Menschen lieben Geschichten. Sie berühren unseren Wesenskern und damit das, was uns ausmacht. Viele unserer Erinnerungen an Geschichten sind unlöschbar mit unserer Kindheit verknüpft, als wir glaubten, dass die Welt noch in Ordnung war. Zugleich sind Geschichten die älteste Form der Überlieferung. Sie wurden als kulturelle Erzählungen schon während der Großen Eiszeit verbreitet. Damals bevölkerten Menschen und Neandertaler gemeinsam unseren Planeten.
In den letzten Jahren ist im Marketing das Bewusstsein für die Kraft von Geschichten erwacht. Storytelling wird diese Marketingstrategie genannt, die ein kraftvolles Mittel ist, die heutige Informationsflut zu durchbrechen, die Aufmerksamkeit von Zielgruppen zu gewinnen und eine emotionale Bindung zu Kunden aufzubauen. Studien belegen, dass gut gemachtes Storytelling unsere Conversion Rate auf den fünffachen Wert ansteigen lässt.
Gefühle als Leitmotive
In der Zeit der Aufklärung wurde der Mensch als Vernunftwesen hoch gehandelt. Dies prägt bis heute den westlichen Diskurs. Vernachlässigt wurde bei der Betonung auf die rationale Komponente des Menschen seine Gefühlswelt, die auf das Engste mit seinem Verstand verbunden ist. Diese Verflechtungen lassen sich heute mit den Mitteln der Hirnforschung nachweisen. So reguliert das Glückshormon Dopamin nicht nur unsere Motivation, sondern auch unser Erinnerungsvermögen und unsere Aufmerksamkeit. Unter christiani-storymarketing.com/ erfahren Sie mehr, wie Sie das Konzept des Storytelling-Marketings mit Leben füllen können.
Das „Kuschelhormon“ Oxytocin ist beim Zuhören an der emotionalen Bindung zur Hauptfigur beteiligt, mit der wir uns identifizieren, und bringt während der Geschichte Gefühle wie Zärtlichkeit, Mitleid und Empathie hervor. Endorphine wiederum stimulieren unser Wohlbefinden. Sie bewirken neben der Entspannung Verbesserungen bei kognitiven Funktionen wie Aufmerksamkeit und Kreativität. Wenn wir bei einer Handlung lachen, werden bei uns ähnlich viele Endorphine ausgeschüttet wie bei schnurrenden Katzen, die gerade gestreichelt werden.
Wie Dopamin ist der Neurotransmitter Serotonin mit dem Gedächtnis verbunden. Er trägt dazu bei, dass wir uns in der Story zu den passenden Anlässen entspannt und behaglich fühlen sowie zu den Figuren soziale Kongruenz aufbauen. Letztendlich sind es Gefühle, die uns den Weg weisen. Die Rationalität kommt später und dient eher dazu, unsere Wünsche zu begründen und unsere Ziele zu verwirklichen.
Das Eisbergmodell zeigt die Suprematie von Emotionen
Dass beim Spannungsverhältnis zwischen Verstand und Gefühle nicht einmal von einem kongenialen Wechselverhältnis ausgegangen werden kann, sondern von einer Suprematie unserer Gefühlswelt, das belegen moderne Marketingstudien. Nach diesen treffen Kunden durchschnittlich zu sechs Siebtel ihre Kaufentscheidungen auf Basis von Emotionen, während für rationale Erwägungen nur ein Siebtel bleibt.Diese auf die Situation von Kunden angewandten Erkenntnisse wurden vom bekannten Eisbergmodell aus den Kommunikationswissenschaften inspiriert. In diesem gehen Forscher davon aus, dass unsere Kommunikation zu 80 Prozent von unbewussten Prozessen bestimmt wird, während der Anteil unserer bewussten Prozesse mit 20 Prozent wesentlich geringer ausfällt.
Hirnforschung: wie gute Geschichten auf uns wirken
Dass beim Storytelling an unsere Emotionen appelliert wird, ist unmittelbar einleuchtend. In der Hirnforschung konnte gezeigt werden, dass gute Geschichten uns ganzheitlich packen. Die Wissenschaftler beobachteten, dass beim Zuhören der Probanden deren sprachliche, sensorische und motorische Hirnareale aktiviert werden, wobei die Stimulation der motorischen Bereiche mit unserem mentalen Erleben bei der Vorstellung der Handlung verbunden ist. Unsere Vorstellungskraft reicht soweit, dass wir uns selbst in Aktion sehen und die Bewegungen des Helden vollführen. Verantwortlich für diese Prozesse sind Spiegelneuronen, die für uns die Geschichte lebendig und greifbar machen und die Identifikation mit dem Protagonisten herstellen.
Die massive Freisetzung von Neurotransmittern wurde schon angesprochen. Als Transmissionsriemen verleihen unsere Emotionen unserem Verstand Flügel und tragen zu einer wesentlich stärkeren Verankerung der Botschaft im Gehirn bei, als dies durch bloße Fakten zu erreichen gewesen wäre. Fesselt uns eine Geschichte, erinnern wir uns an sie ein Leben lang. Nicht umsonst spricht der Volksmund davon, dass ein Bild mehr als tausend Worte sagt. Ein regelrechtes Kopfkino lösen gute Geschichten aus.
Narrative erobern den Diskurs
Die Erkenntnisse der modernen Hirnforschung hinsichtlich der ganzheitlichen Wirkung, die gute Geschichten auf uns haben, korrespondiert mit dem Konzept der narrativen Psychologie. Stellvertretend für diese Schule beschreibt Prof. Dan McAdams Geschichten als „identitätsstiftendes Hilfsmittel, mit dem Menschen mit ihren Wünschen, Überzeugungen und Ängsten über eine Reihe von Ereignissen hinweg umgehen.“
Konform geht diese Einschätzung mit dem Postulat von Prof. Charles Bartlett, der schon 1932 in seiner Studie: „Krieg der Geister“ die Erfahrungen von Menschen dahingehend deutete, dass diese „eine Sammlung von Schemata im Gedächtnis ergeben, eine Art Ur-Geschichte, mit deren Hilfe die gegenwärtigen Erlebnisse interpretiert und bewertet werden.“
Dabei äußert sich die wiedergewonnene Wertschätzung von Geschichten nicht nur im Marketingkonzept des Storytellings, sondern auch im Trend zum Verkauf von Ereignissen, weil diese nachhaltiger im Gedächtnis bleiben als materielle Güter. Des Weiteren kam der Begriff aus der Politik und Geschichte des Narrativs als sinnstiftende Erzählung noch vor zehn Jahren im Sprachgebrauch als Nomen kaum vor.
Der Aufbau einer guten Story
Eine gute Geschichte benötigt einen Helden, mit dem wir uns identifizieren können. Aufgrund der menschlichen Natur als Mängelwesen geht dies nach Aristoteles, der in seiner Poetik die Grundzüge des klassischen Theaters vorgestellt hat, nur dadurch, dass der Held zwar der Tendenz nach gut ist, aber nicht perfekt.
Weiterhin benötigt es einen Spannungsbogen, wobei der Protagonist verschiedene Herausforderungen bewältigt und Konflikte löst. Populär ist der Dualismus von Held und Antiheld, wobei sich der Held am Ende durchsetzt und das Gute triumphiert. Zum Aufbau der Story gehören die Einführung, Wende- und Höhepunkte sowie das glückliche Ende.
Ziel ist die Synchronisation zwischen Sender und Empfänger
Beim Storytelling geht es nun darum, die Botschaft des Unternehmens mit der Geschichte zu verknüpfen, um eine Synchronisation zwischen Sender und Empfänger herzustellen. Auf diese Weise wird die Markenidentität mithilfe eines Mediums mit den Werten der Zielgruppen in Beziehung gebracht, wobei Unternehmer berücksichtigen sollten, dass jeder Mensch eine individuelle und eine soziale Identität hat, die gemeinsam sein Selbstkonzept ausmachen. Appelle an die individuelle Identität sorgen für Orientierung, während das Ziel von Appellen an die soziale Identität der Kunden seine Positionierung darstellt.
Unternehmen werden Teil der Geschichte
Gute Geschichten sind das eindrucksvollste Mittel, mit dem Unternehmen Kunden ihre Botschaften übermitteln können. So ziehen fesselnde Erzählungen die Aufmerksamkeit von Kunden an, bleiben nachhaltig in ihrem Gedächtnis haften, stärken ihre Bindung zum Unternehmen und ermöglichen die Identifikation von Zielgruppen zu den Produkten. Dass die bildhafte Sprache universell ist, spricht ebenfalls für dieses Werbekonzept, was Unternehmen bei einer Expansion unterstützt.
Beliebte Werkzeuge des Storytellings sind ein gelungenes Mission- und Vision-Statement, die sich beide wunderbar in ein packendes Narrativ einbetten lassen. Um mit dem Storytelling erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen Teil einer Geschichte werden, die sich als sinnstiftender Topos in den Köpfen der Kunden manifestiert.
Autor Bastian Kissing
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