Freitag, November 22, 2024
StartGründerTalkProduzieren ohne Müll: “Design spielt eine große Rolle

Produzieren ohne Müll: “Design spielt eine große Rolle

Das italienische Start-up Bazza wird bald den leichtesten Koffer der Welt auf den Markt bringen. Bei der Produktion fällt kein Müll an. Gründer Kogelnik erklärt, warum

Wie hat Bazza es geschafft, eine Produktion ganz ohne Abfall zu realisieren?

Wir haben bereits bei der Entwicklung unseres Koffers und unserer Geldtasche daran gedacht, Müll zu vermeiden. Beide Produkte – der Superleggera und die Armonica – werden aus nur einem einzigen Materialtyp gefertigt. Alles  –  Räder, Griffe, Schalen – des künftig leichtesten Koffers der Welt sind aus demselben Materialtyp. 

Und wie können Sie so Müll vermeiden?

Weil wir unser Material komplett recyceln können. Das heißt: Wenn ein Bauteil unseren Ansprüchen nicht genügt, können wir es zermahlen und aus den dabei entstehenden Pellets wieder ein neues Produkt herstellen. Außerdem verwenden wir keinen Kleber, Reißverschlüsse oder Knöpfe, die das Ding nicht mehr recyclebar machen würden. Dadurch, dass unsere Produkte gegossen und nicht genäht oder geklebt werden, haben wir keine Verschnittreste.

Was inspirierte Sie als Gründer von Bazza, sich auf Abfallreduzierung zu fokussieren?

Die Abfallvermeidung ist sozusagen ein praktischer Nebeneffekt. Mein Ziel war, den leichtesten Koffer der Welt zu bauen. Ich habe ein besonders leichtes und widerstandsfähiges Material gesucht und bin dabei auf pflanzenbasierte Materialien gestoßen. Diese Materialien haben chemisch gesehen eine sehr hohe Qualität und lassen sich darum ohne Einbußen beliebig oft recyclen. Sie sind sehr teuer, daher ist Abfallvermeidung auch eine logische ökonomische Entscheidung.

Können Sie mehr über das pflanzenbasierte Material erzählen, das Sie verwenden?

Alle Bazza-Produkte werden aus dem eigens mit und für uns entwickelten Material “BLISS” hergestellt. BLISS steht für Bio-Based, Lightweight, Super-Strong and Simply-Sensational. Im Gegensatz zu herkömmlichen Kunststoffen, die auf Petroleum basieren, wird BLISS aus Rizinusbohnen hergestellt. Die Bohnen werden gepresst und aus dem Öl entstehen Pellets, die wir in den Spritzgussmaschinen in unserer Fabrik in Italien verarbeiten. 

Wie funktioniert das Recycling-Programm, das Bazza seinen Kunden anbietet?

Unsere Kundinnen und Kunden können die Ware zu uns zurückschicken, anstatt sie wegzuwerfen. Diese Geldtaschen und Koffer können wir ebenso zermahlen und aus den Pellets wieder neue Produkte herstellen. Es ist ein ewiger Kreislauf. Wir schenken unseren Kunden einen Gutschein auf das nächste Bazza-Produkt, wenn sie am Recyling-Programm teilnehmen. 

Inwiefern unterscheidet sich Bazza von anderen Unternehmen im Bereich der Abfallreduzierung?

Gerade Koffer und Geldtaschen werden meist aus einem Material-Mix hergestellt. Sie werden genäht und geklebt. Durch Verschnittreste entsteht Müll, der in der Produktion nicht mehr verwendet werden kann. Meistens werden diese Reste nicht recycelt, sondern sie landen auf riesigen Müllhalden. 

Wie sieht Bazza seine Rolle im Kontext des globalen Abfallproblems?

Natürlich werden wir nicht alleine die Welt retten. Aber wir können ein Vorbild für andere sein. Mir war wichtig, das Unternehmen für mehrere Jahrzehnte auszulegen – da ist Nachhaltigkeit programmiert. Abfallvermeidung beginnt Jahre vor dem ersten Produktionslauf. Ich habe jahrelang darüber nachgedacht, wie ich einen Koffer gestalten kann, der aus nur einem Material besteht. Das Design spielt hier eine viel größere Rolle, als ihm viele Unternehmen derzeit geben. Recycling-Programme für Kunden sind zudem ein perfektes Tool, um Kunden an einen zu binden und es hilft gleichzeitig der Umwelt. Ein Win-Win sozusagen.

Welche Herausforderungen musste Bazza überwinden, um eine abfallfreie Produktion zu erreichen?

Der Schlüssel liegt im Zusammenspiel von Design, Herstellungsverfahren und dem Material. Man muss offen dafür sein, ein Produkt völlig neu zu denken. So entstand beispielsweise auch Armonica – die erste Geldtasche, die im Spritzguss aus nur zwei Teilen hergestellt wird – eigentlich eine absurde Vorstellung. Dann muss die Produktion günstig sein, aber dennoch in Europa, und in der eigenen Hand. Die Produktion in Italien aufzubauen war eine riesengroße Aufgabe, besonders bei vergleichsweise minimalem Budget.

Wie reagieren Kunden auf das Konzept und die Produkte von Bazza?

Ehrlich überwältigend gut! Das freut mich besonders bei der Geldtasche, weil sie ein sehr eigenwilliges Produkt ist. In Funktion und Material gibt es überhaupt nichts Vergleichbares. Die Kunden müssen also bereit sein, sich auf etwas völlig Neues einzulassen. Trotzdem funktioniert der Absatz hervorragend. Unsere Kunden sind überrascht, wie leicht die Smart-Wallet ist. Sie ist nicht schwerer als ein Kugelschreiber. Dass sie aus Bohnen hergestellt wird, ist für die meisten ein positiver Aspekt unter vielen. Vielmehr überzeugt, dass Armonica klein wie eine Kreditkarte ist und trotzdem zwölf Kreditkarten und Geldscheine Platz haben. 

Was können wir von “Superleggera”, dem leichtesten Koffer der Welt, erwarten?

Er wiegt nur rund 1,4 Kilogramm und ist damit nicht einmal halb so schwer wie vergleichbare Handgepäckkoffer am Markt. Flugreisende können so fünfzig Prozent mehr Gepäck in den Superleggera packen, als in herkömmliche Koffer dieser Größe. Auch der Superleggera wird aus BLISS hergestellt. Meine zweijährige Tochter hebt den Koffer ohne Probleme hoch und ein 90-Kilo-Mann kann darauf springen, ohne dass er kaputt geht.

Wie plant Bazza, seine abfallfreien Technologien in Zukunft weiterzuentwickeln?

Ich sehe eine große Zukunft für unser Material BLISS. Ich habe schon eine breite Produktpalette im Kopf, die ich realisieren will. Es wird einen Bazza-Rucksack geben, eine Toilettentasche, vielleicht sogar ein Bazza-Fahrrad oder auch einen Stuhl und so weiter. Die Möglichkeiten sind fast unbegrenzt. Das Material ist sehr variabel anpassbar, von weich bis hart, in allen Farben und Oberflächen.

Wie misst Bazza den Erfolg seiner Bemühungen zur Abfallvermeidung?

Um ehrlich zu sein, gar nicht. Wir haben ja keinen. Null bleibt Null. Da muss man nichts messen. 

Welche Tipps können Sie anderen Start-ups geben, die ebenfalls eine abfallfreie oder nachhaltige Produktion anstreben?

Nur wenn man die Produktion selbst kontrolliert, kann man Abfall vermeiden. Es ist wichtig, selbst in Europa zu produzieren, auch wenn das gerade für Start-ups nicht immer einfach ist. Wie schon gesagt, muss auch das Produktdesign von vornherein darauf abgestimmt werden. Abfallvermeidung beginnt Jahre vor dem ersten Produktionslauf.

Wir bedanken uns bei Michael Kogelnik für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

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