Menia Ettrich arbeitete als Ergotherapeutin, bevor sie in das Customer Success Team eines Deep-Tech Unternehmens wechselte, das KI-basierte 3D-Bewegungsanalysen für die Pflege und Medizin entwickelt. In ihrem Beruf arbeitet sie eng mit ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen, Therapiezentren und Kliniken zusammen, die mit Hilfe digitaler Tools die Mobilität von Senior:innen fördern und den Pflegealltag entlasten. Sie weiß, warum neue Technologien und Künstliche Intelligenz in der Pflege und Gesundheitsversorgung von morgen nicht mehr wegzudenken sind.
Digitale, datengetriebene Anwendungen sind im Alltag zu einem selbstverständlichen Begleiter zu jeder Tages- und Nachtzeit geworden. Die wachsende Beliebtheit smarter Lösungen zieht sich durch alle Generationen und durchdringt inzwischen auch das Gesundheitswesen, einen der am stärksten regulierten Sektoren. Während sich unser Smartphone zum persönlichen Gesundheitsassistenten wandelt, Gesundheitsdaten erfasst, analysiert und individuell für uns aufbereitet, hilft Künstliche Intelligenz dabei, die richtigen Rückschlüsse und Diagnosen zu stellen.
So lernt beispielsweise eine KI-basierte Gesundheitsapp unsere Gewohnheiten im Zeitverlauf kennen und kann uns genau sagen, welche Einflussfaktoren eine Migräne triggern oder welchen Mundwinkel wir beim Zähneputzen fortwährend vernachlässigen. Was in der Selbstdiagnose bereits großzügig und mit einem Anspruch an Gesunderhaltung und Selbstoptimierung angewendet wird, erhält endlich auch Einzug in den Arbeitsalltag medizinischer Fach- und Pflegekräfte.
KI-basierte digitale Anwendungen erobern Medizin & Pflege und ermöglichen neues Arbeiten
Auch in der Pflege und Medizin setzen immer mehr Fachkräfte auf neue Technologien als Erweiterung ihrer eigenen Ressourcen sowie physischen und kognitiven Fähigkeiten. So kann KI bei der Krebsfrüherkennung komplexe Informationen aus radiologischen Befunden filtern, die invasive Biopsien überflüssig machen. In der Pflege können KI-basierte Mobilitätsanalysen eines der großen Probleme des demografischen Wandels lösen: Stürze und ihre Folgen sind das größte Hindernis für selbstbestimmtes Leben im Alter.
Mit Hilfe einer digitalen Anwendung liest eine KI aus dem Video vom Gang einer Person eine Vielzahl an Parametern, schätzt das Sturzrisiko, integriert die Ergebnisse automatisch in die Pflege-Dokumentation und liefert auf dieser Basis individuelle Handlungsempfehlungen. Studien zeigen, dass die regelmäßige Anwendung der digitalen Sturzanalyse inklusive Maßnahmen zur Sturzprävention die Gangsicherheit messbar verbessert und das Sturzrisiko um bis zu 18% senkt. Der Einsatz KI-gesteuerter Technologien trägt demnach auch dazu bei, dass Medizin nicht nur reaktiv, sondern auch präventiv verwendet werden kann.
Das ist aus zweierlei Gründen wichtig, denn: Unsere Gesellschaft wird immer älter. Dazu leiden der Gesundheitsmarkt und insbesondere die Pflege nicht erst seit der Corona-Pandemie an einem anhaltenden Fachkräftemangel. Das Institut der Deutschen Wirtschaft rechnet damit, dass in 15 Jahren zwischen 130.000 und 150.000 Stellen in der Branche nicht besetzt werden können. Doch Nachwuchs zu finden, wird schwer, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen.
Neue Chancen für das Berufsbild der modernen Pflege und Versorgung
Besonders junge Menschen erwarten vom Einsatz digitaler Lösungen in der Pflege auch eine Verbesserung des Berufsbilds. Dazu sehen sie in digitalen Tools eine zusätzliche Komponente zur Qualitätssicherung und Entlastung (vgl. Civey-Umfrage 2020). Und genau darum geht es: Künstliche Intelligenz wird in der Medizin und Pflege weder Jobs noch Expertisen ersetzen – sie schafft aber die Voraussetzungen für eine individualisierte, patientenzentrierte und präventionsorientierte Gesundheitsversorgung sowie eine Vorsorge, die Beweglichkeit und Fitness in jeder Phase des Lebens erhält. KI trägt dazu bei, die Gesundheitsversorgung auf ein neues Level zu heben, indem Dokumentationsaufwendige und Informationenintensive Prozesse und Analysen vereinfacht und ergänzt werden und Fach- und Betreuungskräften dadurch mehr Zeit für die soziale Betreuung bleibt.
Sie erleichtert außerdem den fachübergreifenden Austausch zwischen verschiedenen Leistungserbringern, wodurch eine effizientere Versorgung gewährleistet wird. So zeigen uns führende Leistungserbringer, Krankenkassen, Pflege- und Therapieeinrichtungen schon heute, wie sie mit Hilfe von digitalen Gesundheitsanwendungen auch unter den Corona-Einschränkungen gezielt die Gesundheit, Mobilität und das Wohlbefinden bei Senior:innen in allen Wohnformen vorantreiben.
Möglich machen den Schritt in eine zunehmende digitalisierte und präventivorientierte Pflege in diesem Jahr auch die Zulassung der Digitalen Pflegeanwendungen (DiPA). Pflegende, Pflegebedürftige und ambulante Dienste haben bereits seit Beginn des Jahres den gesetzlichen Anspruch auf DiPA. Die Politik ist um Schnelligkeit beim Zulassungsprozess bemüht – viele Medizintechnikhersteller:innen entwickeln vorausschauend, aus der Praxis heraus und arbeiten evidenzbasiert, um Entscheidungsträger:innen die Abstimmung über den Einsatz von Medizinapps so leicht wie nur möglich zu machen. Ich zähle auf unsere neue Gesundheitspolitik, dass sie entsprechend nachzieht und der Digitalisierung in der Pflege die Aufmerksamkeit einräumt, die sie verdient. Im Sinne einer präventionsorientierten Gesundheitsversorgung – und für mehr Lebensqualität für Versorger, Pflegende und Pflegebedürftige.
Autorin:
Menia Ettrich ist Customer Success Managerin des Berliner Deep Tech Unternehmens Lindera. Lindera entwickelt KI-basierte 3D-Bewegungsanalysen für digitale Gesundheits-, Pflege- und Fitnessanwendungen, die mit dem gängigen Smartphone oder Tablet und ganz einfach per App durchgeführt werden können. Dabei setzt Menia Ettrich gemeinsam mit dem interdisziplinären Team, welches aus Mediziner:innen, Produktentwickler:innen und Datenwissenschaftler:innen besteht, auf die praxisnahe Zusammenarbeit mit Partner:innen aus der Pflege, Reha-Kliniken, Geriatrie, Neurologie und Orthopädie. Die innovative Lindera Technologie wurde auf höchstem Niveau wissenschaftlich validiert und unterstützt Fachkräfte bei der Analyse, Dokumentation und trägt nachweislich zur Mobilitätsförderung und Sturzprävention bei.
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder