Donnerstag, Juni 26, 2025
StartGründerTalkWas passiert, wenn Drohnen plötzlich feste Routen fliegen dürfen?

Was passiert, wenn Drohnen plötzlich feste Routen fliegen dürfen?

Morpheus Logistik entwickelt ein automatisiertes Drohnensystem für den sicheren und regelmäßigen Transport über feste Routen hinweg

Herr Koerschulte, wie ist Morpheus Logistik entstanden und was hat Sie persönlich zur Gründung bewegt?

Wir sind ja schon seit 2019 dran und haben 2022 das erste große Forschungsprojekt Drone4Parcel5G gestartet und sind dann nochmal richtig nach vorne gekommen. Die Idee entstand ja durch die Kombination aus meiner Luftfahrtvergangenheit und der ersten 3D-Druck Bestellung von Third Element Aviation. Damals haben wir dann zügig mit der HHLA Sky gesprochen und eigene Forschungsprogramme aufgesetzt. 2021 waren wir die ersten, die in NRW die Fluggenehmigung der Landesluftfahrtbehörde NRW bekommen haben und sind aufgrund dessen in das Forschungskonsortium mit NOWEDA, INFINEON und der Fachhochschule SWF eingetreten. Das Konsortium macht ja immer noch sehr viel im Bereich F&E mit Koerschulte als Konsortialführer.

Was war der Moment, in dem Ihnen klar wurde: Der deutsche Drohnenmarkt ist bereit für echte Innovation?

Als wir 2024 als erstes Unternehmen in Deutschland eine vollautomatisierte Drohnenlogistikstrecke mit Genehmigung des Luftfahrt-Bundesamts in Betrieb genommen haben, wurde klar: Der Markt ist bereit – nicht für Showcases, sondern für echte, skalierbare Lösungen. Der Schlüssel liegt dabei nicht in der Drohne selbst, sondern im Gesamtsystem: Zulassung, Prozesse, Software, Sicherheit. Genau hier konnten wir Standards setzen.

Wie sieht die Vision von Morpheus Logistik aus – und wie tragen automatisierte Drohnenflüge konkret zur Verwirklichung bei?

Unsere Vision ist es, Europas führender Operator für automatisierte Drohnenlogistik zu werden – mit einem verlässlichen, skalierbaren System, das reale logistische Herausforderungen löst. Wir verstehen Drohnen nicht als technische Spielerei, sondern als strategische Infrastrukturkomponente für moderne Lieferketten. Automatisierte Flüge ermöglichen es uns, unabhängig von bestehenden Verkehrsnetzen hochfrequente und zeitkritische Transporte sicher und effizient durchzuführen – lückenlos integriert in genehmigte Prozesse. Damit schaffen wir die Grundlage für eine neue logistische Normalität, die europaweit funktioniert: standardisiert, regulatorisch abgesichert und flexibel auf verschiedene Anforderungen übertragbar.

Mit der SAIL III-Genehmigung setzt Morpheus neue Standards. Was bedeutet diese Zulassung im täglichen Betrieb?

SAIL III ist eine Genehmigungsklasse innerhalb der europäischen SORA-Systematik und Voraussetzung für automatisierte Drohnenflüge außerhalb der Sichtweite (BVLOS) über besiedeltem Gebiet. Dabei wird nicht das einzelne Fluggerät zertifiziert, sondern der gesamte geplante Flugbetrieb und die dahinterstehende Organisation gesamtheitlich geprüft und zur Umsetzung freigegeben.

Für unseren Betrieb bedeutet das konkret, dass wir automatisierte Drohnenflüge in komplexem Umfeld durchführen dürfen – regelmäßig, zuverlässig und wiederkehrend. Alle Strecken sind dauerhaft genehmigt und werden aus unserem Leitstand in Echtzeit überwacht. Es gelten standardisierte Verfahren für Sicherheit, Notfälle, Redundanzen, Wettereinflüsse und Luftraumbeobachtung. Jeder Einsatz folgt einem klar definierten Betriebskonzept mit dokumentierten Prozessen, festen Start- und Zielpunkten und integrierter Planung. Kurz gesagt: Mit der SAIL III-Genehmigung betreiben wir keine Testflüge, sondern reguläre Lufttransporte – nach höchsten europäischen Sicherheitsstandards und mit einem System, das auf Skalierbarkeit und Reproduzierbarkeit ausgelegt ist.

Welche Rolle spielt Deutschland als Innovationsstandort für Drohnenlogistik im internationalen Vergleich?

Deutschland gehört – unter dem Regelwerk der EASA und mit dem Luftfahrt-Bundesamt (LBA) als zuständiger Behörde – zu den anspruchsvollsten, aber auch wegweisendsten Märkten für Drohnenlogistik weltweit. Wer hier operativ zugelassen wird, erfüllt einige der höchsten regulatorischen Anforderungen überhaupt. Das bedeutet: Was in Deutschland genehmigt ist, gilt europaweit als Maßstab für Sicherheit, Zuverlässigkeit und Professionalität. Für uns ist das kein Hindernis, sondern ein strategischer Vorteil. Denn: Wer hier erfolgreich fliegt, kann diese Qualität systematisch auf andere europäische Länder übertragen – mit einem skalierbaren Modell und maximaler Glaubwürdigkeit gegenüber Partnern, Behörden und Kunden. Kurz gesagt: Deutschland ist nicht der einfachste Markt – aber genau deshalb der richtige Ausgangspunkt für nachhaltige, europäische Technologieführerschaft.

Wie reagieren Ihre Zielbranchen – etwa Industrie oder Gesundheitswesen – auf die Einsatzmöglichkeiten Ihrer Drohnen?

Die Resonanz ist enorm. In der Industrie sind es vor allem Engpasssituationen, etwa bei der Instandhaltung oder Fertigung, wo Geschwindigkeit zählt. In der Medizin geht es um Leben – und jede gewonnene Minute kann entscheidend sein. Unsere Partner, wie z. B. Eurofins GeLaMed, sehen die Drohne nicht mehr als Gimmick, sondern als integralen Bestandteil der Versorgungskette.

Was sind typische Anforderungen Ihrer Kunden und wie schafft es Morpheus Logistik, diese präzise zu erfüllen?

Unsere Kunden kommen mit sehr konkreten Anforderungen zu uns. Meist geht es darum, regelmäßig bestimmte Strecken zuverlässig und zeiteffizient zu bedienen – etwa zwischen zwei Standorten, bei gleichbleibenden Transportvolumina und festen Zeitfenstern. Es geht nicht um maximale Flexibilität, sondern um planbare, hochfrequente Abläufe. Gleichzeitig erwarten sie, dass sich unsere Lösung nahtlos in bestehende Prozesse integriert: keine Zusatzsysteme, keine manuellen Zwischenschritte, keine Umstellung ganzer Abläufe. Das bedeutet für uns: feste Übergabepunkte, klar definierte Slots im Tagesbetrieb, integrierte Rückmeldestrukturen und dokumentierte Verlässlichkeit.

Welche technischen oder regulatorischen Hürden mussten Sie auf dem Weg zur Zulassung und Marktreife überwinden?

Der Weg zur operativen Zulassung im europäischen Luftraum war hochkomplex – insbesondere im Rahmen der SORA-Systematik. Wir mussten für jede Flugroute detaillierte Risikobewertungen und Betriebskonzepte erstellen, inklusive Nachweisen zu Bodenrisiken, Luftraumbeobachtung, Redundanzmechanismen und Notfallverfahren. Technisch bedeutete das: Aufbau einer stabilen Kommunikationsinfrastruktur zwischen Drohne und Leitstand, Implementierung von Geo-Fencing, redundanter Flugsteuerung, präziser Positionsüberwachung und einem Echtzeit-Monitoring. Jeder dieser Bausteine musste regulatorisch nachvollziehbar dokumentiert und mit validierten Verfahren hinterlegt werden. Zusätzlich war es erforderlich, organisatorische Strukturen aufzubauen – vom qualifizierten Betriebspersonal bis hin zu Dokumentations- und Schulungsprozessen, wie sie für den regulären Luftfahrtbetrieb vorgeschrieben sind.

Was macht Ihre Lösung nicht nur innovativ, sondern auch skalierbar für ganz Europa?

Unser Ansatz ist nicht auf eine einzelne Drohne oder Strecke beschränkt. Wir denken in Systemen – vergleichbar mit einer Airline. Unser modularer Flottenansatz, die zentrale Leitstand-Architektur und unsere regulatorische Struktur sind so aufgebaut, dass wir in jeder europäischen Region mit gleichen Standards ausrollen können.

Wie entwickelt sich Ihre Flotte weiter – planen Sie neue Einsatzgebiete oder Kooperationen?

Absolut. Unsere eVTOL-Drohnen mit bis zu 250 km Reichweite ermöglichen völlig neue Verbindungen, z. B. zwischen Laborstandorten, Produktionszentren oder auch BOS-Einheiten in abgelegenen Regionen. Neben weiteren Strecken mit Eurofins führen wir aktuell Gespräche mit Akteuren aus der Industrie und dem Gesundheitswesen – auch international.

In einer Branche mit so viel Zukunft – was ist Ihre größte unternehmerische Herausforderung im Hier und Jetzt?

Die Balance zwischen operativer Exzellenz und strategischem Wachstum. Im täglichen Betrieb dürfen wir keine Kompromisse bei der Sicherheit eingehen – und gleichzeitig müssen wir neue Märkte erschließen, Technologie skalieren und Talente gewinnen. Hinzu kommt: Jeder Tag bringt neue Fragen, neue Städte, neue Situationen. Wir betreten Neuland – gemeinsam mit unseren Partnern und mit den Behörden. Aber genau darin liegt auch unsere Stärke: Wir gehen diesen Weg als Erste. Als Pioniere. Und wir spüren jeden Tag, dass der Wille da ist, die Themen mit uns umzusetzen. Alle haben Lust, gemeinsam Lösungen zu finden – und das macht uns Mut. Wir wissen nicht immer, was kommt. Aber wir wissen, dass wir es schaffen können.

Was raten Sie Gründerinnen und Gründern, die ein technologiegetriebenes Startup in einem stark regulierten Umfeld aufbauen wollen?

Innovation entsteht nicht im luftleeren Raum. Sie entsteht dort, wo man Regeln versteht – und den Mut hat, sie weiterzudenken.
Wenn ihr etwas bewegen wollt: Baut ein belastbares Team auf. Dokumentiert sauber. Bleibt fokussiert auf den echten Mehrwert.
Denn am Ende zählt nicht, wie laut ihr seid – sondern wie präzise ihr es möglich macht. Ich glaube: Wer heute gestalten will, braucht keine perfekten Bedingungen – sondern Haltung, Verantwortung und den Willen, es trotzdem zu.

Bild: Von links nach rechts: Norman Koerschulte, Burkhard Koerschulte © Morpheus Logistik GmbH

Wir bedanken uns bei Norman Koerschulte und Burkhard Koerschulte für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

StartupValley
StartupValley
Das StartupValley Magazin ist Europas großes Magazin für Start-ups, Gründer und Entrepreneure. Ihr findet bei uns Tagesaktuelle News zu den neuesten Trends, Technologien und Geschäftsmodellen der internationalen Startup-Szene sowie Interviews mit erfolgreichen Gründern und Investoren.
- Advertisement -

StartupValley WhatsApp

Sei immer einen Schritt voraus! Tägliche Updates: Events, Termin & echte Insider-Tipps – direkt in dein WhatsApp!

StartupValley Newsletter

Erhalte regelmäßig die wichtigsten internationalen Startup-News in dein Postfach!

Neueste Beiträge

Premium Events

spot_img
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img

Das könnte dir auch gefallen!

StartupValley Newsletter

Erhalte regelmäßig die wichtigsten internationalen Startup-News in dein Postfach!