kodehyve: Das digitale Betriebssystem für die Immobilienbranche
Stellen Sie sich und das Startup kodehyve doch kurz unseren Lesern vor!
Mein Name ist Felix Hemmerling, ich bin ein Unternehmer aus Luxemburg. Mein Fokus liegt auf Web2- und Web3-Technologien für verschiedene Anwendungsfälle, einschließlich Immobilien, DeFi und NFTs. Seit 2020 bin ich einer der Gründer von kodehyve – einem Technologieunternehmen, das das digitale Betriebssystem für die Immobilienbranche entwickelt.
Kodehyve ist das Ergebnis der Arbeitserfahrung, die ich in den Jahren vor der Gründung gesammelt habe: Nachdem ich während meines Studiums in Singapur ein erstes Tech-Unternehmen gestartet hatte, arbeitete ich zuletzt als Fin/RegTech-Produktmanager im Finanzsektor an Themen wie digitalen Onboarding Experiences, E-Signaturen und KYC/AML-Technologien. Gemeinsam mit meinem ehemaligen Kollegen und jetzigen Mitgründer Julien Casse (CTO) sah ich vor einigen Jahren die Chance für die Gründung eines Startups im Immobilienbereich. Es ist eine Branche, für die wir beide Leidenschaft haben, die aber noch nicht ausreichend digitalisiert ist.
Hier setzen wir mit unserer Technologie an: kodehyve bietet eine vollständige digitale Infrastruktur, einschließlich Fin/RegTech-Lösungen, die den gesamten Entwicklungsprozess von Immobilien für nahezu alle Anwendungsfälle abdeckt. Mit unserer Lösung verbessern wir die Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten innerhalb der Immobilienbranche, wobei der Schwerpunkt auf Neubauprojekten liegt. Wir sind mit unserem Produkt zunächst in unserem Heimatmarkt Luxemburg gestartet, haben aber langfristig internationale Ambitionen, da wir einen dringenden Bedarf an digitaler Transformation in der Branche in einer Vielzahl von Ländern erkannt haben.
Warum haben Sie sich entschieden, ein Unternehmen zu gründen?
Ich habe 2019 meine erste Wohnung gekauft, was ein wichtiger Schritt in meinem Leben sein sollte. Tatsächlich war ich aber schockiert über die schlechte Kundenerfahrung, die ich damals gesammelt habe. Was mich insbesondere gewundert hat, ist die Tatsache, dass es einfacher ist, die Lieferung eines Produkts zu verfolgen, das man für 10 Euro bei Amazon gekauft hat, als die Entwicklung eines neuen Immobilienprojekts, das Käufer leicht eine sechs- oder siebenstellige Summe kostet.
Das Hauptproblem besteht darin, dass in der Immobilienbranche eine Menge ineffizienter Arbeit aufgrund der Vielzahl an einem Bauprojekt beteiligten Akteure geleistet wird. Wenn es um den Austausch von Dokumenten und Informationen während des gesamten Lebenszyklus eines neuen Immobilienprojekts oder einer Transaktion geht, müssen sich Agenturen, Architekten, Bauträger, Subunternehmer, Banken, Versicherungen und die Endkunden zu verschiedenen Punkten abstimmen, rechtlich bindende Dokumente unterzeichnen und vieles mehr. Aufgrund veralteter Prozesse und uneinheitlicher Tools, die genutzt werden, führt dies u.a. zu einem Mangel an Transparenz, Mehraufwand und unnötigen Kosten.
Ich habe meine negative Erfahrung damals mit meinem heutigen Mitgründer Julien besprochen.
Wir sind beide ambitionierte Problemlöser und Programmierer mit einer gemeinsamen Leidenschaft für die Immobilienbranche. Als Software-Entwickler hat er in der Vergangenheit ebenfalls viel Erfahrung im Fin/RegTech-Bereich gesammelt. Gemeinsam erkannten wir, dass wir einen Großteil der genannten Ineffizienzen durch die Implementierung und Anpassung einiger der FinTech- und RegTech-Technologien, die wir für die Finanzindustrie entwickelt haben, lösen könnten. Daraufhin begann ich, mit verschiedenen Experten aus dem Immobiliensektor zu sprechen, darunter Projektentwickler, Investoren und Agenturen.
Das Ergebnis war, dass unabhängig von der Größe eines Bauträgerunternehmens, seiner Vorgeschichte oder seiner Erfahrung in der Branche in der Regel alle Kunden die gleichen frustrierenden Erfahrungen machen wie ich. Da das Problem, das wir in diesem speziellen Sektor entdeckt haben, ein entsprechend riesiges ist, fühlten Julien und ich uns besonders dazu hingezogen. In Europa macht die Immobilienbranche im Durchschnitt etwa 10% des BIP eines Landes aus. Die beschriebenen Probleme mit digitaler Technologie zu lösen, ist im Endeffekt auch eine große Geschäftsmöglichkeit – daher beschlossen Julien und ich, kodehyve zu gründen.
Welche Vision steckt hinter kodehyve?
Der gesamte Immobilienmarkt ist sehr zersplittert und besteht aus vielen Akteuren, die an Immobilienentwicklungsprojekten und -transaktionen beteiligt sind – was zu einigen großen Herausforderungen und vielen kleineren Teilproblemen führt, die alle gelöst werden müssen. Unsere Vision ist es, Bauträgern und allen anderen Marktteilnehmern das leistungsfähigste digitale Betriebssystem zur Verfügung zu stellen, das die bestehenden Probleme effizient löst. Wir wollen ein End-to-End-System anbieten, das verschiedene Anwendungsfälle abdeckt und gleichzeitig nahtlose digitale Nutzererfahrungen bietet. Durch die Anwendung unserer früheren Erfahrungen in FinTech und RegTech und den Aufbau modularer datengesteuerter Lösungen können wir dazu beitragen, die gesamte Branche effizienter und nachhaltiger zu machen.
Unsere digitale Lösung soll menschliche Fehler und Kosten reduzieren, die Qualität und Ausführung von Immobilienprojekten verbessern und zur Dekarbonisierung des Sektors beitragen. Durch die Verbesserung der Zusammenarbeit und des Datenaustauschs wollen wir die Transparenz innerhalb des Immobilienmarkts nicht nur für Bauträger und ihre Partner, sondern auch für Investoren und Endkunden erhöhen. Insgesamt zielen wir darauf ab, eine der traditionsreichsten und gleichzeitig wichtigsten Branchen digital zu transformieren, um die Entwicklung neuer Immobilienprojekte zu beschleunigen und insgesamt eine positive Wirkung für alle Beteiligten zu erzielen.
Von der Idee bis zum Start: Was waren bis jetzt die größten Herausforderungen und wie haben Sie sich finanziert?
Wir haben uns Anfang 2020, nur wenige Wochen vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie, dazu entschlossen, unsere Jobs zu kündigen. Das war eine nicht vorhersehbare Herausforderung, die wir jedoch bewältigen konnten, indem wir uns in der Startphase zu 100% auf die Entwicklung der ersten Version unseres Produkts konzentriert haben. Wir haben den Sprung einfach gewagt und nie zurückgeblickt.
Eine weitere Herausforderung für uns war, dass es oft Zeit braucht, um Bauträger und ihre Stakeholder (u.a. Mitarbeiter, Kunden, Partner) über neue Technologien zu informieren. Es kann ein langwieriger Prozess sein, diese Organisationen durch eine digitale Transformation zu führen. Durch viele Gespräche mit verschiedenen Akteuren aus der Immobilienbranche haben wir jedoch im Laufe der Zeit einen Weg gefunden, um den Übergang und die Einführung unserer Technologie so reibungslos wie möglich zu gestalten.
Wir haben kodehyve gegründet, ohne sofort Kapital von externen Geldgebern einzusammeln. Es war ein wichtiges Ziel für uns, erst einmal aus eigener Kraft heraus zu wachsen. Wir haben das Jahr nach der Gründung mit eigenen Ersparnissen und den Einnahmen von unseren ersten Kunden finanziert. Nach Erreichen dieses “Post-Revenue”-Stadiums waren wir dann an einem Punkt, wo wir uns entscheiden mussten: Entwickeln wir uns nur basierend auf unserem Cashflow langsam weiter oder beschleunigen wir unser Wachstum mithilfe von Investoren? Wir haben uns für Letzteres entschieden und im Mai 2021 unsere erste Seed-Finanzierung in Höhe von 1 Million Euro abgeschlossen, um unsere Produktentwicklung schneller voranzutreiben.
Wer ist die Zielgruppe von kodehyve?
Wir arbeiten hauptsächlich mit Bauträgern und Projektentwicklern zusammen, aber zu unseren Kunden gehören ebenso Immobilienfonds und Immobilienagenturen sowie Immobilienverbände und -vereinigungen wie der luxemburgische Immobilienverband (Chambre Immobilière). Unsere Zielkunden und -partner sind sowohl kleine Organisationen mit nur zwei Mitarbeitern als auch Unternehmen mit mehreren hundert Mitarbeitern. Aktuell konzentrieren wir uns hauptsächlich auf die Entwicklung neuer Wohnimmobilienprojekte in Westeuropa.
Wie funktioniert kodehyve? Wo liegen die Vorteile? Was unterscheidet Sie von anderen Anbietern?
Einer der Hauptvorteile der Nutzung von kodehyve besteht darin, dass wir eine enorme Menge an Daten aus verschiedenen Quellen harmonisieren, die aufgrund der Fragmentierung des Marktes normalerweise nicht ausreichend gut verwertet werden. Unsere datengesteuerte Plattform visualisiert und gleicht die verfügbaren Daten ab, um Immobilienentwicklern zu helfen, fundierte, qualitativ hochwertige Entscheidungen zu treffen. Wir legen größten Wert auf die Datensicherheit, da wir mit vielen vertraulichen und sensiblen Informationen arbeiten – ein Aspekt, den wir bei unserer Arbeit im Bereich FinTech und RegTech in der Vergangenheit gelernt haben.
Da wir das Betriebssystem für die gesamte Immobilienbranche entwickeln, bieten wir insgesamt eine integrierte End-to-End-Lösung, die fast alle Anwendungsfälle und Bedürfnisse des Marktes abdeckt – und nicht nur einige wenige spezifische. So haben wir beispielsweise vor kurzem eine digitale Plattform für elektronische Unterschriften eingeführt. Sie ist derzeit speziell auf die Bedürfnisse der Immobilienbranche in Luxemburg zugeschnitten und bietet juristische Dokumente und Vorlagen für die verschiedenen Nutzer, die vom luxemburgischen Immobilienverband (Chambre Immobilière) offiziell anerkannt sind.
Diese Lösung für die Probleme, die im Zusammenhang mit der Verwaltung und Unterzeichnung rechtsverbindlicher Dokumente bestehen, ist dabei kein eigenständiges Produkt, sondern ein Feature, das in alle anderen Funktionen, die wir anbieten (z.B. Finanzdatenanalyse, KYC/AML-Prüfungen, Workflow-Management und Planung), integriert ist. Wir werden dieses spezielle Feature in Zukunft auch in anderen Märkten lokal angepasst einführen.
Kodehyve, wo geht der Weg hin? Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Unser langfristiges Ziel ist es, das leistungsfähigste Betriebssystem für den Immobilienmarkt in Europa und darüber hinaus zu entwickeln. Es ist uns wichtig, das beste verfügbare Produkt zu bauen, das speziell auf die Bedürfnisse unserer spezifischen Zielgruppe zugeschnitten ist – exzellentes Software-Engineering ist dabei der Kern dessen, was wir heute machen und auch in fünf Jahren noch machen wollen. Wir bereiten uns als Unternehmen auf ein starkes internationales Wachstum vor, was bedeutet, dass wir in den kommenden Jahren viele neue talentierte Teammitglieder einstellen werden, die uns bei der Umsetzung unserer Expansionspläne unterstützen. Da die Immobilienbranche weltweit ein riesiger Markt ist, gibt es für uns viel zu tun. Wir werden unser Produkt weiter diversifizieren und es in naher und ferner Zukunft lokal anpassen.
Zum Schluss: Welche 3 Tipps würden Sie angehenden Gründern mit auf den Weg geben?
1.) Macht euch keine Gedanken darüber, dass ihr vielleicht ein Außenseiter seid und anderen gegebenenfalls auf die Füße tretet. Ich denke, es ist wichtig, dass man als Gründer auf seine Intuition hört und die eigene Vision und selbst gesteckte Ziele verfolgt. Man muss sich vor niemandem rechtfertigen, wenn man ein innovatives Unternehmen aufbauen möchte. Ich empfehle Gründern, nicht zu zögern und zu sagen, wer man ist und was man über ein bestimmtes Problem, eine Branche oder eine Dienstleistung denkt. Natürlich ist es hilfreich, wenn die eigenen Ideen und Pläne von Menschen, die man schätzt, auch infrage gestellt werden. Aber es hilft enorm, skeptisch und vorsichtig zu sein, wessen Rat man annimmt. Das allerwichtigste ist in dieser Hinsicht, dass man sich jederzeit darum kümmert, was die eigenen Nutzer und Kunden denken – und nicht irgendjemand anderes.
2.) Geht bewusst mit eurer Zeit um. Als Gründer sollte man die eigene Zeit nur Themen, Aktivitäten und Menschen widmen, die einen wirklich begeistern. Man muss nicht bei jeder Startup-Veranstaltung anwesend sein und sich mit jedem vernetzen, nur um der Sache willen.
3.) Arbeitet im Hintergrund. Man muss nichts Besonderes tun und ständig die Aufmerksamkeit von möglichst vielen Personen bekommen. Genau wie bei der eigenen Zeit braucht man nur die Aufmerksamkeit der richtigen Leute und nicht die von allen. Es ist besser, die eigene Energie in die Entwicklung großartiger Produkte zu investieren als in die Erfüllung bestimmter Erwartungen von außen, die einen den eigenen Zielen nicht näher bringen. Man sollte in dieser Hinsicht nie vergessen, den Prozess, etwas aufzubauen, dabei auch zu genießen.
Wir bedanken uns bei Felix Hemmerling für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder
Premium Start-up: kodehyve