Samstag, Mai 4, 2024
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Heartbeat Labs ist eine Startup-Plattform für digitale Gesundheit

Stellen Sie sich und das Startup Heartbeat Labs doch kurz unseren Lesern vor!
Meine Name ist Eckhardt Weber, ich bin Mitgründer und Geschäftsführer von Heartbeat Labs, einer Startup-Plattform für digitale Gesundheit. Man kann mich als ‚Experte für die Geschäftsentwicklung in hochregulierten Märkten‘ bezeichnen. In meiner vorherigen Position bei Finleap – Europas größtem Company Builder für Finanztechnologien habe ich die solarisBank in nur neun Monaten durch den Prozess zum Erhalt einer vollständigen Banklizenz gesteuert. Bei Heartbeat Labs bin ich außerdem für das Investorennetzwerk zuständig. Auch das habe ich bei FinLeap schon gemacht, war zum Beispiel eine treibende Kraft hinter der letzten Finanzierungsrunde über 39 Millionen Euro.

Bei Heartbeat Labs bauen wir und investieren wir in Healthtech-Startups. Bei uns arbeiten erfahrene Gründer zusammen mit Technologie-Experten und Medizinern. Unsere Eigengründungen unterstützen wir mit €0,5 bis €5 Millionen Startkapital, Zugang zu einem bewährten Netzwerk aus Investoren sowie mit operativen Ressourcen in Produktentwicklung, Marketing, Recht, HR und mehr. Heartbeat Labs ist nach FinLeap und HitFox AdTech der dritte Company Builder der HitFox Gruppe, die zusammen über 1000 Mitarbeiter beschäftigt.

Wie ist die Idee zu Heartbeat Labs entstanden und wie haben Sie sich als Gründerteam zusammengefunden?
Jan Beckers, den man sicher vorbehaltlos zu einen von Deutschlands chronischsten Gründern zählen darf, hat sich mit mir und unserem langjährigen Kollegen Hendrik Krawinkel zusammengesetzt und gefragt: ‘Shopping, Unterhaltung, Reisen, Finanzdienstleistungen – welche Branche wird als nächstes vom Internet auf den Kopf gestellt?’ Und Gesundheit, das war uns allen klar, ist eben ein Bereich, wo einfach noch wahnsinnig viel analog funktioniert: Warum müssen wir bei jedem neuen Arzt immer wieder denselben Fragebogen ausfüllen? Warum nutzen unsere Hausärzte immer noch nicht die Vitaldaten, die wir auf unseren Smartphones aufzeichnen? Warum müssen wir für die Ausstellung eines Folgerezeptes jedes mal persönlich in die Arztpraxis laufen, wenn dafür gar kein Kontakt mit dem Arzt notwendig ist? Dann haben wir überlegt, ist das der richtige Zeitpunkt, um auf dem Markt durchzustarten und auch diese Frage haben wir mit ‘Ja’ beantwortet: Die Technologien sind da, die Menschen wollen die Vorteile des Internets endlich auch für ihre Gesundheit nutzen.

Die Optimisten überwiegen die Zweifler: Mehr Menschen glauben an die Vorteile von Digital Health, als dass sie um die Sicherheit ihrer persönlichen Gesundheitsdaten fürchten. Auch das Risikokapital für Health-Startups wächst überdurchschnittlich. Zuletzt gab es außerdem immer mehr Zeichen, dass sich auch die Regulatorik zu Gunsten neuer, digitaler Geschäftsmodelle ändert, zum Beispiel, indem sie den Erstkontakt zu einem Arzt per Video-Sprechstunde erlauben will. Zudem hatten wir mit unserem Company Builder FinLeap, der heute Europas führende FinTech-Plattform ist, bereits einmal gezeigt, dass unser Modell funktioniert, dass wir so komplexe Märkte erfolgreich innovieren können.

Welche Vision steckt hinter Heartbeat Labs?
Kurz gesagt, wir wollen mit digitalen Technologien die gesundheitliche Versorgung für alle Menschen besser und einfacher zugänglich machen. Dafür setzen wir auf die Zusammenarbeit mit Ärzten, medizinischen Einrichtungen, Unternehmern und allen anderen am Fortschritt interessierten Akteuren, die auf unserer Digitalisierungs-Expertise aufbauen wollen. Wir wissen aber auch, dass wir für die Erreichung dieser Vision nicht vergessen dürfen, dass die persönliche medizinische Betreuung nicht einfach überall durch einen Online-Doc oder einen Chat-Bot ersetzt werden kann. Wir wollen deshalb das Beste aus beiden Welten miteinander verbinden.

Von der Idee bis zum Start: Was waren bis jetzt die größten Herausforderungen?
Was uns wie auch alle anderen Startups im Gesundheitsbereich stark beschäftigt, ist die Frage, wie man neue Ideen und Modelle langfristig finanzieren kann. Es herrscht vielerorts ein gewisses “Gratis-Gefühl”, wenn es um medizinische Leistungen geht, weil auf einer Behandlung insbesondere bei gesetzlichen Kassenpatienten ‘kein Preis draufsteht’. Aber am Ende kostet Gesundheit natürlich: 2016 zahlte im Schnitt jeder Deutsche monatlich 360 Euro dafür. Und darin ist die “private” Vorsorge wie sportliche Aktivitäten natürlich nicht inbegriffen.

Dabei gibt es viele unterschiedliche Pfade, Gesundheitsprodukte zu monetarisieren. Am schwierigsten ist es sicherlich, in die Regelerstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen zu kommen. Für eine App kann das auch schnell über fünf Jahre dauern. Ein weiterer Weg ist es, sich direkt an eine oder mehrere Krankenkassen zu wenden. Mit ihnen kann man beispielsweise aushandeln, dass sie ihren Mitgliedern ein innovatives Produkt als Zusatzleistung anbietet. Die Krankenkasse vergütet dann das Startup außerhalb der Regelleistungen.

Man kann sein Angebot natürlich auch direkt an den Patienten verkaufen. Wie beschrieben, ist dafür die Zahlungsbereitschaft nicht immer besonders hoch. Am ehesten funktioniert das vielleicht noch für Prävention wie Sport und Ernährung oder für chronische Krankheiten mit hohem Leidensdruck wie Migräne oder Gelenkschmerzen.

Wie habt ihr euch finanziert?
Wir haben für unsere Anschubfinanzierung erst einmal auf dem bewährten Investorennetzwerk der HitFox-Gruppe aufgebaut und initial einen zweistelligen Millionenbetrag eingesammelt.

In welche Startups haben Sie schon investiert?
Im Gegensatz zu unseren Eigengründungen schauen wir uns für unsere Investitionen auch auf internationalen Märkten insbesondere in Schwellenländern um. Die dortigen Gesundheitsangebote sind uns in Sachen Digitalisierung oft um Längen voraus. So auch das Startup Cureskin von Heallo.ai aus Banglore in Indien, in das wir seit einigen Monaten investiert sind. Mit der Cureskin-App können die Nutzer ein Foto ihrer Haut automatisch auf Unregelmäßigkeiten wie Akne, Pigmentationen und Narben untersuchen lassen. Im zweiten Schritt erarbeiten Dermatologen einen individuellen Behandlungs- bzw. Pflegeplan. Cureskin ist vor allem auf dem Heimatmarkt aktiv. Denn in Indien gibt es weniger als einen Dermatologen auf über 100.000 Einwohner. Besonders in ländlichen Regionen haben viele Inder überhaupt keinen Zugang zu dermatologischen Rat. Nach uns stieg auch der amerikanische Accelerator Y-Combinator in das Unternehmen ein.

Eine weitere Investition ist Neebo vom in London ansässigen Unternehmen Daatrics – ein App-gesteuerter Baby-Monitor. Er alarmiert die Eltern, wenn sich das Kind gestresst fühlt oder aufwacht und es kann die Geräusche vom Baby in Echtzeit übertragen. Neebo misst mit einer Genauigkeit von maximal einem Prozent Abweichung von professionellen Medizingeräten. Das Unternehmen plant außerdem die Zertifizierung durch die US-amerikanische Gesundheitsbehörde (Federal Drug Admission).

Auch Moodpath von Aurora Health, dessen Team in Potsdam sitzt, zählt zu unseren Investitionen. Moodpath ist ein App-basiertes, interaktives Screening der psychischen Gesundheit. Nach dem 14-tägigen Selbsttest erhält der Nutzer eine fundierte Einschätzung zum Vorliegen von Symptomen einer Depression. Die App weist darauf hin, welche Formen professioneller Hilfe es gibt. Bei Bedarf kann die App auch zusammen mit Psychotherapeuten genutzt werden.

Wie steht es mit Deutschland und der digitalen Gesundheit?
Während unsere Gesundheitsversorgung allgemein noch gut funktioniert, haben wir hierzulande die Potentiale der Digitalisierung noch nicht ansatzweise gehoben: Deutschland ist sogar Schlusslicht in Europa, wenn es um digitale Gesundheit geht. Ein paar Beispiele: Wir haben keine digitale Patientenakte, anders als beispielsweise Estland (oder auch Österreich), wo die Gesundheitsdaten seit vielen Jahren zentral gespeichert werden. Wir drucken jedes Jahr immer noch über 750 Millionen Rezepte auf Papier aus. Selbst ein föderales Flächenland wie Italien arbeitet bereits zu über 80 Prozent mit elektronischen Rezepten.

Nur 27 Prozent unserer Krankenhäuser haben klinische IT-Verantwortliche. Im EU-Schnitt sind es 69 Prozent. Die Liste lässt sich beliebig erweitern. An der Einstellung der Deutschen hingegen hapert es nicht mehr: Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass hierzulande schon 55 Prozent aller Internetnutzer Medikamente online gekauft haben. Und 9 von 10 Deutschen würden die Gesundheitsdaten auf ihrem Smartphone auch mit ihrem Arzt teilen.

Heartbeat Labs, wo geht der Weg hin? Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Wir wollen zur ersten Anlaufstelle für digitale Gesundheit, zum größten europäischen Startup-Ökosystem für Digital Health werden. Wir wollen mindestens so erfolgreich sein wie unser FinTech Company Builder FinLeap, der mit großen institutionellen Partnern wie Hannover Rück, Signal Iduna oder der niederländischen NIBC Bank zusammenarbeitet. FinLeap hat heute bereits 14 Unternehmen erfolgreich auf dem Markt etabliert und für diese über 200 Millionen Euro Wagniskapital eingesammelt.

Zum Schluss: Welche 3 Tipps würden Sie angehenden Gründern mit auf den Weg geben?
1.) Folge nicht dem schnellen Geld. Es gibt viele ambitionierte Gründer, die aber nicht fragen, warum ihre Investoren bei ihnen einsteigen wollen, und wo das Geld dieser Investoren herkommt. Aber das ist super wichtig. Man sollte bei seinen Investoren immer kritisch hinterfragen: Glaubt ihr an meine Vision, an mich, vertraut ihr mir, könnt ihr mich unterstützen?

2.) Suche nicht den einen goldenen Weg zum Ziel: Neulich hatten wir so eine Position, für die einfach kein guter Kandidat um die Ecke kam. Im Textbuch standen vielleicht 3 Ansätze, jemanden zu finden. Von einem Unternehmer erwarte ich mindestens 7 Ansätze. Unser Venture Developer hat bestimmt 10 Wege genutzt: Sie hat das Suchprofil sogar auf ihrem Tinder Account gepostet.

3.) Die 80/20-Regel ist nicht das Maß aller Dinger: Speed ist wichtig, ganz klar. Und um auf Speed zu kommen, sind ambitionierte Ziele, Deadlines und mutige Entscheidungen nötig. Wer aber schnell sein will, indem er immer nur 80 Prozent gibt, wird meiner Ansicht nach nie ein großes Unternehmen aufbauen.

Weitere Informationen finden Sie hier

Wir bedanken uns bei Eckhardt Weber für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

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