv nutzen und der Betrieb auf Phasen günstiger Energiepreise ausrichten, was zu weiteren Einsparungen bei den Energiekosten führt.

Neben der reinen Energieeinsparung sorgt etaONE für deutlich stabilere Prozesse und schafft Transparenz.

Das ist insbesondere für Betreiber von Rechenzentren von zentraler Bedeutung, da die Einhaltung enger Temperaturbänder ein entscheidender SLA-Faktor ist. In Kombination mit digitalen Zwillingen vergleicht etaONE kontinuierlich das erwartete mit dem tatsächlichen Verhalten einzelner Anlagenkomponenten. Abweichungen – beispielsweise durch verschmutzte Wärmetauscher oder ineffiziente Aggregate – werden frühzeitig erkannt, wodurch sich Probleme beheben lassen, bevor sie Auswirkungen auf den Betrieb haben. Das reduziert Fehlalarme, manuelle Eingriffe und ungeplante Stillstände deutlich.

Gleichzeitig liefert etaONE automatisch alle relevanten Betriebs- und Verbrauchsdaten für interne und externe Berichtspflichten – beispielsweise für die Umsetzung von EnEfG-Vorgaben oder Nachhaltigkeits-Reporting im Rahmen der CSRD. Und weil etaONE auf bestehenden Infrastrukturen aufsetzt, amortisiert sich die Einführung in der Regel innerhalb kurzer Zeit – ganz ohne Neuinvestitionen. So werden komplexe Energiesysteme nicht nur effizienter, sondern auch intelligenter, robuster und langfristig zukunftssicher.

Inwiefern trägt etalytics zur Energiewende in Deutschland bei?

Viele sprechen bei der Energiewende von neuen Technologien oder zusätzlichen Investitionen in Infrastruktur. Wir bei etalytics setzen stattdessen dort an, wo heute schon enorme Potenziale ungenutzt bleiben: bei bestehenden technischen Anlagen. Unser System nutzt vorhandene Energiedaten, um Effizienzpotenziale sichtbar zu machen, den Energieeinsatz zu optimieren und CO₂-Emissionen deutlich zu senken – und das ganz ohne neue Hardware. Wir steigern die Intelligenz des Systems, nicht die Komplexität.

Besonders aktiv sind wir in energieintensiven Branchen wie der Chemie- und Pharmaindustrie, im Automotive-Bereich und vor allem in Rechenzentren. Genau dort ist der Energiebedarf für Wärme, Kälte, Lüftung und Klimatisierung besonders hoch – und wächst rasant. Gerade der Rechenzentrumssektor erlebt weltweit ein exponentielles Wachstum, getrieben durch Digitalisierung, Cloud und KI. Ohne gezielte Effizienzmaßnahmen wird dieser Bereich in den kommenden Jahren zu einem der größten Treiber des globalen Strombedarfs – mit massiven Auswirkungen auf Emissionen und Infrastrukturbedarf.

Wenn man genau dort ansetzt – wie wir es tun – und die identifizierten Einsparpotenziale systematisch hebt, entsteht ein gewaltiger Hebel: Durch die intelligente Steuerung von Energiesystemen können Energieverbräuche um bis zu 50 Prozent reduziert werden. Wird dieses Modell global skaliert, lassen sich ganze Kraftwerkskapazitäten vermeiden und Milliarden Euro an Energiekosten einsparen. Diese Mittel können stattdessen in Innovation, Bildung oder soziale Projekte investiert werden – für echten gesellschaftlichen Impact.

Was unterscheidet etalytics von anderen Anbietern im Bereich Energiemanagement?

Während viele Anbieter im Bereich Energiemanagement auf klassische Energie-Monitoring-Tools oder rein regelbasierte Optimierung setzen, geht etalytics deutlich weiter: Wir kombinieren tiefgreifende Energieexpertise mit KI-basierter Systemoptimierung – und das in Echtzeit, prädiktiv und vollständig automatisiert. Unser Ansatz beginnt nicht bei der Visualisierung, sondern bei der intelligenten Steuerung komplexer Energieverbundsysteme – mit dem Ziel, konkrete betriebliche Einsparungen, CO₂-Reduktion und Prozessstabilität gleichzeitig zu realisieren.

Was uns besonders auszeichnet, ist der Einsatz digitaler Zwillinge: etaONE bildet das physikalische Verhalten von Anlagen realitätsnah ab und erkennt so selbst kleinste Abweichungen im Betrieb. Dadurch wird nicht nur effizient gesteuert, sondern auch frühzeitig auf Fehler oder Degradationen reagiert – bevor sie sich negativ auf Energieverbrauch oder Betriebssicherheit auswirken.

Hinzu kommt unser Fokus auf energieintensive Infrastrukturen mit besonders hoher Hebelwirkung – wie Rechenzentren, die Chemieindustrie oder der industrielle Maschinen- und Anlagenbau. In diesen Branchen sind Energieflüsse hochdynamisch, vernetzt und oft über viele Systeme verteilt. Genau hier spielt unsere Lösung ihre Stärke aus: Sie orchestriert Anlagenkomponenten intelligent, nutzt Flexibilitätspotenziale, integriert externe Einflüsse wie Wetter oder Strompreise – und liefert gleichzeitig die für regulatorische Anforderungen nötige Datenbasis auf Knopfdruck.

Im Unterschied zu vielen Softwarelösungen, die entweder generisch oder rein auf Monitoring ausgerichtet sind, verstehen wir uns als technologisch tief integrierter Optimierungspartner. Unsere KI ist nicht nur ein Analyse-Tool, sondern ein aktiver Teil der Betriebsführung – eingebettet in den Regelkreis und mit direkter Wirkung auf den Energieverbrauch. Und genau das macht den Unterschied: Wir erzeugen nicht nur Transparenz, wir setzen sie auch in nachhaltige, automatisierte Wirkung um.

Wie sehen Sie die aktuelle Energiesituation in Deutschland – und welchen Beitrag kann KI in diesem Kontext leisten?

Die Energiesituation in Deutschland steht unter enormem Druck. Auf der einen Seite befinden wir uns mitten im Umbau hin zu einem klimaneutralen Energiesystem, auf der anderen Seite steigen Anforderungen an Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und regulatorische Transparenz. Volatile Energiemärkte, geopolitische Spannungen und der massive Ausstieg aus fossilen Energieträgern sorgen für Unsicherheit und hohe Kosten – gerade für Industrie und Mittelstand. Gleichzeitig wird immer deutlicher: Die Energiewende kann nicht allein durch neue Technologien, Netzausbau oder Erzeugungskapazitäten gelingen. Wir müssen auch die Effizienz und Intelligenz im Verbrauch drastisch steigern.

Genau hier kann künstliche Intelligenz eine Schlüsselrolle spielen. Denn KI hat die Fähigkeit, Komplexität nicht nur zu erfassen, sondern aktiv zu steuern – und zwar in Echtzeit, vorausschauend und systemübergreifend. Sie erkennt Muster in riesigen Datenmengen, reagiert schneller als menschliche Bediener:innen, optimiert den Energieeinsatz unter Berücksichtigung externer Einflussfaktoren wie Wetter oder Strompreise und unterstützt Unternehmen dabei, Einsparpotenziale zu heben, bevor überhaupt Investitionen nötig werden.

Das Besondere: Der Einsatz von KI ist kein langwieriges Infrastrukturprojekt, sondern ein schnell wirksamer Hebel – vor allem in energieintensiven Bereichen wie Rechenzentren, Industrieanlagen oder großen Gebäudekomplexen. Wenn wir hier ansetzen, wie wir es bei etalytics tun, dann schaffen wir sofort Entlastung: bei CO₂-Zielen, bei Energiekosten und bei der Auslastung bestehender Netze und Erzeugungskapazitäten.

Kurz gesagt: Die Energiewende braucht nicht nur neue Quellen, sondern auch neue Intelligenz. KI ist das Betriebssystem für das Energiesystem von morgen – effizient, resilient und skalierbar.

Wen möchten Sie mit Ihrer Lösung gezielt ansprechen – und wie holen Sie Ihre Kunden da ab, wo sie gerade stehen?

Wir richten uns gezielt an Unternehmen mit energieintensiven Infrastrukturen und hohen Ansprüchen an Effizienz, Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit – insbesondere in Branchen wie Rechenzentren, Chemie, Pharma, Automotive oder industrieller Gebäudebetrieb. Unsere typischen Ansprechpartner sind Energiemanager:innen, technische Leiter:innen, Nachhaltigkeitsverantwortliche oder auch Betriebsingenieur:innen, die vor der Herausforderung stehen, komplexe Energiesysteme wirtschaftlich und regelkonform zu betreiben – bei gleichzeitig steigendem Kostendruck und zunehmender Komplexität.

Wichtig ist uns dabei: Wir holen unsere Kunden genau dort ab, wo sie aktuell stehen. Manche verfügen bereits über umfangreiche Daten und ein gutes Monitoring, andere starten noch bei der manuellen Auswertung von Excel-Tabellen oder Energiereports. Wir setzen deshalb auf einen skalierbaren Ansatz: Zunächst schaffen wir Transparenz über bestehende Verbräuche und Anlagenverhalten. Darauf aufbauend folgen datenbasierte Analysen, digitale Zwillinge und schließlich die schrittweise Automatisierung und Optimierung des Energiesystems – immer angepasst an das technische Reifegradniveau des Kunden.

Besonderen Wert legen wir auf technologische Anschlussfähigkeit und schnelle Umsetzbarkeit. Unsere Lösung integriert sich nahtlos in bestehende Systeme – ohne aufwändige Umrüstungen oder Neuinvestitionen. Damit ermöglichen wir nicht nur einen schnellen Start, sondern vor allem schnelle Erfolge, die intern überzeugen und Vertrauen schaffen. Unser Anspruch ist es, nicht nur Technologie zu liefern, sondern ein strategischer Partner für intelligentes Energiemanagement zu sein – mit einem tiefen Verständnis für Prozesse, technische Rahmenbedingungen und regulatorische Anforderungen.

Welche Herausforderungen begegnen Ihnen aktuell im Markt – technologisch, politisch oder in der Zusammenarbeit mit Industriepartnern?

Ein zentrales Hemmnis besteht darin, dass die Effizienzpotenziale in bestehenden Energiesystemen oft gar nicht erkannt werden – obwohl bereits Daten erfasst werden. Der Grund: Diese Potenziale sind in der Regel nicht auf den ersten Blick sichtbar, sondern offenbaren sich erst durch eine dynamische, systemische Optimierung, die komplexe Wechselwirkungen im Energiesystem berücksichtigt. Ohne ein intelligentes Steuerungssystem bleibt dieser Effizienzhebel häufig ungenutzt – und damit auch die Chance auf erhebliche CO₂- und Kosteneinsparungen.

Ein weiteres großes Thema ist die Skepsis gegenüber KI in kritischen Infrastrukturen. Gerade in sicherheitsrelevanten Branchen wie Rechenzentren, der Chemie- oder Pharmaindustrie hat Betriebssicherheit höchste Priorität. Jede automatisierte Eingriffslogik wird deshalb verständlicherweise zunächst kritisch hinterfragt. Obwohl wir bei etalytics mit erprobten Sicherheitsarchitekturen arbeiten – darunter Rückfallmechanismen, Überwachungsebenen und klar definierte Schnittstellen – begegnen wir häufig Zurückhaltung, wenn es darum geht, Steuerungshoheit auch nur teilweise an ein KI-System zu übergeben. Hier braucht es Aufklärung, Vertrauen und einen gestuften Einstieg: Wir beginnen immer mit Transparenz und Analyse – und ermöglichen erst danach die Aktivierung aktiver Optimierungsfunktionen. So behalten unsere Kunden jederzeit die Kontrolle und wachsen schrittweise in die intelligente Betriebsführung hinein.

Auch organisatorisch treffen wir auf strukturelle Hürden.

Unsere Lösung greift typischerweise über mehrere Abteilungen hinweg – von Energiemanagement über Betriebstechnik bis zu IT und Compliance. Doch in vielen Unternehmen sind diese Bereiche noch stark voneinander getrennt organisiert. Genau das hemmt die Umsetzung einer systemübergreifenden Optimierung, obwohl gerade hier das größte Potenzial liegt. Es braucht klare Zuständigkeiten, interdisziplinäre Zusammenarbeit und eine strategische Verankerung des Themas auf Managementebene. Dort, wo das gelingt, entwickelt sich das Thema enorm – nicht zuletzt, weil Entscheider mit einem erfolgreich umgesetzten KI-Projekt im eigenen Unternehmen messbare Ergebnisse liefern und echte Innovationsführerschaft demonstrieren können.

Politisch sehen wir insgesamt positiven Rückenwind – etwa durch das EnEfG oder die Berichtspflichten im Rahmen der CSRD. Doch bei den Förderprogrammen überwiegt nach wie vor die Fokussierung auf physische Maßnahmen wie neue Anlagen oder Gebäudetechnik. Es fehlt an zielgerichteten, unbürokratischen Programmen zur Einführung digitaler, KI-gestützter Effizienzlösungen, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. Dabei könnten gerade diese Programme helfen, Awareness zu schaffen, wirtschaftliche Hürden zu senken und die Skalierung solcher Technologien entscheidend zu beschleunigen.

Trotz dieser Herausforderungen sehen wir eine klare Bewegung im Markt. Sobald erste Erfolge sichtbar werden – sei es durch messbare Einsparungen, stabilere Prozesse oder positive Auditergebnisse – entsteht Vertrauen, das sich nachhaltig verstärkt. Unser Ziel ist es daher, systematisch Barrieren abzubauen: durch transparente Kommunikation, nachvollziehbare Wirkungsnachweise und enge Zusammenarbeit mit unseren Kunden. Denn eines steht für uns fest: Wer heute in intelligente, KI-gestützte Energiesysteme investiert, gewinnt nicht nur Effizienz, sondern vor allem Resilienz, Zukunftssicherheit und einen echten Wettbewerbsvorteil.

Woran arbeiten Sie aktuell bei etalytics und worauf dürfen wir in naher Zukunft gespannt sein?

Aktuell arbeiten wir bei etalytics intensiv daran, unsere KI-basierte Optimierungslösung etaONE weiter zu skalieren und auf neue Anwendungsfelder auszuweiten. Im Fokus stehen insbesondere energieintensive Branchen mit hohem Bedarf an Kühlung, Wärme und Lüftung, in denen bereits kleine Effizienzgewinne erhebliche Auswirkungen auf den Energieverbrauch, die Betriebskosten und die CO₂-Emissionen haben.

Parallel treiben wir die Internationalisierung unserer Lösung voran – mit besonderem Blick auf den stark wachsenden Rechenzentrumsmarkt in Nordamerika. Dort entsteht derzeit ein enormer zusätzlicher Energiebedarf, der nur durch intelligente, vorausschauende Steuerung effizient und nachhaltig beherrschbar ist. Unsere Technologie kann hier einen entscheidenden Beitrag leisten, um Wachstum und Klimaschutz miteinander zu vereinbaren.

Gleichzeitig investieren wir stark in die Weiterentwicklung unserer Softwareplattform. Unser Ziel ist es, die Wirkung intelligenter Energiesysteme noch verständlicher und wirkungsvoller zu machen – sowohl für Energiemanager im operativen Alltag als auch für Entscheider auf strategischer Ebene. Dazu erweitern wir etaONE um Funktionen zur Simulation und Optimierung in der Planungsphase – etwa bei Neubauten oder der energetischen Sanierung komplexer Bestandsanlagen. So entsteht eine durchgängige Lösung, die alle Lebenszyklusphasen eines Energiesystems begleitet: von der Auslegung über den Betrieb bis hin zur kontinuierlichen Verbesserung.

Kurz gesagt: Wir entwickeln ein intelligentes, skalierbares Betriebssystem für Energiesysteme – mit dem Anspruch, Energieeffizienz, Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz global und über den gesamten Systemlebenszyklus hinweg messbar und realisierbar zu machen.

Was würden Sie Gründern raten, die sich im Bereich Greentech oder Industrie-Software selbstständig machen möchten?

Wer im Bereich Greentech oder Industrie-Software gründen will, braucht vor allem eines: einen langen Atem – und ein tiefes Verständnis für den Markt, den man verändern möchte. Die technologische Lösung allein reicht nicht. Entscheidend ist, dass man die Sprache der Industriepartner spricht, ihre Prozesse versteht und einen klaren Mehrwert liefert, der sich wirtschaftlich rechnet. Besonders im industriellen Umfeld zählen Zuverlässigkeit, Skalierbarkeit und Vertrauen oft mehr als schnelle Innovationszyklen.

Mein wichtigster Rat: Früh raus aus der Theorie – rein in den echten Betrieb. Nur wer früh mit Pilotkunden arbeitet, lernt, worauf es in der Praxis wirklich ankommt. Gleichzeitig sollte man die Komplexität nicht unterschätzen: Greentech bedeutet oft, physische und digitale Welten zu verbinden – das ist anspruchsvoll, aber genau darin liegt auch die Wirkungskraft.

Außerdem: Geduld mit Entscheidungszyklen und Beharrlichkeit im Vertrieb gehören genauso zur Gründung wie technologische Exzellenz. Der Markt bewegt sich oft langsamer, als man es sich als Startup wünscht – aber wenn ein Projekt einmal erfolgreich läuft, entsteht Vertrauen und Tragfähigkeit für die Skalierung.

Wie begegnen Sie Vorbehalten gegenüber KI – etwa der Sorge um Kontrollverlust oder Arbeitsplatzabbau?

Wir begegnen Vorbehalten gegenüber KI mit Transparenz, technischer Nachvollziehbarkeit und einem klaren Architekturprinzip: Der Mensch bleibt jederzeit in der Kontrolle. Gerade im industriellen Umfeld, wo Sicherheit, Stabilität und Verantwortung essenziell sind, ist die Skepsis gegenüber einer vermeintlichen „Black Box“ verständlich – insbesondere wenn es um kritische Infrastruktur geht.

Unsere Lösung etaONE ist keine Black Box. Ganz im Gegenteil:

Wir kombinieren künstliche Intelligenz mit physikalischer Modellierung und mathematischer Optimierung. Dieser hybride Ansatz erlaubt uns nicht nur eine sehr robuste, belastbare Betriebsoptimierung, sondern auch eine vollständige Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen: Wir können zu jedem Zeitpunkt erklären, wie die KI zur optimalen Lösung kommt – und warum. Das schafft Vertrauen und unterscheidet uns deutlich von rein datengetriebenen Systemen, die oft schwer interpretierbar sind.

Auch die Sorge vor Kontrollverlust begegnen wir mit einem gestuften Einstieg:

Unsere Kunden starten typischerweise mit Monitoring und Analysefunktionen, bevor aktive Optimierung freigeschaltet wird – immer mit Fallback-Mechanismen, schreibgeschützten Modi und klaren Eingriffsgrenzen. So behalten Betreiber jederzeit die Kontrolle und können den Wirkungsgrad der Lösung schrittweise selbst erleben.

Was den möglichen Arbeitsplatzabbau betrifft, zeigt unsere Erfahrung das Gegenteil: Unsere KI entlastet, sie ersetzt nicht. Viele technische Teams sind heute mit übervollen Aufgabenlisten, Personalmangel und wachsendem Druck durch Energiepreise und Regulierung konfrontiert. etaONE übernimmt repetitive Analysen, erkennt frühzeitig Auffälligkeiten und ermöglicht datenbasierte Entscheidungen. Das schafft Raum für strategische Aufgaben, Weiterqualifizierung und bessere Entscheidungen – also eine stärkere Rolle für den Menschen, nicht eine schwächere.

Am Ende geht es nicht darum, Verantwortung abzugeben, sondern sie mit besseren Werkzeugen auszuüben. Unsere KI ist erklärbar, transparent und zuverlässig – und genau das macht sie für den industriellen Einsatz so wertvoll.

Foto: Gründerteambild Björn König (CTO) Dr. Niklas Panten (CEO) Dr. Thomas Weber (CSO) @ etalytics GmbH

Wir bedanken uns bei Dr. Niklas Panten für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

Nimm deine Therapie selbst in die Hand

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INTELLI-Athletics App: Digitale Therapie für mehr Patientenerfolg

INTELLI-Athletics entwickelt eine digitale Plattform, die Physiotherapeutinnen unterstützt und Patientinnen eine aktivere Rolle in ihrer Genesung ermöglicht

Wie ist die Idee zu INTELLI-Athletics entstanden und wer steckt hinter dem Startup?

Alles begann mit einem Gespräch zwischen mir (Finn Schütt) und meinem damaligen Mitbewohner Leon Schmidt. Wir spielten zur Gründungszeit gemeinsam in der Jugendmannschaft des FC St. Pauli. An vielen Abenden am Küchentisch tauschten wir uns darüber aus, was wir neben dem Fußball aufbauen könnten. Durch gemeinsame Erfahrungen kamen wir schnell auf das Thema der digitalen Betreuung von Athleten und Patienten.

Aus der Idee wurde ein konkreter Plan, aus dem Plan eine Mission – und so gründeten wir 2019 die Progressix GmbH, mit dem Ziel, eine App zur digitalen Unterstützung von Physiotherapeuten und zur verbesserten Betreuung von Patienten zu entwickeln. Im Laufe der Zeit verfolgte Leon seinen Traum vom Profifußball intensiver, und so trat Emil Resch an seine Stelle im Unternehmen. Emil ist bis heute mein Partner bei INTELLI-Athletics.

Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie motiviert, eine digitale Lösung für die Physiotherapie zu entwickeln?

Meine Motivation entstand aus eigener Erfahrung als Patient. Als aktiver Fußballspieler beim FC St. Pauli hatte ich immer wieder Verletzungen und kam dadurch mit verschiedenen physiotherapeutischen Einrichtungen in Kontakt. Dabei fielen mir mehrere Defizite auf: Zum einen hatte ich ein schlechtes Verständnis über meinen eigenen Therapieverlauf, zum anderen fehlte mir die gezielte Kommunikation mit den Therapeut*innen.

Darüber hinaus wollte ich auch außerhalb der regulären Therapieeinheiten etwas für meine Gesundheit tun – wusste aber oft nicht, wie viel Belastung nach den Verletzungen überhaupt möglich war. Diese Unsicherheiten habe ich auch bei vielen anderen Betroffenen festgestellt. Gespräche mit Therapeut*innen zeigten zwei große Hürden: fehlende Zeit und keine Vergütung für viele der Leistungen, die eigentlich notwendig wären. Das war der Auslöser, um eine digitale Lösung zu entwickeln, die beide Seiten unterstützt.

Was ist die zentrale Vision von INTELLI-Athletics und wie wollen Sie diese in den nächsten Jahren verwirklichen?

Unsere Vision ist es, die Vorteile digitaler Tools mit denen der Vor-Ort-Therapie zu verbinden – und so die Therapiemöglichkeiten ganzheitlich zu erweitern. Dafür setzen wir auf eine Kombination aus gezielten Marketingmaßnahmen und starken Kooperationen, wie etwa mit dem VPT – Verband für Physiotherapie.

Diese Partnerschaften helfen uns nicht nur bei der Markterschließung, sondern auch dabei, unser Produkt weiterzuentwickeln und noch besser an die Bedürfnisse der Praxis anzupassen.

Wie profitieren Therapeut*innen konkret von Ihrer App im Praxisalltag?

Wichtig ist: Unsere App soll nicht den persönlichen Kontakt ersetzen, sondern den Therapiealltag effizienter gestalten. Sie unterstützt Therapeutinnen dabei, die Zeit zwischen den Terminen sinnvoll zu nutzen, die Kommunikation zu verbessern und Patientinnen auch außerhalb der Praxis aktiv zu begleiten.

Zudem erleichtert INTELLI-Athletics evidenzbasiertes Arbeiten – z. B. durch automatisierte Auswertungen von Testergebnissen und deren Einordnung in den Therapieverlauf. Das spart Zeit, steigert die Behandlungsqualität und macht das Berufsbild für Nachwuchskräfte attraktiver.

Die App kann in jeder Phase der Therapie eingesetzt werden – vom ersten Kontakt bis über den letzten Termin hinaus. Die Vorteile reichen von erhöhter Patienten-Compliance über zeiteffizientere Behandlungseinheiten bis hin zu möglichen Zusatzverdiensten für die Praxis.

An welche Zielgruppen richtet sich Ihre Lösung – und wie stellen Sie sicher, dass diese optimal unterstützt werden?

Unsere Lösung richtet sich an alle Einrichtungen, in denen Physiotherapeutinnen mit Patientinnen arbeiten: Praxen, Reha-Zentren sowie freiberuflich tätige Therapeut*innen.

Um eine optimale Integration in den Arbeitsalltag zu ermöglichen, bieten wir umfassende Unterstützung – von Erklärvideos und Begleitmaterialien über Werbeunterlagen bis hin zu Strategieberatung und persönlichem Support bei der Einführung.

Worin liegt der größte Mehrwert für Patient*innen, die INTELLI-Athletics nutzen?

Der größte Mehrwert liegt für mich in der Aktivierung und Wissensvermittlung. Patient*innen erhalten ein besseres Verständnis über ihre Gesundheit und ihren Therapiefortschritt. Dieses Wissen motiviert sie, auch zu Hause aktiv an ihrer Genesung mitzuarbeiten – ohne Angst, etwas falsch zu machen.

Dadurch wird die Eigenverantwortung gestärkt, und das Vertrauen in den Therapieprozess wächst. Die App schafft Sicherheit, Orientierung und ermöglicht eine kontinuierliche Betreuung über die Praxis hinaus.

Was waren die bisher größten Herausforderungen beim Markteintritt und wie sind Sie damit umgegangen?

Die größte Herausforderung war – und ist bis heute – die gezielte Ansprache von Physiotherapeut*innen. Es gibt kaum digitale Plattformen, auf denen man diese Zielgruppe effizient erreichen kann. Die Branche ist stark fragmentiert, was den Markteintritt erschwert.

Unsere Lösung war: persönliche Ansprache und Fleiß. Wir kontaktieren jede Praxis individuell, führen direkte Gespräche mit Entscheidungsträgern und setzen stark auf Telefonakquise. Unterstützend veröffentlichen wir Artikel in Fachmagazinen und bauen gezielt Kooperationen auf, um unsere Sichtbarkeit zu erhöhen.

Was unterscheidet INTELLI-Athletics von anderen digitalen Therapieangeboten?

INTELLI-Athletics verfolgt einen ganzheitlichen Therapieansatz – von der Vorbereitung auf die Therapie über die aktive Behandlungszeit bis hin zur Nachsorge und Eigenverantwortung der Patient*innen. Unsere App ist flexibel in jeder Phase einsetzbar und richtet sich nicht nur an einen Teil des Therapieprozesses.

Wir kombinieren dabei digitale Unterstützung mit persönlicher Betreuung – und ermöglichen so eine deutlich nachhaltigere, effizientere und individualisierte Therapie als viele andere Angebote auf dem Markt.

Wie soll sich die App in Zukunft weiterentwickeln – sind neue Funktionen oder Zielgruppen geplant?

Aktuell planen wir keine Ausweitung auf neue Zielgruppen. Stattdessen liegt der Fokus auf der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Plattform anhand des Feedbacks unserer aktiven Nutzer*innen.

Unser Grundsatz lautet: „Software hört nie auf.“ Die Anforderungen ändern sich ständig – und wir entwickeln unsere App entsprechend weiter. Das Feedback der Physiopraxen ist dabei unser wichtigster Kompass.

Welche Rolle spielt das Feedback von Physiopraxen in der Weiterentwicklung Ihrer Plattform?

Das Feedback der Physiopraxen ist essenziell. Wir beziehen es regelmäßig in die Weiterentwicklung unserer App ein. Nur durch den engen Austausch mit den Nutzer*innen können wir sicherstellen, dass unsere Lösung den echten Praxisalltag sinnvoll unterstützt und verbessert.

Was hat Sie im Austausch mit Therapeutinnen oder Patientinnen besonders berührt oder überrascht?

Besonders berührt hat mich mein eigener Therapeut, der mich trotz vieler Rückschläge nie aufgegeben hat. Seine Geduld, sein Engagement und sein unerschütterlicher Glaube daran, dass ich wieder gesund werde, waren ein großer Antrieb für die Gründung von INTELLI-Athletics.

Diese Art von Unterstützung möchten wir möglichst vielen Menschen zugänglich machen – ohne dass sich Therapeut*innen dabei überlasten müssen. Das ist und bleibt meine größte Motivation.

Welche drei Ratschläge würden Sie Gründerinnen und Gründern mitgeben, die im Bereich Digital Health starten möchten?

Habt Geduld. Die Gesundheitsbranche ist langsam und stark reguliert – Fortschritte brauchen Zeit.

Kennt die Branche. Wer die Herausforderungen und Regularien nicht versteht, wird schnell ausgebremst.

Behaltet den Spaß. Es wird anstrengend – aber wenn die Begeisterung bleibt, lohnt sich der Weg.

Bild: Gründerteambild @ Progressix GmbH

Wir bedanken uns bei Finn Schütt für das Interview

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Was verrät der Zustand deiner Zellen wirklich über deine Gesundheit?

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Rivercyte zellen verformbarkeit Geschäftsführer Martin Kräter

Rivercyte entwickelt eine neuartige Technologie zur zerstörungsfreien Analyse physikalischer Zellfunktionen für Forschung und klinische Diagnostik

Was macht Rivercyte besonders im Vergleich zu anderen Ansätzen zur Zell-Analyse – und wie haben sich die Gründer und das Team gefunden?

Rivercyte verwendet einen komplett neuen, weltweit einzigartigen Ansatz zur Erfassung der Zellfunktion – wir nennen das „Zellfunktion erfühlen“. Dabei erfassen wir beschädigungsfrei und ohne Färbetechniken (label-free) die physikalischen Eigenschaften einer jeden einzelnen Zelle einer Probe, bspw. Blut. Ähnlich wie jeder Mensch den Reifegrad von Gemüsen im Supermarkt erfühlt, durch drücken einer Tomate oder Avocado, so drücken wir die Zellen um bspw. die Verformbarkeit, eine von 15 physikalischen Eigenschaften die wir erfassen, festzustellen.

Die Verformbarkeit gibt darüber Aufschluss wie eine Zelle im inneren beschaffen ist was einen direkten Einfluss auf ihre Funktion hat. Ein simples Beispiel ist die Zirkulation der roten Blutzellen durch den Körper. Die Zellen müssen sich durch feinste Kapillaren quetschen um zum Beispiel Sauerstoff in der Lunge aufzunehmen und in andere Organe zu transportieren. Sind die Zellen aber in ihrer Verformbarkeit beeinflusst wie bei bestimmten Infektionskrankheiten wie Malaria oder genetischen Defekten wie Sphärozytose (eine Form der Anämie), dann können die Zellen sich nicht ausreichend verformen, die Zirkulation wird verlangsamt und der Sauerstofftransport wird geringer. Natürlich kann unsere Technologie nicht nur für die verschiedenen Zellen des Blutes eingesetzt werden, sondern kann breite Anwendung in der Diagnostik, der Zelltherapie oder Pharmakologie finden.

Das Gründerteam besteht aus 6 Wissenschaftlern des Max-Planck-Zentrums für Physik und Medizin in Erlangen und einem Unternehmer aus Frankfurt am Main. Aktuell beschäftigt Rivercyte noch einen Mitarbeiter aus dem Bereich Hardwareentwicklung. Kennengelernt hat sich das Team während der gemeinsamen Forschungsarbeit auf den Gebieten klinische Hämatologie, Biophysik, Softwareentwicklung, Mikrofluidik, IP-Strategie- und IVD-Entwicklung, was auch die Expertise des Gründerteams darstellt.

Welche Vision verfolgt Rivercyte mit deformability cytometry und wie möchten Sie diese Vision konkret umsetzen?

Die Erfassung physikalischer Parameter von einzelnen Zellen als Biomarker um ihren Gesundheitszustand und damit den des Patienten zu erfassen, ist eine 40 Jahre alte, viel diskutierte Forschungsidee. Bis heute gibt es aber kein klinisches Produkt. Der Grund ist der geringe Durchsatz von wenigen Zellen pro Stunde. Rivercytes Verformungszytometer tastet bis zu 3000 Zellen pro Sekunde ab und ist damit 100,000-mal schneller als vergleichbare Forschungsprodukte. Dabei benötigen wir nur 3 µl Blut um damit ein Blutbild zu erstellen und Infektionsdiagnostik zu betreiben. Gleichzeitig wird ein mikroskopisches Bild einer jeden Zelle erfasst und eine nachträgliche optische Bewertung ermöglicht. Hierzu benötigt man heutzutage Spezialdiagnostik und hochqualifiziertes Personal. Unser Ziel ist es daher die klinische Infektionsdiagnostik zu revolutionieren, indem wir sie schneller und kostengünstiger machen und gleichzeitig dringend benötigte neue Biomarker etablieren.

Aktuell verkaufen wir Forschungsgeräte und Verbrauchsmittel für den Markt der biomedizinischen Forschung. Hierbei bedienen wir die Nische der Hochdurchsatzmethoden zur Erfassung von physikalischen Zelleigenschaften. Dabei haben wir strategische Partnerschaften mit Key Opinion Leader in der klinischen Diagnostik, der Zelltherapieentwicklung und pharmakologischen Forschung etabliert. Diese werden uns erlauben einen klaren Anwendungsfall zu etablieren und ein Gerät für diesen Markt zuzulassen. Sobald das geschehen ist, werden wir uns Technologie in anderen Märkten etablieren.

Welche Zielgruppen sprechen Sie an – etwa Forschung, Klinik oder Industrie – und wie adressieren Sie deren unterschiedlichen Bedürfnisse?

Aktuell vertreiben wir ein Verformungszytometer „Naiad1“ für die Forschung, welches kostengünstig aber auch flexibel für unterschiedlichste Einsatzgebiete ist. Mit einigen Kunden haben wir feste Partnerschaften etabliert, mit denen wir die technische Entwicklung vorantreiben und an die unterschiedlichsten Bedürfnisse anpassen. So sind wir in der Lage von der Hardware über die Funktionsweise bis zur Software alle Erwartungen unserer Kunden zu adressieren. Bspw. lernen wir aus dem Einsatz in klinischen Einrichtungen, dass ein manuelles Handling bis auf ein Minimum reduziert werden muss und aus Industriepartnerschaften ein maximaler Zugang und Anpassungsfähigkeit erwartet wird. In der Entwicklung unserer Technologie können wir so frühzeitig spätere Bedürfnisse vorhersehen und reduzieren Fehlentwicklungen und doppelte Arbeit.

Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Technologie erschwinglich und leicht zugänglich bleibt?

Obwohl es sich um hochspezialisierte Technologie handelt, die die modernsten Verfahren der Mikrostrukturierung, Mikrofluidik, Hochdurchsatzmikroskopie und künstlicher Algorithmen zur Auswertung verwendet, haben wir starke Partnerschaften mit weltweit agierenden Firmen aufgebaut, die die benötigten Komponenten aus ihren Entwicklungen und ihren Produkten produzieren können. Somit müssen für unsere Verformungszytometer keine neuen Produktionslinien aufgebaut werden, was die Herstellung und Weiterentwicklung auch langfristig günstig und leicht zugänglich macht.

An welchem Use-Case oder Erfolg lässt sich der Mehrwert Ihrer Technologie besonders anschaulich demonstrieren?

Aktuell sind wir sehr stolz darauf, dass wir unsere Produkte schon weltweit etablieren konnten und es geschafft haben die Idee der Zellbiophysik zu verbreiten und die Technologie zu demokratisieren. Es zeigt sich, dass Institute und Forschungseinrichtungen basierend auf unserer Technologie neue Verfahren und Ideen für ihre eigene Forschung ableiten. Besonders anschaulich zeigt sich das in unserer Partnerschaft mit dem Fraunhofer Institut in Leipzig (IZI). Das Institut hat seinen Schwerpunkt in der Entwicklung von Zelltherapien zur Behandlung von bspw. Tumoren. Die Entwicklung dieser hochkomplexen Zelltherapien hat sich bisher vor allem auf die Verbesserung der Wirkungsweise der Zellen fokussiert. Dabei wurde die Zellfunktionalität die für eine erfolgreiche Anwendung notwendig ist aufgrund der aktuell komplexen Methoden diese zu erfassen vernachlässigt. Durch den Einsatz der Verformungszytometrie werden diese Tests massiv erleichtert und wir erhoffen uns eine große Rolle bei der Qualitätskontrolle der zelltherapeutischen Produkte zu spielen.

Welche technischen oder regulatorischen Hürden begegnen Ihnen aktuell und wie gehen Sie damit um?

Aktuell ist die größte Hürde die Technologie so Anwenderorientiert wie möglich und dabei trotzdem flexibel zu machen. In der Zukunft sehen wir uns mit der Zulassung der Technologie als Medizinprodukt nach MDR konfrontiert. Dabei sehen wir die größte Schwierigkeit in der Verwendung und Zulassung von konsekutiven selbstlernenden künstlichen Algorithmen. Ich denke, da liegt viel Arbeit und Überzeugungsarbeit vor uns.

Wie unterscheidet sich Ihr Ansatz durch Kombination von Mikrofluidik, Hochgeschwindigkeitsmikroskopie und KI von bestehenden Verfahren?

Nach meinem Kenntnisstand ist eine solche Kombination schon etwas Neues, da es zumindest in Deutschland kein zugelassenes Produkt gibt, welches diese 3 Komponenten vereint. Grundsätzlich unterscheidet sich unser Produkt, von den klinischen Standards in der Blutdiagnostik dadurch, dass es mit geringsten Mengen an Blut misst (ca. 3 µl), die mikroskopisch-optische Zellanalyse mit der Blutzählung kombiniert und natürlich dadurch, dass wir mit den physikalischen Zelleigenschaften neue Biomarker erfassen und zur Diagnose verwenden.

Wie planen Sie, die Zukunft der Zell-Physiologie in der Klinik mit Ihrer Technologie zu beeinflussen?

Die Erfassung der Zell-Physiologie ist ein Standard in der klinischen Blutdiagnostik, der zeitaufwändig, durch bspw. anfärben von Blutausstrichen, ist, Fachpersonal benötigt und dadurch teuer ist. Durch die Kombination der mikroskopisch-optischen Zellanalyse, der Erfassung der physikalischen Zelleigenschaften (physiologische Parameter die aktuell nicht erfasst und genutzt werden) und der voll automatisierten, bild-basierten Auswertung der Daten durch künstliche Algorithmen, erweitern wir den Informationsgehalt und vergrößern die Genauigkeit bei der Diagnosefindung. Da dies alles innerhalb von ca. 15 min. geschieht und kein Personal für die Datenerfassung und Probenpräparation benötigt ist das Verfahren kostengünstig und vor allem zeitsparend.

Welche neuen Produkte oder Entwicklungen stehen bei Rivercyte für die nächsten 12 bis 24 Monate an?

In den nächsten 12 bis 24 Monaten fokussieren wir uns auf die Entwicklung eines Prototyps der für die klinische Zulassung verwendet werden soll.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Forschungspartnern wie dem Max-Planck-Institut oder dem Universitätsklinikum Erlangen?

Die Zusammenarbeit mit den universitären und institutionellen Partnern auf der ganzen Welt funktioniert sehr einfach und unkompliziert. Nur die Erstellung von Kooperationsverträgen und der administrative Aufwand im Allgemeinen ist manchmal hakelig und dauert lange.

Wie möchten Sie das Team weiterentwickeln – etwa mit Blick auf neue Disziplinen oder internationale Kooperationen?

In naher Zukunft wollen wir das Team grundsätzlich vergrößern um eine bessere Strukturierung hinzubekommen und die anstehenden Aufgaben effektiv zu bearbeiten. Wir streben danach einen R&D Bereich zu schaffen und diesen vom operativen Geschäft unabhängig zu machen um neue Märkte zu erschließen und strategische Partnerschaften zu etablieren.

Welchen drei Ratschläge möchten Sie anderen Gründer:innen geben, basierend auf Ihrer Erfahrung von der Forschung zur Gründung?

Ich weiß nicht ob ich schon in der Position bin Ratschläge zu geben aber wichtig ist, den Schritt zur Gründung zu wagen, dabei Neugierig auf alles Neue zu bleiben und sich durch rechtliche, administratorische und unerwartete Probleme nicht entmutigen zu lassen.

Bild: Martin Kräter @ Rivercyte

Wir bedanken uns bei Martin Kräter für das Interview

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Warum digitale Ausgabenprozesse mehr sind als nur Buchhaltung?

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pleo unternehmensausgaben buchhaltung Founder Raymond Hüner

Pleo bietet eine smarte Plattform zur Verwaltung von Unternehmensausgaben und macht Finanzprozesse transparenter und effizienter für moderne Teams

Wer sind die Köpfe hinter Pleo und wie hat sich das Gründungsteam gefunden?

Pleo wurde 2015 von Jeppe Rindom (CEO) und Niccolo Perra gegründet. Beide kommen aus der Fintech-Welt und kennen die Herausforderungen rund um Unternehmensausgaben aus eigener Erfahrung – als CFO, als Manager und als Mitarbeitende. Immer wieder stießen sie auf dieselben Probleme: geteilte Kreditkarten, unkontrollierte Abos, fehlende Übersicht, aufwändige Buchhaltung.

Zwar gab es bereits Tools, aber die waren meist auf einzelne Fälle wie Reisen oder Spesen ausgelegt, nicht auf die Realität moderner Unternehmen.

Gleichzeitig zeichnete sich ein klarer Wandel ab: Mitarbeitende übernahmen mehr Verantwortung und tätigten selbst Ausgaben, beispielsweise für Tools, Werbung oder externe Dienstleistungen. Das vereinfacht zwar viele interne Abläufe, wurde aber schnell sehr unübersichtlich.

Jeppe und Nico sahen darin ein zentrales Problem und eine Chance. Wenn man Zahlungen mit Software verbindet, lässt sich Ausgabenkontrolle neu denken: in Echtzeit, nachvollziehbar und für alle Beteiligten transparent. Für die beiden war klar: Diese Herausforderung betrifft nicht nur einige wenige, sondern Unternehmen weltweit. Und genau da wollten sie ansetzen – und das Problem lösen.

Welche Vision verfolgt Pleo im Bereich Unternehmensausgaben und wie soll diese Realität werden?

Pleo verfolgt die Vision, Unternehmensausgaben nicht nur zu verwalten, sondern sie in einen steuerbaren, nachvollziehbaren und strategischen Bestandteil der Finanzprozesse zu überführen. Dabei geht es weniger um die bloße Ausgabe von Firmenkarten, sondern um die Frage, wie Finanzverantwortliche mehr Transparenz und Kontrolle über die alltägliche Ausgabenpraxis gewinnen, ohne Teams im operativen Geschäft auszubremsen.

Konkret heißt das: Unternehmen sollen in der Lage sein, Ausgabenprozesse so zu gestalten, dass sie sich in vorhandene Systeme und Arbeitsweisen einfügen. Im deutschen Markt sind dabei insbesondere die Themen Compliance, Datenschutz und Integration entscheidend. DATEV-Anbindungen, GoBD-konforme Archivierung und strukturierte E-Rechnungsverarbeitung sind hier keine Zusatzfunktionen, sondern Grundvoraussetzungen. Dasselbe gilt für die Erkennung und Vermeidung von fehlerhaften oder betrügerischen Transaktionen.

Langfristig geht es darum, Unternehmensausgaben aus der operativen Blackbox zu holen und sie als strategische Steuerungsgröße nutzbar zu machen – und das auf Basis von Daten, klaren Prozessen und realitätsnahen Workflows.

Wie hilft Pleo Unternehmen dabei, den Aufwand rund um Spesen und Ausgaben zu reduzieren?

Pleo automatisiert den gesamten Ablauf – von der Zahlung bis zur Übergabe an die Buchhaltung – und ersetzt viele manuelle Zwischenschritte. Mitarbeitende zahlen mit der Pleo-Karte, erhalten eine Push-Benachrichtigung, erfassen den Beleg per App, und die Ausgabe wird automatisch kategorisiert.

Abhängig von Betrag oder Team greifen dabei vorkonfigurierte Freigaberegeln: Verantwortliche erhalten eine Benachrichtigung und können Ausgaben mobil oder am Desktop direkt prüfen und freigeben.

Im Hintergrund verknüpft das System alle relevanten Informationen: Karte, Nutzer:in, Projekt oder Kostenstelle, Kategorie und Beleg. Diese Daten lassen sich strukturiert in kompatiblen Formaten exportieren. Die Buchhaltung erhält damit vollständige, geprüfte Datensätze statt fragmentierter Einzelinfos.

Kurz gesagt: Pleo reduziert den Aufwand nicht punktuell, sondern entlang der gesamten Ausgabenkette – und macht aus einem oft fehleranfälligen Vorgang einen durchgängig transparenten Prozess.

Was sind die häufigsten Herausforderungen, denen eure Kunden begegnen – und wie adressiert Pleo diese?

Viele Unternehmen kämpfen mit verteilten Tools, fehlender Datenkonsistenz und langsamen Freigabeprozessen – häufig zusätzlich noch durch regulatorische Anforderungen verschärft.

Pleo adressiert diese Herausforderungen mit einer einheitlichen Plattform: Alle Datenpunkte laufen zentral zusammen, Prozesse sind nachvollziehbar dokumentiert, und durch Automatisierung sinkt der manuelle Aufwand.

Inwiefern unterscheidet sich Pleo von klassischen Firmenkreditkarten und Buchhaltungstools?

Klassische Firmenkarten dokumentieren, was ausgegeben wurde. Pleo hingegen steuert, wie, wann und wofür Ausgaben getätigt werden. Mit flexiblen Limits, Regeln und Echtzeit-Transparenz wird die Ausgabe nicht erst im Nachgang geprüft, sondern bereits im Moment der Zahlung kontrolliert.

Gängige Buchhaltungstools wiederum setzen meist am Ende des Prozesses an. Pleo greift hier früher: Es unterstützt dabei, Budgets zu überwachen, Richtlinien durchzusetzen und Teams zu befähigen – mit einem System, das verständlich, intuitiv und jederzeit anpassbar ist.

Welche Branchen oder Unternehmensgrößen profitieren besonders vom Einsatz eurer Lösung?

Pleo passt besonders gut zu Unternehmen, in denen viele unterschiedliche Teams eigenständig Ausgaben tätigen – etwa in Agenturen, bei Eventproduktionen, Startups oder im international aufgestellten Mittelstand. Dort hilft die Plattform, Ausgaben transparent zu machen, ohne die Abläufe unnötig zu verkomplizieren.

Ein gutes Beispiel ist die global agierende 360 Experience Group. Das Team betreut große, internationale Veranstaltungen – unter anderem den Eurovision Song Contest. Dabei entstehen an vielen Stellen gleichzeitig Ausgaben: für Technik, Reisen, Dienstleister etc. Mit Pleo lassen sich diese Ausgaben direkt vor Ort erfassen und automatisch den richtigen Budgets zuordnen. Das spart Abstimmungen im Nachhinein und sorgt dafür, dass das zentrale Finanzteam auch bei komplexen Projekten den Überblick behält.

Gab es ein Kundenfeedback oder eine Nutzererfahrung, die euch besonders motiviert oder überrascht hat?

Pleo war zu Beginn nicht mit den in lokalen Märkten gängigen Buchhaltungssystemen verbunden. Kund:innen konnten zwar Ausgaben erfassen, hatten aber keine Möglichkeit, die Daten direkt in ihre Buchhaltungsprozesse zu überführen – was ein zentrales Hindernis im Alltag darstellte.

Wir haben die Integration dann so schnell wie möglich nachgeholt. Dieses Learning haben wir direkt in die Strategie für andere Märkte mitgenommen. So haben wir uns in Deutschland von Anfang an auf DATEV-Anbindung und ein strukturiertes Onboarding konzentriert.

Welche Rolle spielt Automatisierung in eurem Produkt – und wie verändert sie die Arbeitsweise in Finanzabteilungen?

Automatisierung ist bei Pleo zentraler Bestandteil. Viele Aufgaben, die früher manuell erledigt wurden, wie etwa Belege einsammeln, Ausgaben zuordnen oder Rückfragen klären, laufen heute im Hintergrund automatisch – von der Kartenzahlung über die Belegerfassung bis zur Kategorisierung und Freigabe.

Das verändert auch die Rolle der Finanzabteilung spürbar. Statt Vorgänge nachzuarbeiten, können Teams frühzeitig steuernd eingreifen, strategischer planen und sich auf Analysen und Beratung konzentrieren. Die Zeit, die früher für Kontrolle und Korrektur verloren ging, wird nun für Themen wie Budgetsteuerung, Liquiditätsplanung oder interne Zusammenarbeit frei.

Was waren zentrale Hürden in der Skalierung von Pleo in Europa und wie seid ihr damit umgegangen?

Eine der größten Herausforderungen war, die Unterschiede zwischen den Märkten richtig einzuschätzen – besonders mit Blick auf Erwartungen an Transparenz, Sicherheit und Systemkompatibilität. In Deutschland hat sich schnell gezeigt: Ein erprobtes Produkt reicht nicht aus, wenn lokale Anforderungen nicht präzise berücksichtigt werden.

Wir haben darauf mit klaren strukturellen Maßnahmen reagiert. Ein eigenes DACH-Team arbeitet heute eng mit Produkt und Vertrieb zusammen und bringt Anforderungen aus dem Markt direkt in die Weiterentwicklung ein. Wir erfassen Rückmeldungen systematisch und übersetzen sie in konkrete Produktanforderungen. Statt nur bestehende Features anzupassen, analysieren wir gezielt, wie Buchhaltungsprozesse tatsächlich ablaufen – und wo unser Tool bestehende Systeme sinnvoll ergänzt oder ersetzt.

Heute zählt Deutschland zu unseren stabilsten Märkten.

Wie geht ihr bei Pleo mit dem Spannungsfeld zwischen Innovation und regulatorischen Anforderungen um?

Bei Pleo sehen wir Regulierung nicht als Hindernis, sondern als Rahmen, in dem wir Innovation verantwortungsvoll umsetzen. Gerade im Finanzbereich braucht es Vertrauen. Das entsteht nur, wenn neue Funktionen bestehende Anforderungen nicht umgehen, sondern aktiv mitdenken und implementieren.

In der Produktentwicklung stimmen wir uns deshalb eng mit lokalen Expert:innen ab und prüfen neue Features konsequent darauf, wie sie sich in bestehende Prozesse einfügen – technisch wie organisatorisch. So lassen sich Innovation und Rechtssicherheit praxisnah verbinden.

Was dürfen Nutzerinnen und Nutzer in Zukunft von Pleo erwarten – gibt es neue Funktionen oder Märkte im Fokus?

Ein wichtiger Schritt war der Start der Treasury-Funktion in diesem Jahr. Mit Features wie automatisierten Umbuchungen zwischen Konten unterstützt Pleo Unternehmen dabei, ihre Liquidität aktiver zu steuern – vor allem bei mehreren Budgets oder Standorten. Dieser Bereich soll weiter ausgebaut werden, etwa mit Multi-Währungs-Konten oder Tools zur Finanzplanung.

Auch die Rechnungsverarbeitung wird weiterentwickelt mit dem Ziel, Freigaben und Zahlungen stärker zu automatisieren.

Deutschland bleibt dabei ein klarer Fokusmarkt: Wir sehen hier nach wie vor eine deutliche Lücke für Lösungen wie Pleo. Vor allem dort, wo es um verlässliche Steuerung von Ausgaben, effiziente Prozesse und transparente Buchhaltung geht.

Wir wollen ein starkes europäisches Unternehmen aufbauen, das andere europäische Firmen dabei unterstützt, erfolgreicher zu arbeiten, indem sie Ausgaben smarter verwalten und insgesamt effizienter wirtschaften. Mit rund 40.000 Kund:innen haben wir bereits viel erreicht. Gleichzeitig wissen wir, dass wir angesichts der Vielzahl an Unternehmen in Europa noch ganz am Anfang stehen. Genau deshalb fokussieren wir uns auf nachhaltiges Wachstum – mit Lösungen, die Unternehmen nicht nur entlasten, sondern dabei helfen, wirklich voranzukommen.

Welche drei Tipps würdet ihr Gründerinnen und Gründern mitgeben, die ein Tech-Startup in einem regulierten Markt aufbauen wollen?

Lokalisierung beginnt nicht beim Produkt, sondern beim Verständnis.
Wer nicht weiß, wie Prozesse, Systeme und Entscheidungslogiken im Zielmarkt funktionieren, wird mit guter Technologie allein nicht überzeugen.

Gib deinem Team die Freiheit, den Markt zu vertreten – nicht nur das Produkt.
Lokale Teams brauchen Handlungsspielraum, um Anforderungen direkt zurückzuspielen und umzusetzen.

Sieh Compliance nicht als Checkliste, sondern als strategischen Teil des Produkts.
Wer regulatorische Anforderungen aktiv in die Entwicklung integriert, schafft Lösungen, die nicht nur bestehen, sondern Nutzer:innen echten Mehrwert und Wettbewerbsvorteile bieten.

Bild: Raymond Hüner @ Pleo

Wir bedanken uns bei Raymond Hüner für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

Warum der Weg zum intelligenten Zuhause immer häufiger durch den Rechner führt

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fiveD simulation radar interviewpartner christian schüßler

fiveD entwickelt digitale Zwillinge für Radarsysteme und ermöglicht damit die realitätsnahe Simulation komplexer Umgebungen für Anwendungen von Smart Home bis Raumfahrt

Was ist die Gründungsgeschichte von fiveD und wer sind die Köpfe hinter dem Unternehmen?

fiveD wurde 2024 als Spin-Off des Lehrstuhls für Hochfrequenztechnik an der FAU Erlangen gegründet. Die Idee entstand aus Forschungstätigkeiten im Bereich Radarsimulation – dann haben wir die Firma mit dem Ziel gegründet, eine Brücke zwischen akademischer Forschung und industrieller Anwendung zu schlagen. Heute steht hinter fiveD ein interdisziplinäres Team aus Radar-, KI- und Softwareexperten, das auf einen großen Erfahrungsschatz aus Industrie und Forschung zurückblicken kann. Das Gründerteam besteht aus vier Personen – zwei davon mit starkem Fokus auf Technik, zwei auf Business und Marktentwicklung: Marcel Hoffmann, Dr.-Ing. Christian Schüßler, Lars Schwenger und Dr.-Ing. Michael Stelzig.

Welche Vision verfolgt fiveD mit seinen digitalen Zwillingen für Radarsysteme?

Unsere Vision ist es, die Entwicklung und Validierung von Radarsystemen radikal zu vereinfachen – durch eine digitale Umgebung, die die reale Welt physikalisch korrekt und skalierbar abbildet. Wir schaffen digitale Zwillinge, die es ermöglichen, Radarsysteme nicht mehr auf der Straße, sondern im Rechner zu entwickeln, zu testen und zu optimieren. So beschleunigen wir Entwicklungszyklen, reduzieren Kosten und machen neue Anwendungsszenarien möglich – vom autonomen Fahren bis zur Erdbeobachtung aus dem All.

Wie verändert euer Ansatz die Entwicklung von Radartechnologien im Vergleich zu klassischen Methoden?

Klassische Radartests erfordern teure Hardware, aufwendige Testfahrten und langwierige Validierungsprozesse. Unser Ansatz ersetzt diese durch eine simulationsbasierte Pipeline, in der sämtliche Radarantworten realistisch generiert werden – inklusive Mehrwegeausbreitung, Bewegungsartefakten und Materialspezifika. Damit ermöglichen wir eine verschränkte Optimierung von Hardware, Signalverarbeitung und KI – noch bevor der erste Prototyp gebaut wird.

Für welche Industrien ist die Technologie von fiveD besonders interessant – und warum?

Eigentlich für alle, die Radarsensorik entwickeln, einsetzen oder einsetzen wollen, um damit ein Umgebungsverständnis zu erlangen. Das reicht von automatisierten Klospülungen über autonome Fahrzeuge bis hin zu Sicherheitsscannern am Flughafen.

Wie stellt ihr sicher, dass eure Simulationen realitätsnah und für den industriellen Einsatz verlässlich sind?

Unser physikbasierter Ansatz beruht auf einer umfassenden Modellierung elektromagnetischer Wellen – inklusive Doppler, Polarisation und komplexer Reflexionseffekte. Validierung ist dabei ein zentrales Thema für uns: Neben numerischen und analytischen Tests kalibrieren wir unsere Modelle kontinuierlich gegen reale Messkampagnen – sowohl in Laboren als auch in realen Applikationen. Unser Anspruch ist es, die physikalische Ground Truth im Digitalen so genau wie möglich abzubilden – insbesondere für Edge-Cases, die im Feld nur schwer erfassbar sind.

Was war bislang die größte technische oder unternehmerische Herausforderung für euer Team?

Technisch war und ist es die größte Herausforderung, realistische Radarantworten für komplexe Umgebungen mit bewegten Objekten in möglichst niedriger Rechenzeit zu generieren – bei gleichzeitig skalierbarer Performance. Gleichzeitig stehen wir als junges Startup sicher noch am Anfang der unternehmerischen Herausforderungen. Hier geht es darum, einen hochspezialisierten Deep-Tech-Ansatz mit den konkreten Bedürfnissen verschiedener Industrien zu verheiraten – also eine Lösung zu bauen, die technisch exzellent und gleichzeitig wirtschaftlich attraktiv ist. Das Ganze muss danach natürlich auch noch vom Markt angenommen werden. Bleibt also spannend!

Was unterscheidet fiveD grundlegend von anderen Anbietern im Bereich Radarsimulation?

Unsere Radarexpertise. Viele andere Anbieter sind sehr breit aufgestellt und bieten Simulationslösungen für sehr viele verschiedene Dinge an – von Kamerasimulationen bis hin zu Wärmetransport. Wir haben hier einen sehr zielgerichteten Fokus auf Radar und können unsere Kunden dadurch entlang der kompletten Entwicklungskette unterstützen, auch weil wir die eben die Expertise im Haus haben. Unsere Kunden bekommen also nicht nur ein Tool, sondern einen verlässlichen Partner – vom Konzept bis hin zur finalen Implementierung.

Welche Rückmeldungen bekommt ihr aus der Industrie? Gibt es ein besonders prägendes Kundenbeispiel?

Wir hören immer wieder, dass es dringend eine Lösung wie unsere braucht, da die Entwicklung von Radaren einfach zu langsam und zu teuer ist. Dabei sind ganz unterschiedliche Anwendungsfelder vertreten – von Smart Home bis zu Sicherheitsscannern am Flughafen. Im Bereich ADAS / Autonomes Fahren konnten wir zum Beispiel die Leistungsfähigkeit eines Sensors untersuchen, der noch mehrere Jahre vom Prototypenstadium entfernt ist, und diesen mit aktueller state-of-the-art Sensorik vergleichen. Es ist spannend, schon heute zu sehen, wo sich die Industrie hinentwickeln könnte.

Wie adressiert ihr die spezifischen Anforderungen so unterschiedlicher Branchen wie Automotive, A&D und Smart Home?

Da hilft uns unsere breite Expertise im Radarbereich. Wir haben hier langjährige Erfahrung und wissen daher gut, wo der Schuh drückt – und haben unser Team gezielt erweitert, um unsere Toollandschaft ideal darauf abstimmen zu können. Dazu gehören unter anderem:
die richtigen Schnittstellen zum Laden von 3D-Welten und Assets im industrieüblichen Standard,
Einstellmöglichkeiten für gängige Signalformen und Prozessierungen,
sowie eine verständliche Visualisierung der Ergebnisse.
Und das Ganze variiert stark – die Erfassung menschlicher Bewegungen auf wenigen Metern im Smart-Home-Bereich ist fast schon eine andere Sportart als etwa die Radarsimulation für Remote Sensing aus dem Orbit.

Was sind eure nächsten Meilensteine? Gibt es neue Einsatzbereiche, die ihr erschließen wollt?

Da gibt es natürlich einige: Zunächst wird demnächst unsere Software erstmals als Demoversion verfügbar sein und kann direkt beim Kunden eingesetzt werden. Kurz darauf folgt dann die lizensierbare Vollversion. Wir konzentrieren uns zunächst auf unsere Fokusmärkte und nutzen das erste Kundenfeedback, um das Produkt weiter zu verbessern. Und ganz nebenbei feiern wir im Juli auch noch unser einjähriges Firmenjubiläum – das wird also eine spannende Zeit!

Was treibt euch persönlich an, an dieser technologischen Schnittstelle zu arbeiten?

Die Begeisterung für die Technologie – es ist einfach etwas ganz Besonderes, so ein Vorhaben von den ersten Skizzen im Forschungskontext bis zur hoffentlich marktetablierten Lösung zu begleiten.

Welche drei Ratschläge würdet ihr anderen Gründerinnen und Gründern mit auf den Weg geben?

Feedback ist ein Geschenk! Redet früh mit vielen Leuten: Kunden, Partnern, Freunden und Mentoren – da ergeben sich oft neue, spannende Perspektiven
Scheitern gehört zum Tagesgeschäft. Lasst euch davon nicht verunsichern. Wichtig ist, es richtig einzuordnen, daraus zu lernen und dann weiterzumachen.
Seid optimistisch, aber realistisch. Wer mehr verspricht als er liefern kann, hat am Ende weder zufriedene Kunden noch Freude an der Arbeit.

Foto: Christian Schüßler @ fiveD GmbH

Wir bedanken uns bei Chistian Schüßler für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

Man muss die Welt nicht allein retten

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Natascha Sagorski Demokratie Politik Familien Autorin, Initiatorin der Gesetzesinitiative zum Gestaffelten Mutterschutz Geschäftsführerin von Familie sind Alle gGmbH © Fionn Grosse

Kennst du Natascha Sagorski? Wenn ja, dann sicher als Initiatorin des brandneuen Gesetzes für den gestaffelten Mutterschutz. Mit ihrem neuen Buch „Wie wir mit unseren Kindern die Demokratie verteidigen“ möchte sie alle – und insbesondere Frauen und Mütter – ermutigen, sich politisch zu engagieren. Für sie selbst ist Aufgeben keine Option. Denn wenn wir unseren Kindern eine gute Zukunft sichern wollen, so viel steht für die Autorin fest, müssen wir zuallererst die Demokratie verteidigen. Sie selbst kandidiert bei den nächsten Kommunalwahlen für den Gemeinderat.

„Du musst nicht selbst eine Petition starten. Es reicht, wenn du Petitionen unterschreibst. Wichtig ist, dass du eine Haltung hast und dir deiner Gestaltungsmacht bewusst bist.“

herCAREER: Natascha, im Frühjahr hast du erfolgreich ein neues Gesetz auf den Weg gebracht. Jetzt hast du ein Buch über politisches Engagement herausgebracht. Willst du damit vermitteln: „Das könnt ihr alle auch!“?

Natascha Sagorski: Ich will mit dem Buch vor allem transportieren, dass Demokratie nur funktioniert, wenn wir sie alle leben und gestalten. Der Erfolg mit dem neuen Gesetz war insofern wichtig, als ich all den Zweiflern Wind aus den Segeln genommen habe, die gesagt haben: „Ach Natascha, das ist ja alles ganz toll, aber wir können doch eh nix bewirken.“ Jetzt kann ich sagen: „Ha, das bringt eben doch was!”

herCAREER: Und wenn es nicht geklappt hätte?

Natascha Sagorski: Auch wenn das Gesetz nicht gekommen wäre, hätte es trotzdem viel verändert, weil unser demokratisches Engagement einfach so viele Menschen über die Parteigrenzen hinweg motiviert hat. Wir haben gezeigt: Man kann Themen Raum verschaffen, die von alleine keinen Raum bekommen.

herCAREER: Warum liegt dir das so am Herzen?

Natascha Sagorski: Ich glaube, dass zu viele Menschen Demokratie als etwas Selbstverständliches ansehen und hinnehmen. Aber im Moment ist sie nicht mehr selbstverständlich. Ich möchte dazu anregen, es auch als Privileg zu sehen, sich demokratisch engagieren zu können. Ein Großteil der Menschen hat dieses Privileg nicht.

herCAREER: Es hat drei Jahre gedauert, das Gesetz zum gestaffelten Mutterschutz durch den Bundestag zu bringen. Das ist ein ganz schönes Commitment und doch sicher sehr kräftezehrend?

Natascha Sagorski: Ja, das waren drei lange Jahre für mich persönlich – und so wirkt es auf Menschen außerhalb des politischen Betriebs natürlich auch. Abgeordnete hingegen waren erstaunt und haben gesagt: “Wow, innerhalb einer Legislaturperiode, das ist ja wahnsinnig schnell!“ Es ist also immer eine Frage der Perspektive. Aber – man muss mit seinem Engagement nicht gleich auf Bundesebene starten, um politisch wirksam zu werden.

herCAREER: Ist Kommunalpolitik zugänglicher?

Natascha Sagorski: Ja. Um beim Thema Fehlgeburten zu bleiben: Ich wollte einen Erinnerungswald initiieren, wo Familien wie wir, die ein Kind in der Schwangerschaft verloren haben, einen Baum pflanzen können und so einen Ort des Gedenkens haben. Ich bin in den SPD-Ortsverein gegangen und habe gesagt, ich würde das gerne beantragen. Dann habe ich den Antrag geschrieben, der wurde im Gemeinderat eingebracht und einstimmig angenommen. Das hat ungefähr 10 Tage gedauert. Man kann in der Kommunalpolitik sehr schnell sehr viel bewirken.

herCAREER: Was sind weitere erste Schritte in ein politisches Engagement?

Natascha Sagorski: Der Elternbeirat zum Beispiel. Oder eine Petition! Für eine kommunalpolitische Petition brauchst du manchmal nur ein paar hundert Unterschriften und hast oft direkt Erfolg. In meinem Interview mit Jessica Seip von OpenPetition habe ich erfahren, dass es sich bei den meisten Petitionen auf der Plattform um familienpolitische Petitionen handelt und dass die erfolgreichsten Petitionen die zu kommunalpolitischen Themen sind.

herCAREER: Eine deiner zentralen Aussagen im Buch ist: “Familienpolitik ist Wirtschaftspolitik.” Allerdings. Eine Bundeswirtschaftsministerin gab es bisher noch nie, den letzten Bundesfamilienminister hatten wir 1982. Wie bekommen wir mehr Frauen, aber vor allem mehr Mütter in die Politik?

Natascha Sagorski: Das geht meiner Meinung nach nur über die Parteien. Denn Parteimitglieder schreiben nicht nur die Wahlprogramme – aus ihnen rekrutiert sich auch das politische Personal. Der Ansatz „Mehr Mütter in die Politik“ muss von innen kommen, also müssen Parteien familienfreundlicher werden!

herCAREER: Hast du konkrete Ideen, wie das gehen kann?

Natascha Sagorski: In unserem Ortsverein sind wir gerade sehr viele Mütter und auch Väter. Wir planen familienfreundliche Veranstaltungen: Zu Ostern gab es Kindertattoos und Ostereiersuchen. Unsere Sitzungen sind immer hybrid und wir haben die Zeiten angepasst, damit die Termine nicht immer zur besten Familienzeit (wie Abendessen oder Zubettgehen) sind. Solche Veränderungen bekommt man schnell umgesetzt, sobald da nicht mehr nur eine, sondern drei oder vier Mütter in einer Gruppe sind. Und je mehr engagierte Leute zusammenkommen, desto mehr Spaß macht es auch. Sobald daraus eine Bewegung wird, läuft das!

herCAREER: Überall herrscht Politikverdrossenheit und laut Umfragen verlieren immer mehr Menschen das Vertrauen in die Demokratie: Wie bleibst du optimistisch?

Natascha Sagorski: Viele – natürlich nicht alle – Abgeordnete sind wirklich gute Menschen, offen für Gespräche und angetreten, weil sie wirklich etwas verändern wollen. Mich nervt dieser Pessimismus. Immer ist alles schlecht, keiner kann was richtig machen. Und wenn mal ein guter Ansatz kommt, dann ist er nicht perfekt genug und dann wollen die Leute das nicht mittragen. Ich habe da eine andere Einstellung. Ich sage: „Geht doch erst mal mit!”

herCAREER: Wir brauchen also mehr Optimismus gegenüber den politischen Akteur:innen?

Natascha Sagorski: Unbedingt. Wie wollen wir unsere Kinder zu aufrechten Demokrat:innen erziehen, wenn sie von ihren Eltern hören: „Das sind alles Idiot:innen, die kannst du eh vergessen“? Wie kann man so Kinder für Demokratie begeistern?

herCAREER: Und wie kann man es besser machen? Wie kann ich Kindern ihre Gestaltungsmacht näherbringen und gleichzeitig notwendige Grenzen setzen?

Natascha Sagorski: Ich glaube, das Wichtigste ist, dass Kinder lernen: Meine Stimme zählt. Ich darf meine Meinung sagen und werde auch gehört. Im besten Fall – und da sind wir in der Demokratie – hat das auch eine Wirkung. Und diese Beispiele gibt es schon: Der Morgenkreis in der Kita zum Beispiel ist ein demokratisches Ritual. Da dürfen meine Kinder zum Beispiel kleine Punkte auf ein Plakat setzen und entscheiden, ob sie rausgehen oder spielen oder eine Laterne basteln.

herCAREER: Wie kann man das in der Familie umsetzen?

Natascha Sagorski: Der Familienrat ist ein tolles Instrument. Man muss es nicht übertreiben und ihn jede Woche hochoffiziell einberufen. Aber man kann zum Beispiel gemeinsam über das nächste Urlaubsziel entscheiden.

herCAREER: Wie kann man dabei realitätsnah bleiben und den Kindern vermitteln, dass es in einem demokratischen System auch Regeln und Grenzen gibt?

Natascha Sagorski: Familienrat heißt ja nicht, dass die Kinder die Eltern überstimmen können und wir sechs Mal im Jahr nach Florida ins Disneyland fliegen. Besser ist es, zwei Urlaubsziele zur Auswahl zu stellen und dann abzustimmen. Wichtig ist, dass die Eltern das Votum respektieren und die Kinder nicht überstimmen können.

herCAREER: Deine Kinder sind noch sehr klein. Wie habt ihr die Bundestagswahl mit ihnen erlebt?

Natascha Sagorski: Ein Wahltag ist bei uns ein Feiertag. Wir wollen vermitteln: Wahlen sind was Cooles. Bei uns war die ganze Wohnung voller Luftballons, richtige Partystimmung. Wir sind mit Freunden und Familie ins Wahllokal gegangen und die Kinder waren auch in der Wahlkabine. Das hat Spaß gemacht! Natürlich haben wir den Laden richtig aufgemischt. Danach haben wir gegrillt und gemeinsam die Hochrechnungen angeschaut. Mein Ziel ist es, schöne Erinnerungen zu schaffen und deutlich zu machen: Wählen ist ein Privileg.

herCAREER: Für die ganz Kleinen hast du im Buch Geschichten und Materialien vorgestellt, die Demokratie und Wahlen kindgerecht erklären. Ältere Kinder und Jugendliche informieren sich aber viel über soziale Medien. Wie können Eltern hier sicherstellen, dass sie Propaganda und Fake News erkennen lernen?

Natascha Sagorski: Hierüber habe ich mit Expert:innen des Deutschen Kinderhilfswerks gesprochen. Ein Aspekt ist sicherlich, selbst mit gutem Beispiel voranzugehen. Eine gute Messlatte für Jugendliche ist: Würdest du dieses Bild auch draußen an einer Litfaßsäule kleben sehen wollen? Wichtig ist: Social Media ist da und wird bleiben. Und es hat so viel Gutes, auch in der Politik. Ohne Instagram wäre meine Petition nie so schnell erfolgreich geworden.

herCAREER: Hast du einen Tipp für Eltern, wie sie das richtige Maß an Kontrolle finden?

Natascha Sagorski: Ein Bild, das für mich gut funktioniert, ist die Sonne. Sie tut gut, ist gesund und wärmend. Aber sie kann auch sehr gefährlich für uns sein, deshalb ist es wichtig, den richtigen Sonnenschutz zu benutzen. Unsere Sonnencreme ist: Medienkompetenz, Medientraining, Aufklärung, Begleitung – wir müssen den Jugendlichen beibringen, sich sicher im Internet zu bewegen, und sie in die Lage versetzen, Gefahren zu erkennen. Demokratie bedeutet auch Mündigkeit.

herCAREER: Wen willst du mit deinem Buch erreichen?

Natascha Sagorski: Natürlich möchte ich Menschen außerhalb der Bubble erreichen. Aber ich glaube, dass die meisten Menschen, die das Buch kaufen werden, bereits politisch interessiert sind. Was ich mir wünsche, ist, dass Menschen, die vielleicht denken: „Mich interessiert das, aber ich habe keine Kraft, ich habe keine Zeit, ich schaffe das nicht“, in dem Buch eine Motivation finden.

herCAREER: Was können auch erschöpfte Menschen tun, um engagiert zu bleiben?

Natascha Sagorski: Du musst nicht selbst eine Petition starten. Es reicht, wenn du Petitionen unterschreibst. Wichtig ist, dass du eine Haltung hast und dir deiner Gestaltungsmacht bewusst bist. Du musst auch nicht zu jeder Versammlung gehen. Du kannst zum Beispiel in deinem Freundeskreis darauf hinweisen, dass es eine spannende Veranstaltung gibt, und sagen: „Ich kann nicht, aber ich würde mich freuen, wenn jemand von euch gehen kann und unsere Themen dort anspricht.” Man muss nicht immer alles selbst machen, man muss die Welt nicht allein retten.

herCAREER: Was ist dein Tipp für Leute, die Zeit und Energie in ein Thema investieren wollen?

Natascha Sagorski: Für mich war JoinPolitics ein Game-Changer, weil ich dort unter anderem finanzielle Unterstützung bekommen habe, sonst hätte ich mir das nicht leisten können. Das ist eine Starthilfe für politische Talente und Themen. Was mich am Laufen hält, sind Menschen, die an mich glauben. Das ist etwas, was man nicht unterschätzen darf: Man muss sich Leute suchen, die ähnlich ticken und die groß denken!

herCAREER: Ein Schlusswort für alle Nachrichtenmüden und Politikverdrossenen?

Natascha Sagorski: Wenn Menschen, die demokratisch eingestellt sind, aufhören, sich mit Politik und Nachrichten zu beschäftigen, ist die Demokratie wirklich in Gefahr. Es sind nicht die 20 Prozent Stimmen für die AfD, die unsere Demokratie gefährden – es sind die 80 Prozent der Demokraten, die keine Lust mehr haben, sich zu engagieren.

Das Interview führte herCAREER-Redakteurin Kristina Appel.

Auf der diesjährigen herCAREER Expo wird Natascha Sagorski am Freitag, den 10. Oktober, beim Podcast-MeetUp ein Gespräch darüber moderieren, wie Politik, Wirtschaft und Gesellschaft das Mutter-Dilemma auflösen können.

Was, wenn ein einfaches Kleidungsstück dein ganzes Auftreten verändert?

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FINN Schweiß Produkte Gründerin Nina Senghaas und Peer Senghaas @ FINN

FINN Design entwickelt funktionale Unterwäsche, die Menschen im Alltag unterstützt – mit Fokus auf Komfort, Wirkung und Selbstvertrauen.

Wie ist die Idee zu FINN entstanden und welchen persönlichen Hintergrund gibt es dazu?

Die Idee zu FINN Design ist im Alltag entstanden – aus einem echten Problem heraus: Schweißflecken, Unsicherheit, Unwohlsein. Peer, mein Mann und Mitgründer, wollte eine Lösung, die wirkt, bequem ist und nicht stigmatisiert. Ich war anfangs als Sparringspartnerin dabei, beruflich aber noch voll in meiner Rolle als Geschäftsführerin bei CHECK24 eingebunden. Irgendwann hat mich FINN nicht mehr losgelassen – heute verantworte ich unseren Online-Shop und bin mit ganzem Herzen Teil unseres Familienunternehmens.

Was genau war die erste Herausforderung auf dem Weg von der Idee zum fertigen Produkt?

Die ersten Herausforderungen waren zahlreich – wir hatten keinerlei Textil-Erfahrung. Schnitte, Materialien, Sourcing, Passformen: Alles war neu. Wir mussten vieles selbst lernen, durften aber auch mit jeder Iteration besser werden. Bis ein Produkt „FINN-ready“ ist, vergehen oft viele Monate, manchmal Jahre.

Welche Vision verfolgt FINN heute – und was treibt euch dabei an?

Unsere Vision ist es, Menschen dabei zu helfen, sich sicher und wohl in ihrer Haut zu fühlen – ganz ohne Scham. Ob bei starkem Schwitzen oder einem kleinen Bauchansatz: Wir möchten zeigen, dass funktionale Unterwäsche nicht medizinisch oder unsexy sein muss, sondern ein echter Gamechanger im Alltag sein kann. Diese Rückmeldungen treiben uns an.

Was unterscheidet FINN DESIGN von anderen Anbietern funktionaler Unterwäsche?

Wir sind im deutschsprachigen Raum de facto Marktführer für Anti-Schweiß-Produkte und Shapewear für Männer. Es gibt kaum andere Anbieter, die diese Nischen mit echter Expertise und Produktqualität bedienen. Über Jahre haben wir unsere Produkte gemeinsam mit der Community weiterentwickelt – wir hören genau hin, testen unermüdlich und optimieren so lange, bis wirklich alles passt.

Für welche Menschen entwickelt ihr eure Produkte und wie holt ihr euch Feedback von eurer Zielgruppe?

Unsere Produkte sind für alle gemacht – unabhängig von Größe, Geschlecht oder Figur. Unser Ziel ist, den Alltag einfacher zu machen – ob beim Bewerbungsgespräch, unter dem Hemd bei der Hochzeit oder im Büroalltag. Wir machen den gesamten Kundenservice selbst und bekommen so unglaublich wertvolles Feedback. Daneben holen wir regelmäßig strukturierte Bewertungen ein, um gezielt weiterzuentwickeln.

Was bedeutet Qualität für euch – und woran macht ihr sie bei euren Produkten fest?

Qualität bedeutet für uns: keine Kompromisse. Vom Material über die Verarbeitung bis hin zur Funktion muss alles stimmen. Das dauert – aber lohnt sich. Wir arbeiten nur mit sorgfältig ausgewählten Lieferanten, die wir persönlich kennen und regelmäßig besuchen. Vertrauen ist hier essenziell.

Wie gelingt es euch, als Paar ein wachsendes Unternehmen und Familienleben zu vereinen?

Die Vereinbarkeit von Familie und Unternehmertum ist eine tägliche Herausforderung – aber auch ein großes Glück. Wir teilen uns die Care-Arbeit bewusst auf und genießen die Zeit mit unseren zwei (bald drei) Jungs sehr. Gleichzeitig lieben wir unseren Job und schätzen die Freiheit, als Familie und als Gründer:innen unsere eigenen Wege zu gehen. Einfach ist es nicht – aber erfüllend.

Wie wichtig ist euch das Thema Female Leadership und welche Erfahrungen habt ihr damit gemacht?

Female Leadership ist für mich persönlich ein Herzensthema. Ich habe mich beruflich nie benachteiligt gefühlt – bis ich schwanger wurde. Plötzlich wurde mir bewusst, wie viel Verantwortung Frauen noch immer allein tragen – gerade, wenn es um Kinderbetreuung geht. Ich bin stolz, dass wir ein gleichberechtigtes Modell leben – und damit auch unseren Jungs zeigen, dass es anders geht. Ich liebe meinen Beruf und sehe ihn als wichtigen Ausgleich. Deshalb werde ich auch nach der Geburt unseres dritten Kindes wieder schnell mit einsteigen – sofern es die Gesundheit zulässt.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bei der Entwicklung und Produktion eurer Textilien?

FINN Design Gründerin Nina Senghaas im Hängestuhl sitzend

Nachhaltigkeit spielt für uns eine große Rolle. Wir arbeiten überwiegend mit Lenzing Modal, einer nachhaltigen Naturfaser, die besonders weich ist – aber auch anspruchsvoll in der Verarbeitung. Wir wählen unsere Partner sehr sorgfältig aus und achten nicht nur auf Umweltstandards, sondern auch auf faire Arbeitsbedingungen.

Wie geht FINN mit gesellschaftlichen Tabus rund um Schweiß, Körperform und Unsicherheit um?

Gesellschaftliche Tabus wie Schweiß, Unsicherheit oder Körperform sprechen wir ganz bewusst an. Gerade Männer tun sich oft schwer, über solche Themen zu sprechen. Aber genau da möchten wir ansetzen: Unsere Kunden lieben unsere Produkte – gleichzeitig erleben wir in den sozialen Medien auch Ablehnung und Irritation. Aussagen wie „Ein echter Mann trägt sowas nicht“ motivieren uns umso mehr, diese veralteten Denkmuster aufzubrechen.

Was sind die nächsten Entwicklungsschritte oder Produktideen, an denen ihr arbeitet?

Aktuell arbeiten wir an einer neuen Shapewear-Linie mit stärkerer Kompression für Männer. Auch im Damenbereich entwickeln wir weiter – sowohl bei Anti-Schweiß als auch bei Shape-Produkten. Und ein weiteres spannendes Projekt: Anti-Schweiß-Socken!

Welche drei persönlichen Ratschläge gebt ihr Gründerinnen und Gründern, die ein eigenes Produkt auf den Markt bringen möchten?

Erstens: Einfach machen. Man findet immer Gründe, etwas nicht zu tun – aber bereut meist eher das, was man nicht versucht hat.
Zweitens: Rede früh mit echten Kund:innen – ihre Probleme sind dein bester Kompass.
Drittens: Fokussier dich auf ein starkes Produkt statt zehn halbe Ideen. Qualität schlägt Quantität.

Foto: Gründerin Nina Senghaas und Peer Senghaas @ FINN

Wir bedanken uns bei Nina Senghaas für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.


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